meine Empfehlung: Altiplano von Reiner Stockhausen – erschienen bei dlp games
Mein erster Eindruck von ALTIPLANO war eher mäßig. Als großer Fan von ORLEANS hatte ich mich sehr auf dieses neue Bag-Building-Spiel gefreut und war anfangs ein wenig enttäuscht darüber, wie verkopft ALTIPLANO im Vergleich zur ORLEANS war. Kurz hatte ich sogar überlegt, es direkt wieder zu verkaufen – schließlich war es auf der SPIEL recht schnell ausverkauft und ich kannte einige Leute, die händeringend nach einem Exemplar gesucht haben. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich mich nicht zu dieser Kurzschlusshandlung habe drängen lassen. Denn mittlerweile steht es in meiner Gunst fast auf einer Stufe mit ORLEANS.
Um was geht es? Thematisch haben wir uns weit entfernt vom Mittelalter in Mittelfrankreich. Denn nun befinden wir uns im südamerikanischen Hochland und sind ganz der "Eurogamer": Waren ernten bzw. eintauschen, Handel treiben, Häuser bauen und Aufträge erfüllen. Ja, das ist alles nicht sehr innovativ. Auch taucht man dabei nicht wirklich in eine eigene Welt ein. Allerdings ist das Thema auch nicht komplett unlogisch oder hanebüchen. Somit gibt wieder einmal das Thema einen schönen Rahmen, über das man die ein oder andere Aktion passabel erklären kann. Da habe ich schon wesentlich schlimmeres erlebt. Zumal ich ohnehin lieber einen guten Mechanismus mit schlechtem Themenbezug spiele als umgekehrt. Und: der Mechanismus ist gut!
Wie auch bei ORLEANS, werden Aktionsplättchen (="Waren") aus einem Beutel gezogen und auf den eigenen Tableaus verteilt – um dort dann Aktionen frei zu schalten. Bei ALTIPLANO wird aber alles ein wenig planbarer, da nun am Ende eines Zuges die Plättchen nicht direkt in den Beutel zurück wandern, sondern erst einmal in einer Kiste zwischen gelagert werden. Erst wenn der Beutel leer ist, wird er wieder aus der Kiste aufgefüllt. So ist sicher gestellt, dass alle erworbenen Plättchen auch ins Spiel kommen – und leider auch, dass frisch erworbene wohl eher nicht sofort zu Verfügung stehen. Aber die Glückskomponente beim Nachziehen ist somit schon wesentlich eingeschränkter.
Wie, Bag-Building ohne Glück? Nein, das kann man so natürlich nicht stehen lassen. Ich habe aber auch nur von eingeschränkter Glückskomponente gesprochen. Denn natürlich bleibt ein nicht unerhebliches Glückselement beim Ziehen aus dem Beutel vorhanden. Das ist auch gut so, entstehen doch dadurch Emotionen. Nun lässt sich aber insgesamt viel gezielter vorgehen. Denn im Gegensatz zu ORLEANS werde nun auch öfters Plättchen auf bestimmten Aktionsfeldern lediglich vorgehalten, bis man sie später wirklich nutzt. Das liegt daran, dass sich nun über einen modularen "Spielplan" bewegt wird. Dort wo die eigene Figur steht, können nun die zugeordneten Aktionen durchgeführt werden. Diese "Spielplan" besteht aus sieben einzelnen Orten, die zu Beginn zufällig angeordnet werden. Zwischen diesen Orten wird sich nun im Spielverlauf bewegt – allerdings ist nur eine Bewegung kostenlos. Somit sollte man schon effizient beim Thema Bewegung vorgehen.
An den verschiedenen Orten kann man dann die typischen Eurogame-Aktionen machen. Dabei werden auch gerne die Basis-Waren veredelt. Allerdings nur zu einem gewissen Maße, denn die einzelnen Warenplättchen sind endlich. Dies bedeutet, dass man seine Strategie flexibel gestalten muss. Auch darf man sich nicht vom Angebot blenden lassen. Ich sage Neulingen von ALTIPLANO immer: "Du brauchst nicht jede Ware!" Es gibt Partien, da habe ich keinen einzigen Fisch und dann gibt es Partien, da habe ich kein einziges Alpaka. Man muss sich also davon lösen, alle möglichen Aktionsplättchen auch unbedingt haben zu wollen.
Mit welchen Plättchen man spielt, hängt auch von der Rollenkarte ab, die man zu Anfang einer Partie erhält. Diese Rollenkarte versieht die einzelnen Mitspieler mit eigenen individuellen Aktionsmöglichkeit und dafür passende Start-Waren. Im Laufe einer Partie kann man diese zusätzlichen Aktionsmöglichkeiten aber auch noch einzeln auf dem Markt erwerben (vergleichbar mit den Ingenieuren bei RUSSIAN RAILROAD). Damit lassen sich Schwerpunkte für eine Strategie fernab der Startzuordnung setzen (bzw. die Strategie lässt sich verfeinern bzw. fortsetzen). Auch aus diesem Grund ist der Markt einer der begehrtesten Orte bei ALTIPLANO.
Einen wichtigen Punkt muss ich noch beschreiben: das Einlagern von Waren. Wie schon bei ORLEANS sollte man aufpassen, dass der eigene Beutel nicht zu voll wird. Wurden bei ORLEANS Personen auf einen segensreichen Weg geschickt, lagert man nun ohne Konkurrenz Waren in ein eigenes Lager ein. Dabei wird man mit Siegpunkten belohnt, wenn man eine Regalreihe vollständig gefüllt hat. Durch diese Einlagerung kann man sehr gut die Plättchen im eigenen Beutel steuern. Allerdings muss man auch aufpassen, dass man nicht voreilig Waren einlagert – und man später bestimmte Aktionen nicht ausführen kann, weil man eben nicht mehr über diese Waren verfügt.
