Carpe Diem von Stefan Feld – erschienen bei alea (Ravensburger)
Zu Neuauflagen habe ich meist ein zwiegespaltenes Verhältnis. Entweder ist das Spiel so gut, dass ich mich recht schnell an die Optik und die Regeln gewöhnt habe, so dass ich gar keine Neuauflage benötige bzw. überhaupt möchte (bspw. CARCASSONNE, AGRICOLA, PUERTO RICO...). Oder das Spiel ist so schlecht, dass ich damit ohnehin nicht meinen äußerst begrenzten Regalplatz blockiere und wenig Interesse an einer Neuauflage besitze. Zumal ich nun oft genug schon erlebt habe, dass Neuauflagen nicht unbedingt immer alle bestehenden Fehler ausbessern (wie mir das bspw. alea leider schon mit THE CASTLES OF BURGUNDY aufgezeigt hat). Bei CARPE DIEM habe ich aber keine Bedenken gehabt. Das Spiel ist noch jung genug und zu selten gespielt, so dass sich bei mir die Grafiken noch nichts ins Gehirn eingebrannt haben. Außerdem war die damalige Cover-Gestaltung so hässlich, dass – egal wie der Rest sein sollte – dieser Veränderung schon ein definitiver Pluspunkt der Neuauflage ist.
Was bleibt unverändert? Der Großteil! Denn die meisten Änderungen sind lediglich grafischer Natur. Wirkliche Veränderungen in der Spielmechanik bestehen nicht. Der Aktionsstern wurde schließlich schon in der 1.1‑Auflage zu Gunsten der Seitenbewegungen aufgelöst. Zusätzlich wurde auf einem Seitenrand noch ein Fehler verbessert, so dass sich nun nicht mehr zwei Teiche auf dem gleichen Feld befinden können. Aber das waren schon die inhaltlichen Änderungen. Das großartige Spielgefühl bleibt demnach unverändert. Zur Auszeichnung "Kennerspiel des Jahres" hat es damals zwar nicht gereicht (trotz oder wegen meines Orakels), aber alleine schon die Nominierung spricht für sich.
Auch das Material bleibt unverändert. Weiterhin gibt es die bekannten Holzsteine in ausreichender Anzahl sowie die nervigen Punktekarte in unglücklicher Stückelung.
Was ist neu? Fast ausschließlich die Illustrationen, aber an der ein oder anderen Stelle wurde auch das grafische Konzept verändert. Am deutlichsten wird das bei den Seitenrändern deutlich. Dort lassen sich nun auch schon an der Form die unterschiedlichen Außenbereiche von den Gebäuden unterscheiden. Zusätzlich erkennt man, dass alles etwas lebhafter und weniger steril wirkt.
Das wird auch deutlich, wenn man die gefüllten eigenen Tableaus miteinander vergleicht. Nun sieht das dort Gezeigte tatsächlich etwas mehr nach einem belebten Fleckchen Erde aus. Auch die Dächer versprühen nun ansatzweise römischen Villa-Charme.
An dem Bild erkennt man auch, dass die einzelnen Tableaus minimal bei der Darstellung der Schriftrollen verändert wurden, was aber in meinen Augen kaum einen wahrnehmbaren Effekt hat. Ganz makellos finde ich die Neugestaltung allerdings nicht. Die Hühnergehege lassen sich in meinen Augen nun schlechter als vormals von den Weinstöcken unterscheiden. Hier hätte man gerne noch etwas mehr Farbe in Spiel bringen können.
Das Problem wird auch bei den Übersichten deutlich. Diese unterscheiden sich aber insgesamt deutlich von der ersten Auflage, da nun selbstredend die neuen Darstellungen übernommen und ein wenig an der Symbolik gearbeitet wurde. Ob das alles nun deutlicher als vorher ist, wage ich aber ein wenig zu bezweifeln. Auch das neu dargestellte Brot als Pappplättchen ist nur unwesentlich klarer als solches zu erkennen. Ein großer Vorteil ist aber, dass nun die Rückseite der Übersicht nicht einfach nur blank ist, sondern die Übersicht im Hochformat anzeigt, so dass man diese nun anders ausrichten kann.
