Captain Flip von Paolo Mori und Remo Conzadori – erschienen bei Play Punk
Noch nie vom mächtigen Captain Flip gehört? Dem Schrecken der Meere und furchtlosestem Freibeuter jenseits des Äquators. Nein? Ich auch nicht. Und wer nun die Hoffnung hat, diesen sagenumwobenen Piraten in CAPTAIN FLIP kennenzulernen, wird enttäuscht werden. Denn auch wenn wir uns mit einer Fülle von Schiffspersonal herumplagen müssen, den ominösen Kapitän bekommen wir nicht zu Gesicht.
Thema... Das liegt vor allem daran, dass wir in CAPTAIN FLIP selbst eine Crew zusammenstellen und wir demnach scharf darauf sind, von unseren Mitspielenden am Ende anerkennend "Flippy" genannt zu werden. Wie wir es von vielen anderen Spielen gewohnt sind, müssen wir für diesen Ehrentitel mehr Dukaten zusammenhäufen als alle anderen. Also Augen auf beim Anheuern der richtigen Crew. Dumm nur, dass die uns angebotenen Bewerber und Bewerberinnen ziemlich doppeldeutig daherkommen.
Illustrationen... sind von Jonathan Aucomte. Sein typischer Comic-Stil passt perfekt zur Stimmung des Spiels: fröhlich verspielte Tiere und Menschen sorgen dafür, dass wir alles nicht zu ernst nehmen. Darüber hinaus sind die wenigen Symbole selbsterklärend – und wenn es wider Erwarten doch Probleme mit diesen geben sollte, werden sie zusätzlich noch auf einem Beiblatt erklärt.
Ausstattung… kommt ohne viel Klimbim aus: eine Unmenge an Pappplättchen stecken in einen Sack, der mal wieder etwas zu knapp genäht ist, damit wir uns problemlos daraus bedienen können. Darüber hinaus stehen uns noch vier unterschiedliche Schiffstableaus zur Verfügung, von denen wir uns anfangs gemeinsam auf eines einigen. Mehr wird nicht benötigt, sodass eine Partie in Windeseile begonnen werden kann – zumal auch die Regeln kurz uns knackig sind und problemlos während des Spielens erklärt werden können.
Ablauf… abwechselnd ziehen wir jeweils ein Plättchen aus dem Beutel. Nun haben wir die Wahl: entweder wir legen das Plättchen mit der zu sehenden Person auf unser Tableau – oder wir flippen es drehen es um. Dann erscheint eine andere Person, die wir nun ohne Wenn und Aber auf unser Tableau legen müssen. Dabei füllen wir die einzelnen Spalten unseres Tableaus nach von unten nach oben in beliebiger Reihenfolge.
Je nachdem, welche Person auf unserem Plättchen zu sehen ist, erhalten wir entweder direkt Dukaten oder sorgen dafür, dass wir hoffentlich am Spielende damit zugeschüttet werden. Haben wir durch ein abgelegtes Plättchen eine Spalte gefüllt, erhalten wir meistens noch einen weiteren Bonus.
Lege ich statt einer Person ein Tier ab, passiert übrigens noch mehr: Beim Papagei bin ich sofort noch einmal am Zug – verliere dafür am Ende aber eine Münze. Lege ich dahingegen ein Äffchen ab, drehe ich sofort ein benachbartes Plättchen um und tue so, als ob ich dieses Plättchen gerade gelegt hätte.
Das gefällt mir nicht so gut: Aufgrund des gewählten Themas fehlt mir etwas die direkte Interaktion. Wenn ich schon meine Kanonierin lege, dann möchte ich damit am liebsten auch ein anderes Schiff angreifen und nicht einfach etwas mehr Dukaten erhalten. Da schlummert noch ungenutztes Potential. Denn in CAPTAIN FLIP entsteht Interaktion größtenteils nur durch Table Talk, wenn ich die Züge der Mitspielenden kommentiere. Bei manchen Tableaus gibt es zwar noch minimale Wettrennen um die einzelnen Spalten-Boni und natürlich sollten wir auch immer das mögliche Ende im Auge behalten. Das tritt ein, wenn eine Person vier der fünf Tableau-Spalten vollständig gefüllt hat, was manchmal schneller passiert als mir lieb ist. Ansonsten kann es mir aber fast egal sein, was die anderen so machen – was schade ist, denn mit etwas mehr Interaktion wäre das Erlebte noch peppiger.
