Weimar: Der Kampf um die Demokratie von Matthias Cramer – erschienen bei Spielworxx und Skellig Games
Gerne möchte ich mir einreden, dass sich Geschichte nicht wiederholt. Klar ist, dass eine eins zu eins Wiederholung wohl ausgeschlossen werden kann, da insgesamt zu viele unterschiedliche Parameter wirken. Aber Tendenzen scheinen sich doch zu wiederholen – und das macht mir aktuell ein klein wenig Angst. Durch meine Erstpartie WEIMAR ist diese leider nicht kleiner geworden...
Thema... von 1918 bis 1933 bestand die Weimarer Republik. In dieser Zeit mussten erst die unmittelbaren Kriegsfolgen abgefedert werden, um dann in eine Phase der relativen Stabilität zu gelangen – bis dann die Weltwirtschaftskrise die innerdeutschen Konflikte wieder so richtig auflodern ließen. Das alles können wir in WEIMAR nacherleben. Wir spielen eine der vier bedeutendsten politischen Parteien jener Zeit ( SPD, Zentrum, KPD und DNVP), deren Spektrum von links bis rechts reicht. Dabei verfolgt jede Partei eigene Ziele. Manche wollen die Demokratie verteidigen, andere streben dahingegen eine gesellschaftliche Umwälzung in Form eines Putsches an. Dementsprechend verwenden die Parteien unterschiedliche Mittel, um die eigenen Ziele zu erreichen.
Illustrationen... sind von Christian Opperer und eher unauffälliger Natur. Vielmehr im Gedächtnis bleiben stattdessen die vielen alten Fotografien auf den über 150 Karten. Die Symbolsprache von WEIMAR ist dabei alles andere als trivial. Es dauerte somit etwas, bis sich diese halbwegs in unseren Köpfen verankert hatte.
Ausstattung... klotzt statt kleckert. Denn fast alle der verschiedenen Marker kommen nicht etwas als Papp-Plättchen daher, sondern sind aus griffigem Holz. Auch die einzelnen Spiel-Figuren sind aus dem gleichen Material. Damit diese Holzkomponenten ihren Platz finden können, sind das Spielbrett sowie die einzelnen Tableaus großzügig bemessen – und auch doppellagig produziert, so dass keine Marker verrutschen können.
Das Herz des Spiel bilden aber die Karten, die in unterschiedliche Kategorien eingeteilt sind. So stehen bspw. die Parteikarten exklusiv den jeweiligen Parteien zur Verfügung, während die Republikkarten von allen gespielt werden können. Diese sind stattdessen den drei Zeitepisoden zugeordnet, so dass manche Ereignisse nur am Anfang der Republik und manche nur in den Endjahren eintreten können. Ähnlich sind auch die Außenpolitikkarten geordnet, so dass in diesem Teilaspekt der korrekte Ablauf der Geschichte eingehalten werden kann.
Ablauf... eine Partie WEIMAR geht maximal über sechs Runden, nach deren Ende ganz profan Siegpunkt verglichen werden. Durch besondere Bedingungen kann das Spiel aber auch schon vorher enden. Mit Siegen für die KPD oder die DNVP, wenn diese erfolgreich einen Umsturz der Republik forcieren. Die Republik kann aber auch in Anarchie versinken, so dass vorzeitig die Siegpunkte verglichen werden. Zu guter Letzt verlieren wir alle, wenn die NSDAP frühzeitig die Macht ergreift.
In jeder Runde erhalten wir anfangs Republik- und Parteikarten, die wir dann in der Hauptphase einer Runde nach und nach ausspielen. Dabei sind die Karten für mehrere Aktionsmöglichkeiten zu nutzen. So kann ich bspw. das Stimmungsbild zu bestimmten Themen beeinflussen, neue Parteimitglieder anwerben oder den Mob auf der Straße zum Kämpfen animieren. Am Ende der Runden werten wir die debattierten Meinungen aus und überprüfen über verschiedene Eigenschaften den aktuellen Status der Republik, was auch bedeutet, dass nun die Parteien mit Siegpunkten bedacht werden. Zusätzlich wird am Ende noch das Parlament angepasst und auf Basis der dortigen Sitzverhältnisse eine Regierung gebildet. Dabei bestehen aber historische Grenzen und so kann bspw. die KPD nur mit der SPD koalieren.
