After Us von Florian Sirieix – erschienen bei Pegasus Spiele
Ich mag es, wenn bei Spielen auch spielerisch agiert wird. Ein gutes Beispiel dafür ist die Cover-Gestaltung von AFTER US. Die deutsche Version zeigt dabei das Brandenburger Tor und da denken wir uns wahrscheinlich noch nicht viel dabei. Aber dann schaut euch doch mal das französische, britische, spanische oder italienische Cover an. Was ist das für eine tolle Idee!
Thema... mal wieder hat die Menschheit versagt und durch was auch immer ist sie letztlich ausgestorben. Allerdings hat sie dabei nicht vernünftig aufgeräumt, sondern ihren ganzen Kram einfach stehen und liegen gelassen. Die Natur hat das mit einem Achselzucken hingenommen und sich im Laufe der Zeit die Flächen zurück erobert.
In dieser wiederauflebenden Welt haben sich allerdings auch die Affen weiterentwickelt. Sie haben sich in einzelnen Stämmen zusammengeschlossen, sich fortentwickelt und dabei auch Wissen über die hinterlassenen menschliche Gegenstände erlangt. Genau einen solchen Stamm spielen wir in AFTER US – und natürlich machen wir dabei den menschlichen Fehler, wieder über den anderen Stämmen thronen zu wollen.
Illustrationen… sind aus der Feder von Vincent Dutrait und zum Genießen. An anderer Stelle habe ich mal behauptet, dass ich eine gewisse Dutrait-Müdigkeit entwickelt habe. Aber diese Aussage trifft definitiv nicht auf AFTER US zu, denn die dortigen Illustrationen haben mich wieder wach werden lassen: an jeder Ecke können wir ein ein kleines verspieltes Detail finden und alles ist famos gezeichnet. Zudem ist auch die Symbolsprache eindeutig, leicht verständlich und führt gut durch das Spiel.
Ausstattung… im Großen und Ganzen ist AFTER US ein Kartenspiel. Allerdings eines, bei dem auch massig Ressourcen gesammelt und später gegen neue Karten oder Siegpunkte getauscht werden müssen. Diese Ressourcen sind größtenteils verschiedenfarbige Früchte aus Holz sowie Batterien als kleine Pappplättchen. Da sich Wut zwar messen aber nicht greifen lässt, gibt es dafür keine eigenen Marker, sondern lediglich eine Wut-Leiste am unteren Rand unserer eigenen Tableaus. Die Siegpunkt-Leiste verläuft dahingegen am Rand des zentralen Auslage-Tableaus, auf dem die im Spiel zu erwerbenden Karten auf uns warten. Diese Karten sind unterteilt in vier verschiedene Affen-Arten, die wiederum in Güteklasse 1 und 2 auftreten. Zu guter Letzt haben wir alle noch Pappscheiben vor uns liegen, die wir für die Einkaufphase benötigen. Außerdem wählen wir vor Beginn der Partie aus einem größeren Angebot drei Gegenstände zufällig aus, die wir dann alle mit unseren gesammelten Batterien benutzen können.
Ablauf… formal ist AFTER US ein Deckbau-Spiel. Denn im Laufe der Partie versuchen wir immer stärkere Karten auf die Hand zu bekommen und bestenfalls unser Anfangsdeck gehörig auszudünnen. Wie bei anderen Deckbau-Spielen hat AFTER US auch einen verkappten Rennspiel-Aspekt. Denn es gewinnt die Person, die zuerst 80 Siegpunkte erreicht hat.

Trotzdem ist das Spielgefühl kaum mit anderen Deckbau-Spielen zu vergleichen. Denn der eigentliche Clou von AFTER US ist die Gestaltung der Karten und was wir damit machen. Die Karten zeigen Aktionskästen, die allerdings oftmals unvollständig sind und am Kartenrand abgeschnitten wirken. Da wir allerdings immer vier Karten nebeneinander liegend ausspielen, können wir solche halbe Kästen durch geschicktes Anlegen wieder schließen und somit aktivierbar machen. Im Herzen ist AFTER US also eine Art Puzzle-Spiel: wie ordne ich meine Karten an, um damit die für mich optimalen Aktionen zu ermöglichen?
Die Aktionen als solches sind dann einfach. In der oberen Reihe erhalte ich Ressourcen, die ich dann in den unteren Reihen gegen Sieg- oder Wutpunkte eintauschen kann. Die Wut benutze ich, um bestehende Karten entsorgen zu können, wofür es sogar zusätzlich noch kleine Boni gibt. Batterien tausche ich ebenfalls gegen Siegpunkte, ich kann damit aber auch die zur Verfügung stehenden Gegenstände mit ihren speziellen Funktionen aktivieren.
Haben wir alle simultan diese Kartenaktionen durchgeführt, können wir am Runden-Ende noch neue Karten erwerben. Je nach Affen-Art müssen unterschiedliche Früchte bezahlt werden. Dabei haben die Arten verschiedene Aktions-Schwerpunkte, so dass unterschiedliche Strategien möglich sind. Außerdem werden wir beim Kauf auch noch mit einem artenspezifischen Bonus belohnt.
Das gefällt mir nicht so gut: so toll die Illustrationen sind und diese somit die Spielgeschichte transportieren – im eigentlichen Spiel ist mir das Setting herzlich egal. Ich puzzle meine Karten, tausche wild Ressourcen hin und her und versuche so schnell wie möglich auf 80 Punkte zu kommen. Das Material hätte auch komplett abstrakt gestaltet sein können und ich würde wohl das Gleiche fühlen. Das ist per se gar nicht das Problem, da ich gerne gute Mechaniken als solche erlebe. Aber aufgrund der grandiosen Aufmachung hatte ich eine andere Erwartung an das Spiel, die dann enttäuscht wurde.
Doch auch die Mechanik befriedigt mich nicht vollständig. So hakt der Deckbau-Aspekt entscheidend an zwei Stellen. Einerseits kann ich nicht gezielt neue Karten kaufen. Ich weiß zwar grob, zu welcher Aktions-Art die einzelnen Affengattungen tendieren, aber ich kaufe dummerweise nur den Affen im Sack, da die Aktionsseite nicht sichtbar ist. Somit kann ich durch den vorgegeben Zufall Karten erwerben, die ich als offenes Angebot recht sicher nicht gewählt hätte. Andererseits sind die Karten zu unübersichtlich bzw. zu überladen, um wirklich auf gezielte Kombinationen hinzuarbeiten. Selbst mit konsequenter Ausdünnung der Karten, hatte ich nie das Gefühl, dass ich auf einen bestimmten Ziel-Zustand meiner Auslage hinspielen kann. Das geht mir bei den meisten anderen Deckbau-Spielen anders und fühlt sich dort dann auch befriedigender an.

