Libertalia: Auf den Winden von Galecrest von Paolo Mori – erschienen bei Feuerland Spiele
Mein spielerisches Lieblingsthema ist der Wilde Westen. Leider ist die Auswahl an guten Western-Spielen übersichtlich. Aber glücklicherweise sprechen mich auch noch andere Themen an, wobei auch bei Robin Hood und Zorro noch spielerischer Nachholbedarf besteht. Mit einer Vorliebe für Piraten-Themen hätte ich es leichter, weil davon gibt es doch eine ganze Menge – bald mehr davon vielleicht in einer meiner Top-Listen. Eine besondere Stellung in dieser Themenwelt nimmt nun die Neuauflage von LIBERTALIA ein. Denn bei AUF DEN WINDEN VON GALECREST verlassen wir die stürmische See und schwingen uns in die Lüfte. Trotzdem bleibt gehörig Piraten-Flair erhalten.
Was bleibt unverändert? Die grundsätzliche Spielmechanik. Eine Partie LIBERTALIA erstreckt sich über drei Runden, die früher "Kampagnen" hießen und nun treffender "Reisen". Zu Beginn jeder Reise erhalten alle einen identischen Satz zufällig bestimmter Charakterkarten. An jedem Reisetag suchen sich alle verdeckt eine Karte aus und decken diese gleichzeitig auf. Die somit ausgespielten Charaktere werden in ihrer Rang-Reihenfolge platziert und dann deren Fähigkeiten abgehandelt. Zusätzlich werden noch nacheinander Beutestücke abgegriffen. Das macht man mehrmals pro Reise, wobei nie alle Handkarten ausgespielt werden. Am Ende jeder Reise erhält oder verliert man Goldstücke für die eingesammelte Beute und nimmt überschüssige Charakterkarten mit in die neue Runde. Und ganz am Ende gewinnt natürlich die Person, die die meisten Goldstücke einsammeln konnte.
Was ist neu? Statt dem klassischen Piraten-Thema sind wir nun etwas fantastischer unterwegs. Das hat auch zur Folge, dass die Gestaltung des Spiels eine ganz andere ist. Das ursprüngliche LIBERTALIA zeigte ein Schiff; nun sieht man eine Insel, auf der die Charakterkarten abgelegt werden. Allerdings ist der Spielplan zweiseitig, denn die Insel wird einerseits von einer ruhigen See und andererseits von einer stürmischen See umgeben. Damit einher gehen unterschiedliche Effekte für die einzusammelnden Beutestücke. Für noch mehr Varianz, kann man diese Fähigkeiten sogar mischen, wofür entsprechende Pappplättchen benutzt werden.
Zusätzlich wurde auch der Pool an Karten erweitert. In der ursprünglichen Ausgabe gab es eine Auswahl von 30 unterschiedlichen Karten, nun sind es derer 40. Auch in diesem Fall wurde die Gestaltung radikal verändert. Waren vorher Fotos von Menschen aus der Piratenwelt zu sehen, sind die Charaktere nun tierischen Ursprungs und recht queer und bunt gezeichnet. Außerdem gibt es nun für alle Charaktere einen eigenen Ablagestapel und neue Fähigkeiten, um mit diesem zu interagieren.
Noch gewichtiger sind aber die fehlenden Prioritäten-Punkte auf den Karten. Diese wurden im alten System dazu genutzt, Gleichstände aufzulösen. Solche kommen natürlich immer noch vor, wozu nun ein Ruhm-System eingeführt wurde. Wer mehr Ruhm besitzt, wird bei Bestimmung der Reihenfolge weiter rechts eingeordnet. Damit dieses Ruhm-System dynamisch bleibt, gibt es nun auch Charakter-Eigenschaften, die dort für Bewegung sorgen. Zusätzlich kann man noch ein paar Dublonen über die Ruhm-Leiste gewinnen oder auch verlieren.
Im alten LIBERTALIA ging eine Reise immer über genau sechs "Tage". Nun ist das Ganze etwas gestaffelt, da die erste Runde nur vier Tage dauert, die zweite Reise dann fünf und die finale sechs Tage. Somit entsteht nun eine andere Dynamik – auch weil man nicht immer drei Karten zur nächsten Reise mitnimmt, sondern anfangs zwei und dann drei.