Die Chance auf einen Zweiteindruck... ist an für sich sehr hoch – wenn WEIMAR nicht das Problem hätte, welches ich schon bei DIPLOMACY habe: ich benötige für das Spiel die passende Gruppe. Und die ist gar nicht so einfach zu finden. Der Vorteil von WEIMAR ist allerdings, dass "nur" vier Personen benötigt werden. Das allerdings auch punktgenau, weil das Spiel nicht auf eine unterschiedliche Personenanzahl anzupassen ist. Das größere Problem ist, dass diese vier Personen dann eine Menge Zeit mitbringen müssen. Mir fehlen da langfristige Erfahrungswerte, aber grob geschätzt kann man sicherlich von einer Spielzeit von 45 Minuten pro Runde rechnen. Je nachdem, wie viele Runden gespielt werden, kann das Spiel also schon auch mal 5 Stunden oder mehr dauern – zumal anfangs auch noch eine Stunde für die Regelerklärung eingeplant werden sollte. WEIMAR ist also definitiv kein Spiel, dass man mal so zwischendurch spielt.
Jetzt aber bitte nicht von diesen Rahmenbedingungen abschrecken lassen! Denn wenn wir uns von diesen nicht entmutigen lassen, werden wir von WEIMAR mit einem großartigen Spielgefühl belohnt – was allerdings auch ziemlich beklemmend sein kann. Denn schnell wird deutlich, wie sehr wir manchmal Spielball äußerer Einflüsse sind. Bei WEIMAR wird dieses Schicksalselement über die Republik-Karten gesteuert. Auf diesen sind Ereignisse aufgeführt, die wir ausführen müssen. Durch die gegebene Zuordnung zu den einzelnen Zeit-Phasen ist dabei sichergestellt, dass die chronologische Abfolge grob stimmt. Allerdings ist nicht sicher, ob diese oder jene Karte überhaupt ins Spiel kommt. WEIMAR folgt somit nicht einem Drehbuch, sondern es spielt mit möglichen Ereignissen, auf die man sich einstellen muss. Aufgrund der Tatsache, dass ich aber immer mehr eigene Partei-Karten als Republik-Karten auf der Hand habe, fühle ich mich trotz der Ausspielpflicht immer handlungsfähig. Die Herausforderung besteht somit darin, den richtigen Zeitpunkt für eine Karte zu erkennen. Denn auch wenn ein bestimmter Karteneffekt mir vielleicht schaden sollte, kann ich durch eine geschickte Zeitplanung diesen Schaden zumindest ansatzweise abpuffern.
Durch die verschiedenen Parteien und deren Ziele ergeben sich automatisch Spannungsfelder. Mal unterstütze ich ein Vorhaben, mal versuche ich dagegen vorzugehen. Auch dabei bewegen wir uns innerhalb vorgegebener Leitlinien. Die KPD würde niemals mit der DNVP koalieren. Aber wenn diese dafür sorgt, dass Regierungseinheiten von München nach Leipzig verlegt werden, dann werde ich als KPD vielleicht nichts dagegen unternehmen – kann ich doch somit leichter eine Räterepublik in München einrichten. Wenn das noch mit ein wenig Rollenspiel unterstützt wird, in dem lautstark die Aktionen der Mitspielenden kommentiert wird, dann ist man erstaunlich schnell im Thema gefangen.