Auch die Gestaltung der Zielkarten wurde verändert – und das nicht zum Vorteil. Bei den alten Karten konnte man nämlich recht deutlich erkennen, welche Sachen man abgeben und welche man bloß besitzen musste. Diese klare Unterscheidung ist nun nicht mehr gegeben, was schade ist, weil dadurch Neulinge verunsichert werden können. Natürlich kann man argumentieren, dass man lediglich Rohstoffe abgibt und niemals gelegte Gebäude-Plättchen – aber warum kann man das nicht unterstützend auf den Karten zeigen?
Nicht immer sind Veränderungen also vorteilhaft. Das kann man allerdings nicht von den überarbeiteten Rückseiten der Plättchen behaupten. Denn diese sind nun endlich deutlich voneinander zu unterscheiden – sehr deutlich! In der alten Ausgabe habe ich mich gezwungen gesehen, die "dunkelgrünen" Rückseiten mit einem schwarzen Punkt zu bekleben, um sie von den hellgrünen unterscheiden zu können. Nun sind diese als weiße und schwarze Rückseiten unübertroffen kontrastreich. Das kann fast schon als ironischer Kommentar angesehen werden auf die viele Kritik, die alea zu diese Problematik vernommen hat.
Wie gefällt mir der neue Anstrich? Wie schon bei der Neugestaltung von THE CASTLE OF BURGUNDY überzeugt mich der Neu-Anstrich nicht vollends. Ja, es ist einiges besser geworden – aber es sind dafür auch neue kleine Macken dazu gekommen. Das ist wahrscheinlich so, wie wenn ich einen eigenen Text korrigiere und mir dabei neue Fehler einbaue. Aber ich verdiene mit dem Schreiben nicht mein Geld und leiste mir auch keinen Lektor. Ich hätte mir also schon erhofft, dass der Verlag hier mehr Sorgfalt an den Tag gelegt hätte.

Über den geänderten Aktionsstern sollte es eigentlich keine zwei Meinungen geben. Das Nehmen von benachbarten Angebotsfeldern ist wesentlich leichter zu erklären und zu verstehen als das komplizierte Über-Eck-Nehmen. Interessanterweise hat mir aber genau diese Änderung beim Spielen mit der Neuauflage die größten Probleme bereitet. Ich habe CARPE DIEM also doch schon oft genug gespielt, damit sich dieser Aktionsstern in meinem Denken verselbstständigt hat.
Als Fazit würde ich sagen, dass die Neuauflage das Spiel teilweise verbessert, mir aber ein wenig die Konsequenz bzw. der Mut dahinter fehlt. Man hätte beispielsweise noch ein alternatives Zählbrett anbieten können, wenn man auf die nervigen Siegpunktkarten verzichten möchte. Das ist vielleicht nicht die Wunschlösung des Autors, doch in Hobby-Spiel-Kreisen eine weit verbreitete Variante. Trotzdem bin ich froh, nun die Neuauflage zu besitzen – kann ich somit doch guten Gewissens die alte Ausgabe weitergeben und mich an dem neuen Cover erfreuen.

Über die spielerische Qualität von CARPE DIEM möchte ich gar nicht streiten. Diese war in meinen Augen vorher schon gegeben und bleibt natürlich uneingeschränkt hoch!
Titel | Carpe Diem |
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Autor | Stefan Feld |
Illustrationen | Eric Elwell |
Dauer | 60 bis 90 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | Legespiel mögende Kennerspielrunden |
Verlag | alea (Ravensburger) |
Jahr | 2021 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
Mir ist eine Sache völlig unklar: Was ist zu tun, wenn man bei der ersten Wertung eine Anforderung nicht erfüllen kann und demnach 4 Siegpunkte abgeben müsste, diese aber nicht hat.
Soll es ein Minuskonto geben?
Soll man auf der Banderolenleiste zurückgehen?
Soll man einfach nur so viele abgeben, wie man besitzt?
Hallo! Man beginnt ja mit über 8 Siegpunkten, so dass man damit schon einmal 2 Wertungen in den Sand setzen kann. Die Anleitung gibt keine Hinweise, was passiert, wenn man auch die dritte Wertungsanforderung nicht erfüllen kann. Ich würde dann einfach so viele Punkte abgeben wie möglich und nicht noch Minuspunkte einführen. Denn erfahrungsgemäß ist die Person dann schon gestraft genug und wird nicht mehr um den Sieg mitspielen. Meist beginnt man doch schon mit der zweiten Wertungsrunde Punkte zu machen – die will man ja auch haben.