Aufpassen ist ohnehin das richtige Stichwort! Denn es gilt enorm aufzupassen, dass man keine kleinen Fehler macht. Bei ALTIPLANO gibt es nämlich einige Fallstricke. Das beginnt bei vielen Regeldetails, die es zu verinnerlichen gilt (wobei die Anleitung sehr gut geschrieben und strukturiert ist). Augenscheinlicher ist aber die Fehleranfälligkeit beim Handling. So muss man z.B. gut aufpassen, welche Plättchen schon vor der Planungsphase auf dem Tableau gelegen haben – denn diese darf man nicht ohne weiteres frei verschieben. Oder man vergisst sehr gerne, die benutzen Handkarren zur Bewegung auch auf dem Tableau zu verschieben – und ist sich dann uneins, ob man sich noch bewegen darf oder nicht. Zusätzlich verleitet die Regel, dass jeder abwechselnd nur eine Aktion macht, zu Fehlern. Da stehe ich am Markt und möchte dort drei Aktionen durchführen. Die erste mache ich, die zweite auch, doch an die dritte erinnere ich mich erst, nachdem ich mich zwischenzeitlich schon fort bewegt habe. Sehr ärgerlich ist das – und meiner Meinung nach auch vermeidbar. Wir spielen teilweise entgegen der Regel so, dass man immer alle Aktionen an einem Ort durchführt, bevor die Mitspieler wieder an der Reihe sind. Dadurch verschieben sich die Timing-Fragen nur unwesentlich (nur dass nun die Reihenfolge vor Ort nicht mehr ganz entscheidend ist).
Was gibt es noch für Kritikpunkte? Manche meiner Mitspieler fehlte ein wenig die Leichtigkeit, die ORLEANS auszeichnete. Bei ALTIPLANO muss wesentlich mehr bedacht werden (Wortwitz; es steckt nicht ohne Grund ein "plano" im Spieletitel). Zusätzlich gilt es, effizient seine Bewegungen zu kalkulieren. Somit besucht man meist nur zwei-drei Orte und das Spielgeschehen kommt einem dann arg repetitiv vor. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass eine solche Spielweise durch die Begrenztheit der Waren nicht dauerhaft erfolgreich ist und man neue Orte besuchen muss. Trotzdem ist diese ständige Wiederholung nicht gänzlich abzustreiten.
Demgegenüber muss man aber entgegen stellen, dass meiner Meinung nach ALTIPLANO mehr strategische Wege zum Ziel kennt, als das bei ORLEANS der Fall ist. Bei dieser Strategie-Wahl gilt es auch immer, die anfängliche Rollenkarte in die eigenen Überlegungen miteinzubeziehen. Diese sehen unscheinbarer aus, als sie sich spielen – wobei man sich natürlich auch komplett von ihnen lösen kann, wenn man schnell Marktausbauten zur Verfügung hat.
Durch die optionalen Missionenkarten kommt zusätzlich eine weitere Ebene hinzu, die es zu beachten gilt. Denn die Missionen geben Ziele vor, die man auch erfüllen sollte. Leider tritt bei der grafischen Gestaltung der Missionskarten eine kleine grafischen Ungenauigkeit auf, weswegen es sich immer noch einmal lohnt, bei der Verteilung der Karten in die Regeln zu schauen. Ansonsten muss man aber Klemens Franz wieder für seine grafische Gestaltung gratulieren. Die Symbolsprache ist eindeutig und die Illustrationen finde ich genial – und dieses Cover erst! Allerdings hätte man die Startspielerfigur gerne ein wenig kleiner gestalten können. Diese habe ich dann doch gegen praktischeres ausgetauscht.
Zusammenfassend kann ich ALTIPLANO definitiv empfehlen. Vielleicht nicht ganz vorbehaltlos, aber wer gerne plant und optimiert, wird hier schon sein Glück finden. Dabei besitzt es durch das Ziehen aus dem Beutel auch einen signifikanten Anteil an selbigen, so dass nicht alles bis ins kleinste Detail vorplanbar ist. Ich finde das gut! Somit stellt sich bei mir nun aber die Frage: sollen wir nun ORLEANS oder ALTIPLANO spielen? Aufgrund der vergleichbaren Fülle des Spielmaterials kann mein Transport geplagter Rücken keine vernünftige Antwort geben. So entscheidet dann meist die Tagesform, was es denn werden soll. Eher ein leicht von der Hand zu spielendes ORLEANS oder doch das etwas komplexere ALTIPLANO. Da lass ich gerne meine Mitspieler entscheiden, ich spiele nämlich beides sehr gerne.
Titel | Altiplano |
Autor | Reiner Stockhausen |
Illustrationen | Klemens Franz |
Dauer | 75 bis 120 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 5 Personen |
Zielgruppe | planende Expertenspielrunden |
Verlag | dlp games |
Jahr | 2017 |
Hallo Tobias super Zusammenfassung vom Spiel Altiplano!! Eine Sache ist mir nicht so klar.
Kann man die Ausbauten jeweils nur einmal nutzen oder in jeder Runde wieder neu? Was meinst du?
Annegret
Hallo Annegret,
die Ausbauten kannst du so oft benutzen, wie du willst – bzw. kannst, schließlich benötigt man meist die entsprechenden Waren-Plättchen. Demnach sind sie auch nur einmal pro Runde aktivierbar, da die Plättchen in der Planungsphase darauf gelegt werden müssen. Die Ausbauten werden nur dann nutzlos, wenn es bspw. keine Plättchen mehr gibt, die man durch die Ausbauten erhält.
Liebe Grüße,
Tobias