Dabei können wir schnell lernen, wie undankbar Regierungsarbeit ist. Denn auf einmal sollen wir unsere wertvollen Aktionen auch noch auf für Außenpolitik nutzen. Parteien, die auf einen gesellschaftlichen Zusammenhalt pfeifen und nicht an staatstragender Arbeit interessiert sind, können in der Zwischenzeit die Massen auf der Straße organisieren. So habe ich das jedenfalls als DNVP gemacht. In der ersten Runde habe ich mich noch schön im Hintergrund gehalten und zugeschaut, wie die KPD ziemlich vorgeprescht ist. Das hat einerseits Abwehrreaktionen von den Regierungsparteien nach sich gezogen, allerdings auch viele Stimmengewinne für die KPD. Diese ist dann in der Folgezeit Teil der Regierung gewesen und hat in dieser die Arbeit an der eigenen Basis vernachlässigen müssen. Ich habe in der Zwischenzeit meine Arbeit im Parlament größtenteils eingestellt und mir lieber politische Mehrheiten in zusammenhängenden Städten gesichert. Diese Massen habe ich dann in einer konzentrierten Aktion dazu genutzt, die siegbringenden Regimes zu bilden. Dabei hatte ich das Glück, dass die anderen Parteien die von mir ausgehende Bedrohung aufgrund der anderen Krisenherde nicht so richtig wahrgenommen haben. Als dann die Gefahr deutlich wurde, hatte ich zusätzlich auch noch Würfelglück. Denn bei aller strategischer Tiefe von WEIMAR, ein glückliches Händchen beim Würfeln ist schon förderlich. Dieses Element empfinde ich durchaus als erfrischend, weil es nun einmal auch Zufälle sind, die das Leben bestimmen. Ohne einen entsprechenden Zufallsgenerator wäre mir das Spielgefühl wahrscheinlich zu verkopft. Die Würfel bringen zusätzliche Emotionen ins Spiel und sorgen auch dafür, dass sich nicht alles genau durchrechnen lässt. Ein strategisches Schwergewicht ist Weimar aber weiterhin.
Leider fehlen mir Einblicke in das Genre der Card-Driven-Games ("kartengetriebene Konfliktsimulationen"). Mir ist grob bewusst, für was diese Art von Spielen steht: Zwiespalt der Entscheidung bei jeder Karte zwischen einem besonderen Ereignis und einer allgemeinen Aktion, meist asymmetrische Bedingungen der einzelnen Teilnehmenden, eindeutiger geschichtlicher Kontext mit Auswirkungen auf die Mechanik usw. Aber mit fehlen dabei konkrete Erfahrungswerte. WEIMAR hat es aber geschafft, dass ich diesbezüglich neugierig geworden bin. Wobei ich auch zugeben muss, dass mich die Besonderheit des Themas überhaupt erst dazu gebracht hat, mich mit einer solchen Art von Spiel zu befassen. Denn vor allem durch die aktuellen Bezüge und ein etwas mehr als rudimentäres Geschichtsverständnis konnte ich voll und ganz in das Thema eintauchen. Dabei hat mir mein relativ leichter Spielsieg gezeigt, wie wachsam wir als Gesellschaft sein müssen. Auf alle Fälle hat mich das Spielerlebnis über mehrere Tage nicht los gelassen und ich habe mir einzelne Situationen immer wieder vor Augen geführt. Das kann ich nicht von vielen anderen aktuellen Spielen behaupten. Auch aus diesem Grund bin ich sehr an einen Zweit- und Dritteindruck von WEIMAR interessiert.
Titel | Weimar: Der Kampf um die Demokratie |
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Autor | Matthias Cramer |
Illustrationen | Christian Opperer |
Dauer | 180 bis 360 Minuten |
Personenanzahl | genau 4 Personen |
Zielgruppe | geschichtsinteressierte Expertenspielrunden |
Verlag | Spielworxx und Skellig Games |
Jahr | 2023 |
Wichtiger Hinweis: Dies ist ein Ersteindruck nach nur einer gespielten Partie! Sehr subjektiv und durchaus auch abhängig von Tageslaune, Mitspielenden und sonstigen Einflüssen.
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