Schotten Totten 2 von Reiner Knizia – erschienen bei iello
Das Spielgefühl von SCHOTTEN TOTTEN ist schnell beschrieben: immer voll auf die Mütze! Oder hätte ich jetzt Bonnet schreiben müssen? Egal, denn wie man sich das auch bei den kernigen Highland Games vorstellt, stehen sich zwei Clans gegenüber, die einen (Wett)Kampf durchführen. In der ursprünglichen Version ging es "nur" um Grenzsteine, in SCHOTTEN TOTTEN 2 werden dahingegen sogar schon Burgmauern gestürmt. Aber bevor ich in die Tiefe gehe, muss ich noch ein klein wenig ausholen. SCHOTTEN TOTTEN habe ich schon seit Ewigkeiten in der Version aus dem Hause Pro Ludo in meinem Regal stehen. Vor nicht all zu langer Zeit gab es von iello eine neu gestaltete Auflage, die ich aber nicht weiter beachtet habe – schließlich bin ich mit meiner alten Ausgabe zufrieden gewesen. Also ich dann aber die Ankündigung zu SCHOTTEN TOTTEN 2 gelesen habe, wurde ich doch neugierig. Was hat sich Großmeister Knizia nun für Kniffe einfallen lassen, um seinen 2‑Personen-Klassiker aufzupeppen? Eine ganze Menge!
Was bleibt unverändert? Das grundsätzliche Spielprinzip. Man legt Karten an eine Stelle an und vergleicht die dortige Kombination mit den Karten direkt gegenüber. Bei SCHOTTEN TOTTEN war das streng durchkomponiert: drei Karten dürfen an einem Grenzstein liegen und man gewann, wenn man auf der eigenen Seite die höherwertigere Poker-Kombination liegen hatte. Bei SCHOTTEN TOTTEN 2 lässt sich das nicht mehr so allgemein sagen, da es beim Vergeich immer auf den jeweiligen Mauerabschnitt ankommt.
Was ist neu? Deutlich mehr, als ich das anfangs erwartet habe. Das fängt schon beim Spielziel an. Früher musste man die Mehrheit der ausliegenden Grenzsteine zu sich gezogen haben. Dabei hatten beide Seiten die gleichen Voraussetzungen. Das ist nun bei SCHOTTEN TOTTEN 2 anders, denn es gibt eine angreifende Fraktion und verteidigende. Somit redet man auch nicht mehr von Grenzsteinen, sondern von Mauern. Gewinnt man den Vergleich an einem Mauerabschnitt, dann ist die Mauer beschädigt. Die angreifende Person gewinnt die Partie, wenn diese erfolgreich vier Mauerabschnitte beschädigt hat oder einen beschädigten Mauerabschnitt zum zweiten Mal erobern konnte. Die verteidigende Fraktion versucht dies so lange zu verhindern, bis die letzte Karte vom Nachziehstapel gezogen wurde und die gegenüberliegende Partie noch ihren letzten Angriff durchgeführt hat. Im Endeffekt ist SCHOTTEN TOTTEN 2 somit ein asymmetrisches Tower Defense Spiel.
Doch nicht nur im Spielziel unterscheiden sich die Versionen, auch im eigentlichen Kern gibt es schon Unterschiede. In SCHOTTEN TOTTEN gab es sechs Farben mit den Werten von 1 bis 9. Bei SCHOTTEN TOTTEN 2 sind es dahingegen fünf Farben mit den Werten 0 bis 11. Zusätzlich kommt nun noch ein paar Besonderheiten ins Spiel. So kann eine 11 eliminieren, wenn man an dem umkämpften Mauerplättchen ein 0 der gleichen Farbe anlegt. Das ist aber nicht die einzige Möglichkeit, ausgespielte Karten wieder los zu werden. Denn die die verteidigende Partei besitzt auch noch drei Ölkessel. Spielt man einen solchen aus, dann wird ein Karte auf der Seite der angreifenden Partei eliminiert, die direkt an einem Mauerplättchen anliegt. Aber auch die angreifende Partei hat eine Sonderfunktion. Diese kann nämlich einen Rückzug anordnen und damit alle Karten an einem Mauerplättchen abwerfen. Somit kann dort ein neuer Angriff mit einer anderen Kombination gestartet werden. Das klingt im ersten Moment etwas kontraproduktiv, diese Bluff-Möglichkeit ist aber durchaus ein gewichtiges taktisches Mittel.
