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Istanbul von Rüdiger Dorn erschienen bei Pegasus Spiele

Istanbul - Box
Foto: Pega­sus

Da ich in der nächs­ten Zeit immer mal wie­der auf ISTANBUL ver­wei­sen will, möch­te ich die­sem tol­len Spiel etwas mehr Raum geben als eine blo­ße Erwäh­nung. Zumal ISTANBUL bei uns im Spie­le­kreis und auch zuhau­se immer wie­der ger­ne auf den Tisch gebracht wird. Es ist wohl neben 7 WONDERS das am häu­figs­ten gespiel­te "Ken­ner­spiel des Jah­res" (wobei dabei die EXIT-Spie­le kein Grad­mes­ser sind 😉 ). Grund dafür ist auch, dass man es in jeder Beset­zung (2 bis 5 Spie­ler) gut spie­len kann.

Um was geht es? Als Kauf­män­ner besu­chen wir das gro­ße Basar­vier­tel von Istan­bul. Weil man allei­ne hilf­los ver­lo­ren wäre im gan­zen Tru­bel, hat jeder Kauf­mann sei­ne Gehil­fen dabei, die dann die eigent­li­chen Aktio­nen vor Ort durch­füh­ren. Ziel des Gan­zen ist es, schnell sei­nen Reich­tum durch eine bestimm­te Men­ge an Rubi­nen zur Schau zu stel­len. ISTANBUL ist somit eine Art Renn­spiel und hebt sich dadurch wohl­tu­end gegen vie­le Spie­le mit ihrem Sieg­punkt­brei ab.

Istanbul - Auslage
16 Orte kön­nen auf dem Basar besucht werden

Aller­dings ist ein hohes Maß an vor­aus­schau­en­der Pla­nung not­wen­dig, um bei die­sem Wett­ren­nen um die Rubi­ne erfolg­reich zu sein. Denn die Zug­wei­te ist beschränkt. Man kann mit sei­nem Kauf­mann und sei­nem Gefol­ge immer nur maxi­mal zwei Orte weit lau­fen. An die­sem Ort ange­kom­men, ver­lässt ein Gehil­fe das Gefol­ge (man legt von einem Schei­ben­turm eine Schei­be am Ort ab) und ver­rich­tet dort die Akti­on. Im wei­te­ren Ver­lauf kann man die­se Gehil­fen wie­der ein­sam­meln, wodurch die Akti­on wie­der aus­ge­führt wird. Man soll­te sich also schon Gedan­ken über die geplan­ten Lauf­we­ge machen und die Aus­la­ge der Orte ent­spre­chend "lesen".

Istanbul - Detail
Schein­selbst­stän­dig­keit? – ohne Gehil­fen wird nicht gearbeitet

Die Aktio­nen an den Orten sind schnell abge­han­delt und meist sehr ein­fach zu ver­ste­hen. Bei man­chen Orten kann man sei­nen Hand­kar­ren mit Waren auf­fül­len, den man an einem ande­ren Ort auch aus­bau­en kann. Wie­der­um an ande­ren Orten ver­kauft man sei­ne Waren oder erhält Moschee-Plätt­chen, die einem dau­er­haft Vor­tei­le brin­gen. Wich­tig sind die Orte, an denen man Waren oder Geld gegen Rubi­ne ein­tauscht. Außer­dem gibt es noch zwei Zocker-Orte, an denen man mit Wür­fel­wür­fen ver­sucht an Geld oder Waren zu kom­men. Die Wür­fel haben auch noch die Funk­ti­on, den jewei­li­gen Stand­ort von zwei Hilfs­fi­gu­ren (Gou­ver­neur und Schmugg­ler) fest­zu­le­gen. Über die­se erhält man Bonus­kar­ten bzw. Waren, wenn man sich mit ihnen einen Ort teilt.

Istanbul - Bonuskarten
Bonus­kar­ten sind mehr als ein klei­ner(!) Bonus

Wird das auf Dau­er nicht lang­wei­lig? Nö! Denn jede Par­tie ist durch die unter­schied­li­che Aus­la­ge der Orte anders. Außer­dem gibt es eben auch Zufalls-Ele­men­te, die jede Par­tie etwas anders ver­lau­fen las­sen. Einer­seits durch die Wür­fel­ak­tio­nen, ande­rer­seits aber auch durch die zur Ver­fü­gung ste­hen­den Bonus­kar­ten. Die­se kön­nen mal bes­ser und mal schlech­ter zur gewähl­ten Stra­te­gie pas­sen – oder noch bes­ser: man passt sei­ne Stra­te­gie an die­se Bonus­kar­ten an. Ohne­hin soll­te die Stra­te­gie nicht zu sehr in Stein gemei­ßelt sein, denn die Mit­spie­ler sind eben­falls nicht zu ver­nach­läs­si­gen. So muss man die­sen Geld bezah­len, wenn man sei­nen Kauf­mann an einen Ort schickt, auf dem schon ein ande­rer steht – und manch­mal feh­len einem dann genau die­se zwei Mün­zen für die Akti­on. Außer­dem besitzt ISTANBUL eine schö­ne Dyna­mik, da alles teu­rer wird. Wenn also ein Mit­spie­ler vor mir Geld gegen einen Rubin getauscht hat, dann muss ich danach einen etwas höhe­ren Preis für die­se Akti­on zahlen.