Die Beuteplättchen wurden ebenfalls leicht verändert. Am Augenscheinlichsten ist das veränderte Material. Waren das früher lediglich Pappmarker, sind diese nun deutlich schöner anzufassen. Zusätzlich ist die Beute nun auch farbig zu unterscheiden und doppelseitig bedruckt. Somit weiß man immer, welche Beuteplättchen von den Leuten bisher gesammelt wurden. Es gibt somit keine geheimen Informationen und man muss sich nichts mehr krampfhaft merken.
Zu guter Letzt gibt es nicht nur eine minimale Anpassung des 2‑Personen-Spiels, sondern zusätzlich sogar einen waschechten Solomodus mit eigenen Automa-Karten. Außerdem wurde auf die zusätzliche Siegpunktanzeige verzichtet und man kann nun die Dukaten stylisch in eigene Schatztruhen lagern.
Wie gefällt mir der neue Anstrich? Ich kann mich nur noch dunkel an LIBERTALIA-Partien mit der ursprünglichen Version erinnern. Ich selbst habe diese zumindest nie besessen – auch, weil mich die Gestaltung mit den Fotos überhaupt nicht überzeugt hatte. Die finde ich schlicht hässlich. Glücklicherweise kann man allerdings auf der Board Game Arena noch diese alte Version spielen und das habe ich nun zur Vorbereitung auf diesen Beitrag auch noch ein paar mal gemacht.
Recht schnell wurde mir dabei deutlich, wie sinnvoll die verschiedenen Anpassungen sind. Durch die unterschiedlichen Spielplan-Seiten wird eine viel höhere Varianz erzeugt und die neuen Beute-Fähigkeiten fügen sich auch gut in die Stimmung des Spiels ein. Diese ist davon geprägt, dass Chaos entsteht. Ich schmiede Pläne, was ich mit meinen Charakteren anfangen kann – aber diese Pläne werden gnadenlos von den Mitspielenden sabotiert, weil diese nicht das machen, was ich von ihnen erwarte. Und schon beginnt das Gejaule, das Jubilieren, das Gezetere, das Austauschen von Drohungen. Sprich: es ist Leben am Tisch! Egal, wie das Spiel aktuell für mich läuft, genieße ich diese besondere Stimmung und versuche immer wieder mein Glück. Auch, weil die Abfolge der Karten sich durch das Ruhm-System nun unwesentlich besser planen lässt. Dieses neue System ist ohne Frage ein großer Gewinn! Durch diesen Nebenschauplatz passiert noch ein wenig mehr und das Auflösen der Gleichstände fühlt sich nun nicht mehr willkürlich an.
Aufgrund der hohen Interaktion bei LIBERTALIA begrüße ich auch die neue 2‑Personen-Regel. Damit verliert es etwas den Duell-Charakter und die aufkommende Stimmung tendiert mehr zum Mehrpersonenspiel. Dabei kann man überlegen, auch die Automa-Karten des Solomodus mit einzubeziehen. Allerdings bin ich von denen kein echter Fan. Der Reiz von LIBERTALIA besteht in meinen Augen darin, zu erahnen, was die anderen so machen. Ich überlege mir also, was meine Mitspielenden überlegen und versuche danach zu handeln. Der Automa aber überlegt nicht, sondern handelt mehr oder weniger zufällig. Das funktioniert alles, aber damit wird in meinen Augen nicht der Geist des Spiels getroffen. Ich spiele LIBERTALIA wegen der Mitspielenden. Wenn ich solo spielen will, dann greife ich lieber zu anderen Titeln.
Über die Gestaltung kann man geteilter Meinung sein – schließlich sind Geschmäcker verschieden. Mir gefällt die neue Aufmachung aber wesentlich besser, weil alles so unverbraucht frisch daherkommt. Aber ich habe auch schon deutlich ablehnende Stimmen diesbezüglich vernommen. Die neuen Beutesteine sind sicherlich etwas überproduziert und Holzmarker hätten es auch getan. Allerdings kann man somit tatsächlich für Aufmerksamkeit sorgen und das Klappern im Beutel macht auch Spaß. Mich stört eher die unnötige Plastikabdeckung, weil ich diese als verzichtbar ansehe. Ich kann nur hoffen, dass dieser Trend zu immer mehr Plastik nicht von Dauer ist.
Titel | Libertalia: Auf den Winden von Galecrest |
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Autor | Paolo Mori |
Illustrationen | Lamaro Smith |
Dauer | 45 bis 60 Minuten |
Personenanzahl | 1 bis 6 Personen |
Zielgruppe | hellsehende Kennerspielrunden |
Verlag | Feuerland Spiele |
Jahr | 2022 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein vergünstigtes Kaufexemplar zur Verfügung gestellt |
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