Die Interaktion ist übrigens sehr überschaubar. Das fördert natürlich das schnelle Spiel, da alle die Aktionsphase simultan ausführen können, so dass AFTER US auch in Vollbesetzung erfreulich kurzweilig ist. Allerdings habe ich dadurch auch das Gefühl, dass es mir eigentlich egal ist, was die anderen so machen. Dieser Gefahr war man sich in der Entwicklung bewusst, weswegen beim Kauf noch ein interaktives Element eingeführt wurde: für die Abgabe von zwei Rohstoffen kann ich den Arten-Bonus einer direkt von mir benachbarten Person mitnutzen. Das kann bei bestimmten Situation sehr hilfreich sein, meistens ist dieses Sonderrecht aber auch vernachlässigbar. Wirkliche Interaktion entsteht kaum und davon hatte ich beim vorgegeben Thema deutlich mehr erwartet. Zumal sich auch das Gefühl aufdrängt, dass die vorgegeben Charakteristiken der Affen Raum für solche Möglichkeiten gegeben hätten. Die Gorilla treten in AFTER US sehr aggressiv auf, was ich meist dazu nutze, mein Deck auszudünnen. Aber warum kann ich nicht "aggressiv" gegen die anderen Clans auftreten? Mir persönlich ist AFTER US somit etwas zu solitär – insbesondere in dem vorgegebenem Setting.
Zu guter Letzt fühlen sich die einzelnen Partien oftmals sehr gleich an. Es ist offensichtlich, dass ein ausgedünntes Deck Vorteile bringt, weil die Starthand naturgemäß eher schwach ist. Anfangs hoffte ich noch, dass sich die im Spiel befindlichen Gegenstände stärker auf den Charakter der einzelnen Partien auswirken würden. Erfahrungsgemäß kann ich diese aber größtenteils ignorieren, indem ich mich rein auf die zu laufende Punkte-Maschine konzentriere. Somit ist mir AFTER US insgesamt etwas zu eintönig.
Das gefällt mir gut: Trotz dieser Kritikpunkte hat AFTER US ein großes Plus zu bieten: es macht verdammt viel Spaß, die vier zur Verfügung stehenden Karten zu optimieren. Was passiert, wenn ich den Schimpansen ganz nach rechts lege? Ach Mist, dann bekomme ich keine Wut – also doch lieber eine Position nach innen rücken? Aber dann bekomme ich keine schwarze Frucht produziert, für die ich doch durch den Gorilla mächtig Punkte erhalten würde. Diese Tüftelei fühlt sich sehr befriedigend an! Denn egal was ich mache, ich bin immer produktiv. Okay, im Großen und Ganzen tausche ich wild Ressourcen gegen Siegpunkte, aber der Weg dorthin ist eine Herausforderung, die ich gerne meistern will.
Allerdings sollte ich dabei immer im Hinterkopf haben, dass AFTER US auch ein Siegpunktrennen ist – und meistens auch ein spannendes. Lediglich bei Erstkontakten habe ich es erlebt, dass manche Mitspielenden weit abgeschlagen waren. Meistens wird aber früh genug erkannt, dass wir die Ressourcen auch ausgegeben sollten, damit wir nicht hinterher hecheln müssen. Natürlich kann dann eine glückliche Kartenhand beim Endspurt helfen, aber das ist bei der Kürze der Spielzeit problemlos zu verkraften.
Unbdeingt möchte ich nochmals die gelungene Gestaltung von AFTER US hervorheben. In der Spielbox 5/2023 werden illustrierte Spiele von Vincent Dutrait genannt, die wir uns unbedingt einmal anschauen sollten. In dieser Auflistung fehlt aber definitiv AFTER US, was wohl neben HEAT mittlerweile "mein liebster Dutrait" ist. Selbst das Innere der Spielbox ist voll von kleinen Details...



Fazit: Die Kern-Idee von AFTER US würde ich gerne nochmals stärker herausgearbeitet mit anderen Begleiterscheinungen erleben. Denn das wiederholende Ressourcen-in-Siegpunkte-Getausche ist mir auf Dauer zu wenig, um mich wirklich zu fesseln. Vor allem bei diesem Thema und der überragenden Gestaltung drängt sich der Gedanke auf, dass bei AFTER US das vorhandene Potenzial nicht vollständig genutzt wurde.
Titel | After Us |
---|---|
Autor | Florian Sirieix |
Illustrationen | Vincent Dutrait |
Dauer | 40 bis 60 Minuten |
Personenanzahl | 1 bis 6 Personen |
Zielgruppe | solitäre Kennerspielrunden |
Verlag | Pegasus Spiele |
Jahr | 2023 |
Hinweis | Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars! |
Kommentar hinzufügen