So zieht die Span­nungs­kur­ve kon­ti­nu­ier­lich an und es kommt meist zu einem knap­pen Wett­ren­nen um die zur Ver­fü­gung ste­hen­den Rubi­ne. Da kön­nen dann schon Klei­nig­kei­ten ent­schei­den (die pas­sen­de Bonus­kar­te oder ein glück­li­cher Wür­fel­wurf). Das fin­de ich aber in Anbe­tracht der kur­zen Spiel­zeit von etwa 45 Minu­ten als akzeptabel.

Istanbul - Handkarren
Hand­kar­ren als Kommandozentrale
Istanbul - Edelsteine
Kapi­ta­lis­mus im Ori­ent: Objek­te der Begier­de sind Rubi­ne und Geld

Was gibt es für Kri­tik­punk­te? Das The­ma wirkt total auf­ge­setzt. Man fühlt sich eigent­lich zu kei­ner Zeit auf einem Basar. Wahr­schein­lich ist das Spiel über den Mecha­nis­mus ent­wi­ckelt wur­de und dann wur­de noch Hän­de rin­gend ein The­ma gesucht. Das ist jetzt nicht wirk­lich schlimm, da sich das The­ma auch nicht beißt – aber man­chen ist es eben ein­fach zu tro­cken. Für mich als beken­nen­der "Wür­fel­schub­ser"  sehe ich das nicht als Pro­blem an – ich erfreue mich am guten Mechanismus.

In man­chen Details ist mir die Regel zu klein­tei­lig. Das muss wahr­schein­lich aus Balan­ce-Grün­den so sein, macht das Spie­len aber für Anfän­ger schwer bzw. für Feh­ler emp­fäng­lich. Bspw. muss man eigent­lich immer zwei Mün­zen beim Tref­fen mit ande­ren Kauf­leu­ten oder bei Nut­zung des Gou­ver­neurs bzw. Schmugg­lers zah­len. Man bekommt aber drei Mün­zen, wenn man ein Fami­li­en­mit­glied wie­der zurück zur Poli­zei­wa­che schickt. Auch die Rege­lung bei den Moschee-Plätt­chen ver­lei­tet zum falsch spie­len (man muss eine Min­dest­men­ge an bestimm­ten Waren besit­zen, gibt aber immer nur eine ab). Die­sem "Kri­tik­pünkt­chen" muss man aber ent­ge­gen hal­ten, dass sowohl die Sym­bol­spra­che wie auch die Über­sich­ten sehr ein­deu­tig sind und eine gelun­ge­ne Hil­fe dar­stel­len. Außer­dem wir­ken sich klei­ner Spiel­feh­ler nicht ent­schei­dend auf das Spiel­ge­fühl aus.

Manch­mal kommt auch Kri­tik auf, dass der letz­te Spie­ler benach­tei­ligt ist, weil ja alle guten anlie­gen­den Orte von den Mit­spie­lern schon belegt wären. Das sehe ich nicht so. Eine Par­tie ISTANBUL wird nicht über den ers­ten Zug ent­schie­den. Außer­dem sind die Orte auch wei­ter­hin nutz­bar, so dass man auch im Zwei­fels­falls nach­zie­hen kann. Wie immer bei sol­chen Spie­len gilt: wenn ich als nach­fol­gen­der Spie­ler ledig­lich Züge kopie­re, dann wer­de ich sel­ten erfolg­reich sein. Also lie­ber mal eine Lücke suchen und etwas gegen den Trend spielen.

Istanbul - Detail II
nicht zu ver­ges­sen sind die schö­nen Illus­tra­tio­nen von Andre­as Resch

Mir gefällt ISTANBUL aus­ge­spro­chen gut – wes­we­gen ich es auch aus­drück­lich emp­feh­le. Es ist ein anspruchs­vol­les aber nicht zu kom­ple­xes Spiel, was vor allem durch die kur­ze Spiel­zeit auf­fällt. Es ist kom­pakt und ver­dich­tet wun­der­bar das Spiel­ge­fühl. Das Spiel­ziel ist klar ersicht­lich, aber es gibt meh­re­re gleich­wer­ti­ge Wege dort­hin. Im Spiel hat man immer klei­ne Ent­schei­dun­gen zu tref­fen und dabei muss man sich auch auf neue Gege­ben­hei­ten ein­stel­len kön­nen. Die gute redak­tio­nel­le Arbeit, das anspre­chen­de Mate­ri­al und die schö­ne Gra­fik von Andre­as Resch run­den den Gesamt­ein­druck ab und machen aus ISTANBUL ein tol­les Spiel­erleb­nis. In mei­nen Augen ist ISTANBUL schon ein moder­ner Klas­si­ker und ich behaup­te mal, dass es auch in wei­te­rer Zukunft immer noch auf den Spiel­ti­schen zu fin­den sein wird.

TitelIstan­bul
AutorRüdi­ger Dorn
Illus­tra­tio­nenAndre­as Resch
Dau­er40 bis 60 Minuten
Spie­ler­an­zahl2 bis 5 Spieler
Ziel­grup­peKen­ner­spiel
Ver­lagPega­sus Spiele
Jahr2014

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