Zusätzlich unterscheiden sich an den einzelnen Mauerplättchen auch die einzelnen Vorgaben: einerseits wie viele Karten dort überhaupt liegen dürfen und andererseits welche Kombinationstypen ausgewertet werden. Es sind somit immer ganz unterschiedliche Voraussetzungen nötig, um ein Mauerplättchen zu erobern. Diese ändern sich übrigens auch, wenn man erfolgreich ein Mauerplättchen eingenommen hat. Denn dann wird dieses umgedreht und auf der Rückseite sind nun neue Vorgaben zu sehen. Da allerdings bei einem solchen Durchbruch auch alle anliegenden Karten abgeräumt werden, hat man dort zumindest keine unnützen "Leichen" liegen.
In meiner Pro Ludo Ausgabe gab es schon ein paar Taktikkarten für eine Variante. Das ist nun bei SCHOTTEN TOTTEN 2 ähnlich, auch wenn diese Taktikkarten zum Teil andere Funktionen haben bzw. Aktionskarten darstellen. Ich selbst war nie ein großer Fan dieser Taktikvariante, so dass ich die entsprechenden Karten immer weggelassen habe und diese somit nun auch nicht fundiert vergleichen kann.
Zu guter Letzt unterscheidet sich natürlich auch die äußere Aufmachung. SCHOTTEN TOTTEN 2 wirkt nun durch die Illustrationen von Djib wesentlich dynamischer und frischer. Auch wurde nun an farbfehlsichtige Menschen gedacht und zusätzlich zu den Farben wurden unterscheidbare Symbole hinzugefügt. Trotzdem hängt mein Herz noch an den alten Illustrationen von Dorien Boekhorst und Bärbel Skarabelo. Diese kommen so schön altmodisch daher und haben natürlich durch meine Assoziation zu Asterix bei den Briten einen Nostalgie-Bonus, der kaum zu schlagen ist.
Wie gefällt mir der neue Anstrich? Anfangs war ich ziemlich begeistert von der Weiterentwicklung. Die beiden "Rollen" unterscheiden sich im Spielempfinden deutlich, trotzdem bleibt das gemeinsame SCHOTTEN TOTTEN Gefühl bestehen. Mit der Zeit habe ich aber festgestellt, dass mir das ursprüngliche SCHOTTEN TOTTEN doch lieber ist – hauptsächlich, weil es zugänglicher aber auch deutlich planbarer ist. Auch wenn Elemente wie der Ölkessel oder das 0er-Hühnchen Schadenfreude und somit Emotionen fördern, stört es mich, dass damit zu sehr in das eigentliche Spiel eingegriffen wird. Es passieren deutlich mehr Volten; sicher geglaubte Abschnitte werden wieder angreifbar. Dadurch verliert das Spiel aber etwas die Schlankheit und auch die Schnelligkeit, für die ich SCHOTTEN TOTTEN immer bewundert habe.
Noch deutlicher wird das, wenn man nun das Spiel erklären soll. Das ging früher in maximal fünf Minuten. Ein Blick auf die Spielhilfe, kurz die Mechanik geklärt und schon konnte man loslegen. Bei SCHOTTEN TOTTEN 2 hat man da wesentlich mehr zu tun. Wobei ich in diesem Zusammenhang unbedingt die aktuelle Spielhilfe loben möchte. Denn anhand derer kann man sich schon sehr gut orientieren. Trotzdem benötigt man aufgrund der vielen kleinen Sonderregeln wesentlich mehr Zeit, um in das Spiel zu finden. Aber auch das Spiel selbst dauert nun länger. So muss man nun jeden Mauerabschnitt einzeln betrachten, was dort denn für Bedingungen bestehen. Das bedingt natürlich auch, dass mehr Gehirnschmalz für die Frage notwendig wird, welche Karte ich nun wo am besten anlegen soll. So wird SCHOTTEN TOTTEN 2 etwas grübeliger – ohne aber dadurch deutlich spannender zu werden.
SCHOTTEN TOTTEN 2 hat insgesamt eine höhere Spieltiefe zu bieten. Zusätzlich wird auch eher eine Geschichte erzählt, weil man sich diese Situation mit der Burgmauer schon ganz gut vorstellen kann. Trotzdem gefällt mir SCHOTTEN TOTTEN in seiner spielerischen aber auch grafischen Schlichtheit besser – was aber nicht heißen soll, dass SCHOTTEN TOTTEN 2 kein gutes Spiel ist. Nein, das macht schon viel richtig und ich kann mir vorstellen, dass dies bei einer anderen Prioritätensetzung besser als das Original ankommt.
Titel | Schotten Totten 2 |
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Autor | Reiner Knizia |
Illustrationen | Djib |
Dauer | 20 Minuten |
Personenanzahl | 2 Personen |
Zielgruppe | keilende Kartenspiel-Duellanten |
Verlag | iello (im Vertrieb von Hutter Trade) |
Jahr | 2021 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Vertrieb ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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