Die Burgen von Burgund von Stefan Feld – erschienen bei alea (Ravensburger)
Wie? Was soll das? Die SPIEL ist zu Ende, jeder redet nur noch über Neuheiten und ich schreibe etwas über ein Spiel, das im Jahr 2011 erschienen ist. Habe ich nichts Neueres auf Halde? Ja, habe ich. Allerdings wollen die Neuheiten erst einmal gespielt werden und außerdem ist die Güte eines Spieles nicht unbedingt abhängig vom Alter. Insbesondere dann nicht, wenn es sich um ein sehr gutes Spiel handelt – ein Spiel wie DIE BURGEN VON BURGUND! Schon bei meiner Top-Liste zu Spielen von Stefan Feld nahm es den ersten Platz ein. Völlig zurecht natürlich! 🙂
Um was geht es? Okay, dass ist ein Schwachpunkt. Denn wenn DIE BURGEN VON BURGUND eines nicht haben, dann ein griffiges Thema. Offiziell irgendwas mit einem Fürstentum im Burgund, was aufgebaut werden soll. Aber das Spiel könnte auch mit einem ganz anderen Ort und einem ganz anderen Thema verhaftet sein. DIE BURGEN VON BURGUND ist Mechanik pur – die ist aber vom Allerfeinsten!
Denn das ganze Spiel wird von zwei Würfeln getrieben. Diese würfelt man am Anfang der Runde und dann beginnen die Möglichkeiten:
- aus eine zentralen Auslage können Plättchen in den eigenen Vorrat gelegt werden
- aus diesem eigenen Vorrat können Plättchen auf das eigene Tableau gelegt werden
- es können Waren verkauft werden
Der Clou daran ist, all diese Aktionen sind von den gewürfelten Augen abhängig. Kann man partout nichts vernünftiges mit seinen Würfeln anfangen, dann besteht die Möglichkeit, einen Würfel gegen "Arbeiter-Plättchen" einzutauschen. Die wiederum sorgen dafür, dass man die Würfel manipulieren kann. Somit ist also trotz der Glückskomponente Würfel ein strategisches Spiel möglich.
Allerdings sind auch viele taktische Entscheidungen zu treffen. Da alle Spieler sich aus der gemeinsamen Auslage bedienen, ist das Angebot dort sehr begrenzt. Manchmal ergibt es Sinn, sich ein Plättchen in den Vorrat zu nehmen, was vielleicht noch nicht dringend kurzfristig benötigt, langfristig aber gebraucht wird – oder auch um den Mitspieler zu ärgern. Die Plättchen unterscheiden sich wiederum in ihren vielfältigen Möglichkeiten. Die von Harald Lieske sehr schön und funktional gestalteten Spielertableaus geben aber einen guten Überblick.
Das klingt aber ziemlich trocken! Zugegeben, man muss schon ein Liebhaber von Spielmechaniken sein. In meinen Augen ist aber eine Partie DIE BURGEN VON BURGUND spannend. Man kann nie genau vorhersagen, welche Plättchen wann in die Auslage gelangen – von der Vorhersage der eigenen Würfelwürfe ganz zu schweigen. Zudem lässt sich eine Partie sehr unterschiedlich angehen. Große abgeschlossene Flächen bringen bei Erfolgsfall viele Punkte. Allerdings wird der Abschluss einer Fläche mit Bonuspunkten belohnt. Die sind höher, je früher man eine Fläche abschließt. So kann man also mit vielen kleinen – schnell abgeschlossenen – Flächen ebenfalls hoch punkten.
Ohnehin darf man sich nicht von aktuellen Punkteständen blenden lassen. Manche Strategien zünden erst spät den Turbo. Da kann ein Mitspieler lange Zeit mit großem Vorsprung die Punktleiste angeführt haben und wird am Ende doch noch eingeholt. So zieht die Spannungskurve kontinuierlich an und findet in den letzten Aktionen ihren Höhepunkt.
Schön finde ich dabei, dass eine Partie über eine feste Anzahl an Runden verläuft. Die meisten aktuellen Spiele geben ein Ziel vor, welches das Spielende auslöst. Damit ist die Anzahl der eigenen Züge von der Spielweise der Mitspieler abhängig. Bei DIE BURGEN VON BURGUND ist das dahingegen streng vorgegeben. Nach 5×5 Runden ist die Partie zu ende. Darauf muss man sich einstellen, dadurch entsteht auch die Spannung. Dementsprechend konzentriert sollte man zu Werke gehen und sich nicht all zu sehr von vermeintlich günstigen Gelegenheiten ablenken lassen. Das gelingt mir nicht immer (ich bin eben mehr ein Bauchspieler).
