Heute war es also wieder soweit: das diesjährige Spiel des Jahres wurde verkündet. Selbst in den Radio-Nachrichten wurde somit mal wieder über Brettspiele berichtet, so dass man sich über die Relevanz des Preises für die Szene sicherlich nicht streiten braucht. Das Spiel des Jahres ist der wichtigste Preis für Brettspiele!
Die Tatsache, dass diese Auszeichnung nur von einer kleinen Schar von Menschen gewählt wird, öffnet allerdings einen weiten Raum für Diskussionen (und natürlich Besserwissereien oder gar Verschwörungstheorien). Schon mit der Verkündung der Nominierten und der Empfehlungsliste vor acht Wochen wurden eine erste Welle an Kommentaren losgetreten. Da habe ich mich noch zurück gehalten, da die meisten dann mit einer Aussicht endeten, welche Spiele denn nun die Auszeichnungen bekommen würden und welche nicht. Da wollte ich aber nicht mitmachen. Deswegen lieber heute in aller Ruhe mal meine Gedanken zu den diesjährigen Preisträgern.
Spiel des Jahres: KINGDOMINO von Bruno Cathala
War schon direkt nach dem ersten Spielen für mich ein Favorit auf den Preis. Es vereint einfach perfekt die Kriterien, die ich persönlich an ein Spiel des Jahres lege: schnell zu lernen/erklären, es werden Emotionen geweckt und es gibt einen hohen Wiederspielreiz, so dass es eben nicht nach nur einer Partie wieder im Regal verstaubt. All dies sind auch Punkte, die auf WETTLAUF NACH EL DORADO von Reiner Knizia zutreffen. Für mich war das sogar eher der Favorit auf den Titel, da es doch sehr in der gefühlten Tradition dieses Preises steht. Vielleicht war es sogar zu traditionell, so dass ein wenig der besondere Pfiff fehlte. Aber es ist müßig, sich darüber Gedanken zu machen. Auf alle Fälle hätte ich auch mit diesem Spiel als Preisträger sehr gut leben können. Beim dritten nominierten Spiel im Bunde (MAGIC MAZE von Kasper Lapp) hätte ich mich damit etwas schwerer getan. Nicht, dass es mir nicht gefallen würde. Ich finde es spritzig anders und auch herausfordernd. Allerdings hatte ich damit bei unerfahrenen Mitspielern auch die größten Verständnis-Hürden. Das Spielprinzip ist ungewohnt – und manche konnten mit dem künstlich generierten Stress auch nichts anfangen. Manche mögen es eben lieber ruhig und gemächlich.
Mit der Empfehlungsliste kann ich im Großen und Ganzen auch ganz gut leben (bei DEJA-VU hätte es sogar mehr sein dürfen) auch wenn ich da natürlich noch gerne den ein oder anderen Wechsel gesehen hätte. Aber die Liste zeigt ganz gut die Bandbreite von aktuellen Brettspielen.
Kennerspiel des Jahres: EXIT-Reihe von Inka und Markus Brand
Ein Trend des Spielerjahrgangs waren sicherlich Exit-Spiele. So war es für mich nicht verwunderlich, dass solche in irgendeiner Art und Weise auch beim Spiel des Jahres anzutreffen waren. Dass es letztendlich sogar zum Titelgewinn gereicht hat, fand ich dann doch ein wenig verwunderlich. Denn es gibt genug kritische Stimmen, die mit dieser speziellen Art wenig anfangen können. Denn ehrlicherweise hat man damit nur genau einmal seinen Spaß. Ist der Fall gelöst, wird man das Spiel nicht wieder spielen wollen. Die Spiele der KOSMOS-Reihe sind sogar noch ein wenig extremer, da es hierbei durchaus empfehlenswert ist, das Spielmaterial auch zu knicken, zerschneiden und zerreißen. Hier werden wieder Stimmen laut, die von "Wegwerfgesellschaft" und ähnlichem reden – und ganz unrecht haben diese Stimmen auch nicht (wenn auch gerne maßlos übertrieben wird). Dem gegenüber steht aber ein enormer Spielreiz, dem auch ich mich nicht entziehen konnte. Und dieser Spielreiz hat den Titel sicherlich verdient. Zumal die Nominierungs-Konkurrenz in meinen Augen recht schwach war. RÄUBER DER NORDSEE von Shem Phillips variiert sehr schön den Worker-Placement-Mechanismus. Allerdings besitzt es in meinen Augen eine unbefriedigende Spannungskurve und die einzelnen Partien gleichen sich zu sehr. TERRAFORMING MARS von Jacob Fryxelius ist mit Abstand mein liebstes Spiel des nun vergangenen Jahrgangs (dazu die Tage mehr) – als Kennerspiel hätte ich es allerdings ungern gesehen. Zu lang ist die Spielzeit und zu schlecht sind die beiliegenden Regeln. Damit hätte man der Zielgruppe der Kennerspieler (die eben keine Experten sind) keinen Gefallen getan. Diesen Blick auf die jeweilige Zielgruppe sollte man nicht außen vor lassen. Wie der Spiel des Jahres e.V. zurecht immer wieder betont, ist die Auszeichnung nicht für das beste Spiel des Jahrgang vorgesehen, sondern für das Spiel, was die Ziele des Vereins am Besten unterstützt! Und das ist großer Unterschied!
So gesehen ist die Empfehlungsliste auch gut gewählt. GREAT WESTERN TRAIL ist einfach zu anspruchsvoll für die Zielgruppe und bei CAPTAIN SONAR bedarf es schon einer großen Gruppe, um den optimalen Spielspaß zu haben. Gefreut habe ich mich über LES POILUS, was das Mehr an Aufmerksamkeit absolut verdient hat. Schade finde ich es allerdings, dass nicht wieder ein reines 2‑Personen-Spiel empfohlen wurde (wie die Jahre davor 7 WONDERS DUEL, ARLER ERDE oder auch TARGI). Hier hätte sich in meinen Augen ein RAPTOR auch ganz gut auf der Liste gemacht. Und natürlich hätten es auch noch andere Spiele verdient gehabt, auf die Liste zu gelangen.
Kinderspiel des Jahres: ICE COOL von Brian Gomez
Beim Kinderspiel des Jahres muss ich mich zurück halten, da ich keinen umfassenden Überblick mehr über Kinderspiele habe. ICE COOL habe ich zwar schon ein paar mal auf Veranstaltungen gespielt, aber wie soll ich es vernünftig in Relation zu anderen Titeln setzen? Hier vertraue ich der kompetenten Jury – die werden schon wissen, was sie tun. Zumindest habe ich mit meinen Kindern meist gerne die ausgezeichneten Kinderspiele gespielt.
Abschließend gratuliere ich allen Gewinnern (Autoren, Verlage und Illustratoren), bedanke mich aber genauso auch bei allen Nominierten bzw. Empfohlenen für viele viele Stunden Spielspaß! Im Endeffekt haben die beiden Spiele gewonnen, die bei mir beim ersten Spielen den größten WOW-Effekt ausgelöst haben. Das ist sicherlich Zufall, denn die Jahre davor war das bei den Gewinnern nicht immer so. Aber alleine schon wegen dieses WOW kann die Auswahl sicherlich nicht all zu falsch sein.
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