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kritisch gespielt: The Game – Face to Face

The Game – Face to Face von Steffen Benndorf und Reinhard Staupe – erschienen im Nürnberger-Spielkarten-Verlag

The Game - Face to Face - Box
Foto: Nürn­ber­ger-Spiel­kar­ten-Ver­lag

Es ist immer wie­der erstaun­lich, wie bekann­te Spie­le ver­än­dert wer­den, um dar­aus funk­tio­nie­ren­de 2‑Per­so­nen-Vari­an­ten zu ent­wi­ckeln. Dabei kann sich dann die Cha­rak­te­ris­tik eines Spie­les fun­da­men­tal ändern. BANG! THE DUEL ist so ein Bei­spiel, spielt es sich doch ganz anders als sein gro­ßer Bru­der – und trotz­dem bleibt das typi­sche Spiel­ge­fühl erhal­ten. Auch THE GAME – FACE TO FACE schafft die­se Grat­wan­de­rung. Was umso erstaun­li­cher ist, da ich das bei die­sem Spiel­prin­zip nie erwar­tet hät­te. Schließ­lich ließ sich THE GAME auch im Basis­spiel pro­blem­los und gut zu zweit spie­len. Nun gibt es also eine rei­ne 2‑Per­so­nen-Vari­an­te – und so war FACE TO FACE eine mei­ner größ­ten Über­ra­schun­gen auf der letz­ten SPIEL in Essen.

The­ma... nun gilt nicht mehr: besie­ge das Spiel! Hier ist es viel klas­si­scher: besie­ge dei­nen Gegner!

The Game - Face to Face - Karten
Sil­ber und Gold

Gra­fik... ist natür­lich auch wie­der von Oli­ver Freu­den­reich und schließt naht­los an die Gestal­tung aus dem Basis-Spiel an. Kei­ne Über­ra­schung, denn es sind die glei­chen Illus­tra­tio­nen. Nun sind die Kar­ten aber anders ein­ge­färbt. Statt eines bedroh­li­chen Rot-Tons sind die Kar­ten nun in Gold und Sil­ber gestal­tet – und nein, es gewinnt nicht auto­ma­tisch der Spie­ler, der die gol­de­nen Kar­ten besitzt.

Aus­stat­tung... jeder Spie­ler erhält einen Kar­ten­satz, der jeweils durch­num­me­riert 60 Kar­ten umfasst. Mehr braucht es nicht.

The Game - Face to Face - Beginn
möge THE GAME beginnen

Ablauf... ist natür­lich ähn­lich des Grund­spiels. Wei­ter­hin geht es dar­um, sei­ne Hand­kar­ten abzu­le­gen, wofür jeder Spie­ler nun aber jeweils zwei eige­ne Abla­ge­sta­pel besitzt – schließ­lich hat jeder Spie­ler auch ein eige­nes Kar­ten­deck. Auf einen die­ser Abla­ge­sta­pel wer­den die Kar­ten nach ihrem Wert auf­stei­gend abge­legt (also auf eine 17 bspw. eine 23) und auf den ande­ren abstei­gend (bspw. eine 48 auf eine 52). Wei­ter­hin gibt es den Clou, dass man kann ent­ge­gen die Rich­tung able­gen darf, wenn der Kar­ten­wert genau um 10 klei­ner oder grö­ßer ist (man kann also mit die­sem "Sprung" auf den auf­stei­gen­den Sta­pel eine 24 auf die 34 legen, um wie­der klei­ne­re Zah­len oben lie­gen zu haben).

Was macht FACE TO FACE anders? Jeder Spie­ler besitzt anfangs sechs Hand­kar­ten, von denen er in sei­nem Zug min­des­tens zwei able­gen muss – es dür­fen aber natür­lich auch mehr sein. Pro­blem dar­an ist, dass man am Ende sei­nes Zuges nur zwei Kar­ten wie­der nach­zieht. So kann sich die Aus­wahl für die nächs­te Run­de ziem­lich ein­schrän­ken. Es gibt jedoch eine Mög­lich­keit, mehr als die­se zwei Kar­ten zu zie­hen und wie­der auf sechs Hand­kar­ten auf­zu­fül­len. Dies ist dann erlaubt, wenn man eine Kar­te beim Geg­ner ablegt. Das darf man ein­mal pro eige­nem Zug machen und hat natür­lich einen Haken: Mit der beim Geg­ner abge­leg­ten Kar­te muss man ihm hel­fen, also des­sen Aus­la­ge ver­bes­sern (bspw. auf den auf­stei­gen­den Sta­pel auf eine 34 eine 32 legen).

Gewin­ner die­ses Duells ist, wer zuerst alle sei­ne Hand­kar­ten abge­legt hat – oder wenn der Geg­ner im Spiel­ver­lauf nicht die gefor­der­te Min­dest­an­zahl von zwei Kar­ten able­gen kann.

The Game - Face to Face - Spielszene
es durch­mi­schen sich schon die Kartendecks

Das gefällt mir nicht so gut: Wenn man es dar­auf anlegt, kann man das Spiel­prin­zip aus­he­beln. Denn dann spielt man in jedem eige­nen Zug auf Teu­fel komm raus alle sei­ne sechs Hand­kar­ten aus: eine Kar­te beim Mit­spie­ler und die ande­ren fünf bei einem selbst. Dann hofft man, dass man halb­wegs ver­nünf­tig nach­zieht und mit viel Glück kann man so eine Par­tie erfolg­reich und schnell been­den. Meis­tens wird man mit der Stra­te­gie nicht durch­kom­men, aber manch­mal eben schon, wes­we­gen es ein mög­li­ches Mit­tel ist – aller­dings geht dann der Spaß mei­ner Mei­nung nach völ­lig ver­lo­ren. So gespielt wird FACE TO FACE zum rei­nen Glücksspiel.