Aufgrund der sehr einfachen Mechanik ist das Spielgefühl etwas repetitiv: Plättchen ziehen und legen, Plättchen ziehen und legen, Plättchen ziehen und legen usw. Wenn alle Beteiligten diese an für sich monotone Tätigkeit stumm erdulden, dann ersäuft der Spielspaß. CAPTAIN FLIP lebt davon, dass ständig alles kommentiert wird: das eigene Handeln – aber auch das der anderen. Rein von der Mechanik passiert ansonsten vor allem in größeren Runden recht wenig, was dann langweilen kann.
Das gefällt mir gut: CAPTAIN FLIP profitiert ungemein von seiner guten Zugänglichkeit. Das Spielprinzip ist einfach, die wenigen Regeln sind schnell erklärt und auch die einzelnen Aktionen sind in kürzester Zeit verinnerlicht. Wie bei einem Kartenspiel können nun die Plättchen flott aus dem Beutel gekloppt und angelegt werden. Dabei spielt natürlich der Zufall eine große Rolle. Mit Glück ziehe ich am Anfang den Kartographen, um das Privileg des Schatzkarten-Grundeinkommens zu erhalten. Mit Pech ziehe ich zuerst die Navegatorin, die mir anfangs leider gar nichts bringt. Aber dann kann ich das Plättchen umdrehen und hoffentlich gefällt mir die Rückseite nun besser. Jedes Mal habe ich somit eine kleine Entscheidung zu treffen. Dabei kann ich mein Glück herausfordern oder lieber auf Nummer sicher gehen. Kanonierinnen bringen viele Punkte, besitze ich aber am Ende drei von diesen Power-Frauen, verliere ich sofort. Natürlich nehme ich die erste ohne groß nachzudenken. Aber schon die zweite kann gefährlich werden, wenn auf einmal durch die Äffchen Kettenreaktionen ausgelöst werden können. Damit die Äffchen übrigens nicht zu viel Chaos anrichten, ist es hilfreich, sich geflippte Plättchen auch zu merken.
Die unterschiedlichen Tableaus sind dabei ein Segen, denn jedes wichtet spielerische Nuancen ein wenig anders. Mal versuche ich lieber gleiche Plättchen zu sammeln, ein anderes mal lieber unterschiedliche. Somit verändert sich immer etwas die Art und Weise, wie man bestenfalls spielt – ohne dabei allerdings von einer Regelflut übermannt zu werden. Alles bleibt leicht und fluffig. Natürlich sind wir dabei weiterhin von Bruder Zufall abhängig, aber trotzdem haben wir immer das wohlige Gefühl, echte Entscheidungen treffen zu können. Und Entscheidungen der anderen verändern zu können. Also kommentieren wir munter die aufgedeckten Plättchen. Wir lamentieren, wenn uns jemand die Schatzkarte stiehlt, wir feixen, wenn die Rückseite ungünstiger als die verschmähte Vorderseite ist und wir fluchen, wenn das Ende durch den Papagei schon wieder näher gerückt ist und wir immer noch einen viel zu kleinen Dublonen-Haufen vor uns liegen haben. Meistens kommen wir dabei in einen Sog, der auf eine Partie unbedingt eine zweite folgen lässt. Und auch dabei sind die unterschiedlichen Tableaus ein Segen, weil die Revanche dann eben keine Wiederholung ist.
CAPTAIN FLIP ist zwar das erste Spiel des neuen Verlages Play Punk, aber man merkt schnell, dass hier langjährige Erfahrung vorhanden ist: Antoine Bauza ist vor allem als erfolgreicher Autor und Mitglied einer außergewöhnlichen Spiele-WG bekannt, Thomas Provoost ist u.a. Mitgründer von Repos. Entsprechend kompetent wurde redaktionell gearbeitet. Die Anleitung lässt keine Fragen offen und die Spielhilfen haben ihren Namen verdient. Zusätzlich ist auch viel Liebe in Details geflossen: ein Beispiel dafür ist das verspielte Inlay aber auch die unaufdringlich diverse Gestaltung.
Fazit: CAPTAIN FLIP hat in meinen Gruppen eine ähnliche Wirkung wie damals KINGDOMINO – es gibt schlechtere Referenzen. CAPTAIN FLIP ist ebenfalls flott erklärt, verstanden und dann auch gespielt, so dass schneller eine Revanche gefordert wird als man seine ganzen erbeuteten Dublonen zählen könnte.
Titel | Captain Flip |
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Autoren | Paolo Mori und Remo Conzadori |
Illustrationen | Jonathan Aucomte |
Dauer | 20 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 5 Personen |
Zielgruppe | zockende Familienspielrunden |
Verlag | Play Punk |
Jahr | 2024 |
Hinweis | Vielen Dank an den Vertrieb Asmodee Germany für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars! |
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