
Bitte keine Angst haben! Trotz der doppeldeutigen Überschrift müssen nun keine Enthüllungs-Fotos von mir befürchtet werden. Gegen Jahresende ploppen zwar immer wieder Kalender-Projekte auf, bei denen sich Menschen für einen guten Zweck der Kleidung entledigen, einen solchen Kalender aus der Brettspielblase kenne ich allerdings (noch) nicht. Es gibt schließlich Gründe, warum ich einen Blog betreibe und keinen YouTube-Kanal. Das "Hüllenlos" in der Überschrift hat somit einen anderen Grund. Denn die #BG2GETHER Aktion in diesem Monat geht folgendem Fragenbündel nach:
"Sleeves – Sinnvoller Schutz oder Umweltverschmutzung? Schützt ihr eure Spiele? Was erachtet ihr als wichtig und wann ist es übertrieben?"
Ich bin dieser Frage schon einmal scherzhaft in meiner losen Rubrik "Liebe, Spiel und Zärtlichkeiten" nachgegangen. Ansatzweise kann ich den Wunsch nach Karten-Sleeves zwar nachvollziehen, sehe diese aber trotzdem zum Großteil als unnütz an und schüttele meist den Kopf über den exzessiven Gebrauch. Da werden Spiele frisch nach dem Auspacken komplett eingetütet, von denen ich behaupte, dass diese in einem Jahr nach zwei gespielten Partien nicht mehr genutzt werden, weil sie einfach nicht gut genug sind. Wenn jemand nach 20 Partien ARCHE NOVA oder TERRAFORMING MARS nachdenkt, die Karten vielleicht doch schützen zu wollen – meinetwegen. Aber wenn der neuste 08–15er-Kickstarter erst einmal komplett eingetütet wird, dann aufgrund der fehlenden Mitspielenden erst sechs Monate in der Ecke verstaubt und schließlich auf dem Gebrauchtmarkt landet, dann tendiere ich bei dem Thema dazu, tatsächlich polemisch von Umweltverschmutzung zu reden.
Ja, auch ich nutze im ein oder anderen Spiel Sleeves. Eigentlich aber immer nur bei zwei Grundkonstellationen:
- ...wenn die Kartenqualität abgrundtief mies ist. Beispiele dafür sind meine Ausgaben von DER KARTOGRAPH, ULM oder auch die 2016er Neuauflage von ROBO RALLY.
- ...wenn verhindert werden muss, dass bestimmte Informationen von außen erkennbar sind – was passieren kann, wenn häufig benutzte Karten abgegriffener aussehen als selten dazu genommene Karten. Beispiel dafür ist COLT EXPRESS, bei dem man immer mal wieder Trefferkarten ins eigene Deck mischen muss. Könnte man diese beim Nachziehen oder aber auch auf den Händen der Mitspielenden erkennen, dann wäre das ein Mangel für das Spielerlebnis.
Ansonsten sehe ich es als Qualitätsmerkmal eines Spiels an, wenn es abgegriffen aussieht. Unser KRASS KARIERT kommt auf jede Familienaktivität mit. Ob es ins Schwimmbad, in den Urlaub oder auf Omas Geburtstag geht: das Spiel ist mit dabei. Entsprechend sehen die Karten mittlerweile auch aus. Ähnlich ergeht es auch den Karten von LOVE LETTER oder L.A.M.A. – vom Zustand der Karten bei KRASSE KACKE ganz zu schweigen. Aber auch meine Karten von TERRAFORMING MARS sind hüllenlos und somit nicht mehr die Frischesten. Was völlig okay ist, zeigt es mir doch, dass das Spiel gespielt wird. Und wenn nun ein neue Promokarte am Ende doch aus der Masse herausstechen sollte, dann ist das nicht spielentscheidend, um nun drölftausend Karten eintüten zu müssen. Auch dürfen bei mir die Spiele-Kartons gerne die ein oder andere Macke haben. Spiele sind für mich Gebrauchsgegenstände und keine Museumsstücke. Ich brauche nicht eine Hülle für den Umkarton, damit dieser auch keinesfalls Lagerungsspuren aufweisen wird. Und am Besten packe ich dieses Spiel mit der extra Hülle noch in eine luftverdichtete Vakuumhülle, weil das bestimmt eine wertvolle Deluxe-Ausgabe ist, die man in 20 Jahren noch teuer verkaufen kann. Das dürfen gerne Sammler:innen machen, ich bin Spieler!
Interessanterweise hat man in der lauten Öffentlichkeit der Brettspielblase das Gefühl, mit dieser Meinung alleine da zu stehen. Manchmal reibe ich mir verwundert die Augen, wie einerseits Nachhaltigkeit gefordert wird, dann aber über doppeltes Sleeven und Münzkapseln für Pappmarker philosophiert wird. Ach ja, und nein, man muss beim Design eines Inserts nicht unbedingt darauf achten, dass bitte schön alle Karten auch gesleevt in dieses hinein passen, weil vielleicht 10 Prozent der Leute da draußen aus Prinzip alle Karten einhüllen. Mir wäre es wesentlich lieber, wenn die Boxen kompakter werden und nicht unnötig viel Luft eingeplant wird, damit ja nichts hüllenlos bleibt.
Was meine Abneigung zu Karten-Sleeves übrigens noch bekräftigt ist das unschöne Gefühl beim Anfassen der Karten. Ich kann mich nicht für dieses Gekruschel an den Fingerkuppen begeistern und freue mich viel eher über eine spürbar schöne Leinenstruktur von Karten. Gerne wird in diesem Kontext übrigens noch das Argument vorgebracht, dass sich gesleevte Karten besser mischen lassen. Das halte ich für ein Gerücht, dass ich zumindest aus eigener Erfahrung nicht bestätigen kann. Mir, mit meinen zwei linken Händen, flutschen die gesleevten Karten beim Mischen eher aus der Masse und ich muss diese dann auf dem Boden aufsammeln. Ist natürlich auch eine Art von mischen...
Vom Prinzip könnte mir diese ganze Sache eigentlich egal sein. Allerdings finde ich schon, dass man im Sinne der Nachhaltigkeit gerne mal das eigene Tun hinterfragen sollte. Sind Karten-Sleeves wirklich zwingend notwendig? Oder bspw. 150 Münzkapseln, um alle Zutaten von DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG damit auszustatten, nur weil sich dann diese besser aus dem Sack ziehen lassen? Natürlich ist das netter und ich bin gegen solchen Schnickschnack auch nicht gefeilt. Aber zumindest wird bei mir die Stimme des schlechten Gewissens immer lauter.
Bin ich mit dieser Meinung alleine auf weiter Flur? Ich bin jedenfalls gespannt, wie meine Mitstreiter:innen diese Fragen beantwortet haben. Deswegen werde ich jetzt auch diesen Links folgen:
Kommentar hinzufügen