Terraforming Mars von Jacob Fryxelius erschienen im Schwerkraft-Verlag
Jede SPIEL in Essen hat so ihr "Hype-Spiel". Ich kann mich noch an meterlange Schlangen in den alten Hallen vor dem Lookout-Stand erinnern, wenn Uwe Rosenberg wieder ein neues Spiel veröffentlicht hat. Diese Jahr war die gefühlt längste Schlange vor dem Stand des Schwerkraft Verlages. Ziel der Begierde war eines der täglichen 50 Exemplare, die unter das Spielervolk gebracht wurden. Jerry hat bei seinen Mittwochsspielen davon ein schönes Video veröffentlicht. Und wie das bei Hypes so ist: man will wissen, was dahinter steckt!
Thema... ist auch so ein aktueller Hype: der rote Planet steht im Mittelpunkt unseres Tuns. Hier verkörpern die Spieler einen Konzern, der daran beteiligt ist, den Mars bewohnbar zu machen. Dafür werden verschiedene Projekte gestartet, die die Temperatur oder den Sauerstoffgehalt erhöhen bzw. Ozeane mit ausreichend Frischwasser entstehen lassen.
Grafik... ist von Daniel Fryxelius und Isaac Fryxelius. Die doch für uns eher außergewöhnlichen Namen lassen eine Verwandtschaft mit dem Autor vermuten! 😉 Leider merkt man der Grafik an, dass hier zwei Personen am Werk waren: für mich ist sie nicht durchgehend einheitlich. Insbesondere bei den Kartenillustrationen wird das deutlich. Ist der Großteil schön durch typische Sciencefiction-Grafiken geschmückt, binden andere Karten reale Fotos ein. Vielleicht ist diese Uneinheitlichkeit aber auch Zeit- oder Budget-Problemen in der Entwicklung geschuldet. Jedenfalls beißt sich das in meinen Augen und ist unschön. Der Spielplan dahingegen gefällt mir gut und ist auch mit einigen wissenschaftlichen Details geschmückt. Und das Cover finde ich schlicht grandios!
Ausstattung... wie es sich für ein Siedel-Spiel gehört, sind die Marsplättchen sechseckig! 🙂 Viel eher ins Auge fallen aber die Ressourcenmarker die uns in Gold, Silber und Bronze entgegenblinken. In die Hand genommen merkt man aber schnell, dass sie lediglich aus Plastik bestehen. Und schaut man sich dann die Ecken der Marker an, dann kann man leider das Plastikmaterial auch sehen, denn an den Kanten neigt die glitzernde Oberfläche dazu, abzusplittern. Von Weitem sehen die Dinger aber toll aus! Klasse finde ich auch die Spielermarker aus durchsichtigem Plastik, wodurch ich die Werte auf den Leisten meines Spielertableaus erkennen kann. Leider neigen diese Steinchen auf dem glatten Tableau dazu zu verrutschen. Aus diesem Grund haben Drittanbieter schon Inlays aus Acryl im Angebot, die dies verhindern sollen. Allerdings muss man diese wieder an das Tableau befestigen, denn ansonsten neigen die Inlays dazu, auf dem Tableau zu verrutschen. Ich empfehle da transparente Fotoecken. Beim Material bin ich jedenfalls etwas zwiegespalten. Einerseits finde ich das "Bling-Bling" toll, da es einen hohen Aufforderungscharakter besitzt; andererseits hat es etwas Schwächen in der praktischen Umsetzung.
Ablauf... ist einfacher, als man anfangs erwartet. Im Grunde erwirbt man in dem Spiel Karten und versucht diese dann im weiteren Verlauf auszuspielen. Dabei stellt sich natürlich immer die Frage: schaffe ich das noch bis zum Spielende? Und wie kann ich diese Karten optimal kombinieren, so dass ein "Motor" entsteht? Dabei geht dann etwas die Übersicht flöten. Anfangs, mit wenigen Karten, ist dass alles kein Problem. Aber je länger das Spiel dauert, desto mehr werden auch die ausgespielten Karten. Meine eigenen ausgespielten Karten bekomme ich ja noch ganz gut auf die Reihe, aber alle Effekte der Mitspieler kann ich kaum im Auge behalten (diese Problematik erinnerte mich bspw. an MACAO). Auch sollte man wissen, dass einige Karten Mitspieler schaden können. Diese verlieren dann Ressourcen oder bspw. Tiere. Allerdings sind diese Effekte in meinen Augen nicht zu stark und sollen eher dazu führen, dass nicht maßlos eine Ressource gehortet wird (weil man eben angreifbar ist). Spieler, die so etwas nicht abkönnen, sollten dann aber die Finger von dem Spiel lassen (oder man sortiert die Karten im Vorfeld aus – wobei ich noch nicht abschätzen kann, inwieweit dadurch die Balance gestört wird).