Wobei dann manch einer ant­wor­ten wird: "das ist es doch auch!" Was in einem gewis­sen Maße auch stimmt, denn die Kar­ten­ver­tei­lung kann mal glück­li­cher und mal unglück­li­cher sein. Im nor­ma­len Spiel müs­sen alle dar­un­ter lei­den (oder es freu­en sich alle dar­über), bei FACE TO FACE fühlt es sich dage­gen doof und unge­recht an, wenn man der Spie­ler ist, der die unglück­li­che­re Kar­ten­ver­tei­lung auf­weist. So rich­tig etwas dage­gen tun kann man auch nicht. Klar, gutes Mischen ist eine Grund­vor­aus­set­zung und die Regel gibt den Tipp, dass man immer die Hand­kar­ten des Geg­ners mischt (und man somit selbst dar­an schuld ist, wenn die­ser eine glück­li­che Ver­tei­lung auf der Hand hat). Aber wenn man ein hun­dert­pro­zen­tig fai­res Spiel haben will, dann bräuch­te man eine drit­te Per­son, die durch vor­he­ri­ges Sor­tie­ren dafür sorgt, dass bei­de Kar­ten­decks genau gleich sind.

The Game - Face to Face - Ende
das Ende kommt – definitiv

Das gefällt mir gut: Spielt man dahin­ge­gen mit mehr Über­le­gun­gen, dann ergibt sich meist ein span­nen­des Duell mit vie­len emo­tio­na­len Auf und Abs. Man freut sich, wenn man gut zusam­men­pas­sen­de Kar­ten auf der Hand hat und man flucht, wenn man genau die fal­schen Kar­ten nachzieht.

Beson­ders toll ist das Ele­ment, Kar­ten beim Mit­spie­ler able­gen zu kön­nen. Denn es ent­steht eine sel­te­ne Mischung aus mit­ein­an­der und gegen­ein­an­der spie­len. Um selbst vie­le Kar­ten wie­der nach­zie­hen zu kön­nen, bin ich dar­auf ange­wie­sen, beim Mit­spie­ler etwas abzu­le­gen. Wenn ich also nur Kar­ten bei mir selbst lege, wer­de ich meis­tens zu lang­sam sein oder kom­me nicht mehr mit mei­nen Hand­kar­ten hin. So muss ich also dafür sor­gen, auch Kar­ten beim Mit­spie­ler abzu­le­gen – und hel­fe ihm dabei, eine bes­se­re Aus­gangs­la­ge vorzufinden.

Aber die­ses Ele­ment hat noch eine wei­te­re Facet­te. Denn nicht immer geschieht das Able­gen immer im wört­li­chen Sin­ne der Regel: man kann schon dafür sor­gen, dass die Aus­la­ge for­mal güns­ti­ger wird, in Wirk­lich­keit sich die Situa­ti­on des Geg­ners aber mit­nich­ten "ver­bes­sert". Das kann bewusst aber auch unbe­wusst pas­sie­ren. Oft habe ich es erlebt, dass man nach sei­nem Zug eine wun­der­bar pas­sen­de Sprung-Kar­te nach­zieht, die aber auf ein­mal nicht mehr funk­tio­niert, weil der lie­be Mit­spie­ler einem den Sta­pel durch eine sei­ner Kar­ten "ver­schlimm­bes­sert" hat. Da fah­ren die Emo­tio­nen in kur­zer Zeit Achterbahn.

Fazit: Mir gefällt FACE TO FACE rich­tig gut. Okay, die Anfangs­be­geis­te­rung hat es auf Dau­er viel­leicht nicht hal­ten kön­nen und der ein oder ande­re Mit­spie­ler hat sich über extrem unaus­ge­wich­te­te Par­tien beschwert. Es stimmt schon, dass man eine gewis­se Frust­to­le­ranz an den Tag legen muss, wenn die Kar­ten­ver­tei­lung unfair ist. Aller­dings merkt man das auch nicht von Anfang an, son­dern meist erst am Ende einer Par­tie – und die Zeit bis dahin emp­fin­de ich selbst in sol­chen Par­tien als span­nend und unter­halt­sam. Noch bes­ser ist die­ses Gefühl aber, wenn bei­de Mit­spie­ler am Ende etwa gleich­auf sind – dann wird FACE TO FACE ner­ven­auf­rei­bend. Das setzt aber eine gewis­se Immersi­on in die­ses eigent­lich abs­trak­te Spiel vor­aus. Wer THE GAME ledig­lich als blo­ßes Kar­ten­ab­le­gen emp­fin­det, der wird auch mit FACE TO FACE nicht glücklich.

TitelThe Game – Face to Face
AutorStef­fen Ben­n­dorf und Rein­hard Staupe
Illus­tra­tio­nenOli­ver Freudenreich
Dau­er20 Minu­ten
Spie­ler­an­zahl2 Spie­ler
Ziel­grup­peDuel­lie­ren­de Kartenspieler
Ver­lagNürn­ber­ger-Spiel­kar­ten-Ver­lag
Jahr2017

Ich bedan­ke mich beim Nürn­ber­ger-Spiel­kar­ten-Ver­lag für die Bereit­stel­lung eines Rezen­si­ons­exem­plars. Ich bin mir sicher, dass durch die­se Bereit­stel­lung mei­ne Mei­nung nicht beein­flusst wur­de. Die Bespre­chung spie­gelt mei­ne gemach­te Erfah­rung wider.

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