Allerdings fordert diese Konzentration manchen Mitspieler auch dazu heraus, die eigenen Möglichkeiten genauestens abzuwägen. Mit solchen Mitspielern kann sich eine 4‑Personen-Partie ziemlich in die Länge ziehen – wie allerdings bei vielen anderen Spielen auch. Aufgrund der nach Spieleranzahl variablen Auslage ist das Spiel aber sehr gut in jeder Besetzung spielbar. Je weniger mitspielen, desto spannender ist auch die Frage, welche Plättchen überhaupt ins Spiel kommen.
Was gibt es für Kritikpunkte? Das aufgesetzte Thema habe ich schon angesprochen. In der ersten Auflage gab es auch noch das Problem, dass sich zwei Plättchenfarben zu wenig voneinander unterscheiden ließen. Das ist in den neuen Auflagen zwar besser gelöst, aber hier wäre eine eindeutigere Kontrastfarbe immer noch förderlich. Über das Material gibt es zwiegespaltene Meinungen. Manchen gefallen die dünnen Tableaus und Pappmarker nicht – ich habe damit kein Problem. Denn das Material ist in der bestehenden Ausführung praktisch und hochwertig produziert. Da gibt es auch nach vielen Partien keine Abnutzungserscheinungen. Ein wenig lästig kann der lange Aufbauaufwand sein. Aber dieser lässt sich mit entsprechenden Hilfsmitteln (ich benutze eigens bedruckte Beutel von ArtsCow) sehr gut minimieren.
Ein großer Pluspunkt für mich ist die hohe Varianz! Es bestehen unterschiedliche Spielertableaus, die auch verschiedene Strategien notwendig machen. Die Auslage wird zum Teil zufällig bestimmt und außerdem sind natürlich auch noch die Würfel mit von der Partie. Somit ist jede Partie ein neue Herausforderung. Mal verliert man mit über 200 Punkten, mal kann man knapp mit unter 150 Punkten gewinnen.
Durch viele kleine Stellschrauben sind DIE BURGEN VON BURGUND ein spannendes Spiel. Dabei ist es aber nicht kompliziert oder schwer zugänglich. Ganz im Gegenteil. Man würfelt zwei Würfel und ordnet diesen jeweils eine Aktion zu – schon ist der nächste Spieler an der Reihe. Durch die gemeinsame Auslage, aber auch durch Belohnungen, als erster eine Gebietsart zu vollenden, ist das Spiel kein solitäres vor sich hin Puzzeln! Nur wer seine Mitspieler im Auge behält und deren Ziele richtig einschätzt, kann gut eigene Prioritäten setzen. Für mich sind die DIE BURGEN VON BURGUND ein Musterbeispiel eines sogenannten Euro-Spiels. Schnelle Züge und viel Spieltiefe bei einer überschaubaren Spielzeit. Dazu ein attraktiver Würfelmechanismus, der verhindert, dass ein Spiel von vorne bis hinten durchzurechnen ist. Hätte es 2011 schon den Titel Kennerspiel des Jahres gegeben, DIE BURGEN VON BURGUND hätten ihn meiner Meinung nach verdient! [hier hat sich natürlich ein Fehler eingeschlichen. Wie mir von zwei lieben Lesern mitgeteilt wurde, wurde 2011 das erste Kennerspiel verliehen und der – ich muss es leider zugeben – durchaus verdiente Sieger hieß 7 WONDERS. Hier bin ich im Eifer des Gefechts über das Ziel hinaus geschossen. Sorry für den Fehler!]
Titel | Die Burgen von Burgund |
Autor | Stefan Feld |
Illustrationen | Harald Lieske |
Dauer | 45 bis 90 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | Kennerspieler mit Würfelvorliebe |
Verlag | alea (Ravensburger) |
Jahr | 2011 |
2011 gab es bereits den Kennerspiel-Preis, und der ging an 7 Wonders...
Schon 2011 gab es die Auszeichnung "Kennerspiel des Jahres" – mit dem Sieger 7 Wonders.
Da habt ihr beide natürlich vollkommen recht! Wie konnte ich 7 WONDERS nur vergessen. Okay, das ist auch gut! Aber BuBu ist dann zumindest mein Kennerspiel des Herzens!
Das nächste Mal lasse ich mich aber nicht vom Überschwang leiten und haue weniger provokativen Thesen raus (bzw. informiere mich sorgfältiger) – versprochen!