Zusätzlich gibt es eine Vielzahl von kleinen Regelkniffen, die dem Spiel das gewisse Etwas bringen. Bspw. sind manche Karten nur dann auszuspielen, wenn der Mars eine bestimmte Temperatur oder Sauerstoffgehalt besitzt. Am Ende wurde es dann etwas zäh, da jeder Spieler natürlich versuchte, irgendwie noch den letzten Siegpunkt zu erzeugen. Und aufgrund der vielen ausgespielten Karten gibt es dazu mehrere Wege. Schön finde ich allerdings, dass das Spielende aktiv von den Spielern bestimmt wird. Erkennt man, dass ein Spieler eher auf ein langes Spiel hinaus will, dann sollte man ihm tunlichst nicht den Gefallen machen und lieber auf die Tube drücken.
Auch ist zu erwähnen, dass für erfahrene Spieler unterschiedliche Startvoraussetzungen geschaffen werden. Man hat dann die Wahl, unterschiedliche Konzerne zu spielen, die die gewählte Strategie durchaus beeinflussen – wobei man immer noch abhängig von den Karten ist.
Die Chance auf einen Zweiteindruck... ist sehr hoch! TERRAFORMING MARS übt eine seltene Faszination aus. Das Thema ist sehr überzeugend umgesetzt und lässt einen gut in diese Welt eintauchen. Die Möglichkeiten im Spiel sind sehr vielfältig – und immer wird man getrieben von den Karten, die einem zugeordnet werden. Das schmeckt nicht jedem Spieler, da hier immer eine gewisse Unwägbarkeit im Spiel ist. Einige Spielrunden spielen deswegen mit Drafting. Ich selbst finde es ganz stimmig, dass man ersteinmal ins Blaue spielt (denn ein solches Generationen übergreifende Projekt kann nicht ohne Rückschläge und Strategieänderungen vonstatten gehen) – aber ich bin auch kein Hardcore-Optimierer und spiele lieber thematisch als auf Teufel komm raus erfolgsorientiert. Ich habe kein Problem nach guten 150 Minuten Spielzeit zu merken, dass ich mit einer anderen Kartenhand vielleicht noch mehr Siegpunkte gewonnen hätte. Denn in dieser Zeit habe ich mich wunderbar unterhalten gefühlt. Ich habe Entscheidungen getroffen und den ein oder anderen Schicksalsschlag gemeistert.
Insgesamt hat man das Gefühl, dass der Autor hier eine Leidenschaft in ein Spiel umgesetzt hat. Eine erfahrene Redaktion hätte dabei vielleicht noch die ein oder andere Kante entfernt. Aber so ist ein Spiel mit Charakter entstanden. Nicht immer läuft es wie gewollt – aber wer glaubt denn wirklich, dass eine Marsbesiedelung ohne Probleme möglich ist?
Titel | Terraforming Mars |
Autor | Jacob Fryxelius |
Illustrationen | Daniel Fryxelius und Isaac Fryxelius |
Dauer | 120 bis 150 Minuten |
Spieleranzahl | 1 bis 5 Spieler |
Zielgruppe | Kennerspiel |
Verlag | Schwerkraft-Verlag |
Jahr | 2016 |
Wichtiger Hinweis: Dies ist ein Ersteindruck nach wenigen gespielten Partien! Sehr subjektiv und durchaus auch abhängig von Tageslaune, Mitspielern und sonstigen Einflüssen. Bei grundsätzlichem Interesse empfehle das Lesen "richtiger" Rezensionen oder noch besser: ausprobieren!
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