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Kommentar zum Spiel des Jahres 2020

Irgend­wie ist die Ver­lei­hung des Spiel des Jah­res nie so wirk­lich urlaubs­kom­pa­ti­bel mit den hie­si­gen Schul­fe­ri­en. 2018 habe ich noch mei­nen Urlaub für einen Trip nach Ber­lin unter­bre­chen kön­nen, letz­tes Jahr habe ich dank Live-Stream einen Stau auf der Auto­bahn ohne Lan­ge­wei­le über­ste­hen kön­nen. Ein sol­cher Live-Stream war in Covid-19-Zei­ten auch für die meis­ten von uns die ers­te Wahl, wenn es um die Ver­lei­hung zum Spiel des Jah­res 2020 ging. Wenn man denn Netz hatte...

So kam ich die­ses Jahr nur mit Ver­spä­tung zu den Namen der Preis­trä­ger. Eben­falls mit Ver­spä­tung nun mein Kom­men­tar dazu. Nicht, dass die­ser irgend­wie rele­vant wäre, aber ein wenig müs­sen Tra­di­tio­nen auch gepflegt wer­den. Außer­dem muss ich auch noch ein wenig ange­ben, wie gut mein Blick in die Glas­ku­gel war...

Spiel des Jahres 2020: PICTURES von Daniela und Christian Stöhr

Ich zitie­re mich aus dem letz­ten Jahr:

Ich höre schon wie­der eini­ge stöh­nen: "War­um wur­de kein "ech­tes" Spiel mit dem Haupt­preis aus­ge­zeich­net? Statt des­sen wird mal wie­der ein Par­ty­spiel auf Platz 1 geho­ben. Das ist doch gar kein Spiel! Und so etwas soll jetzt Vor­rei­ter sein?"

Die­ses Jahr kann man die­se Kla­gen wie­der hören – und die­ses Mal fin­de ich sie ansatz­wei­se auch etwas berech­tigt. Dann die Jury muss mei­ner Mei­nung nach schon auf­pas­sen, dass nicht immer die glei­chen Spiel­kon­zep­te aus­ge­zeich­net wer­den. So viel Spaß der­ar­ti­ge Kom­mu­ni­ka­ti­ons­spie­le auch machen, gibt es bekannt­lich noch ande­re Gen­res, die auch ins Ram­pen­licht gestellt wer­den dür­fen. Die Stär­ke der ver­gan­ge­nen Preis­trä­ger ist die Viel­falt, die die­se als gemein­sa­me Grup­pe dar­stel­len. Genau die­se Viel­falt der Brett­spiel­welt soll­te sich auch bei den prä­mier­ten Titel fin­den und nicht alles dar­auf her­un­ter gebro­chen wer­den, wie ein­fach mög­li­cher­wei­se der Zugang ist.

Pictures - Box
Foto: PD Games

Dabei soll die­se all­ge­mei­ne Mei­nung auf kei­nen Fall PICTURES her­ab­wür­di­gen. Das ist defi­ni­tiv ein schö­nes und auch Gene­ra­tio­nen über­grei­fen­des Spiel. Nicht ohne Grund war es eine mei­ner posi­ti­ven Über­ra­schun­gen der SPIEL 19 und ich habe es auch in mei­ne Jahr­gangs-Top‑5 gewählt. So gese­hen müss­te ich mit der Wahl doch voll­auf zufrie­den sein, oder? Jein! Natür­lich hat es die spie­le­ri­sche Qua­li­tät. Aber es hat lei­der nur wenig inno­va­ti­ve Ele­men­te. JUST ONE besaß durch den koope­ra­ti­ven Gedan­ken das beson­de­re Etwas, bei PICTURES suche ich noch das Allein­stel­lungs­merk­mal. Jeden­falls kann ich mir nicht rich­tig vor­stel­len, dass die­ses Spiel dau­er­haft begeis­tern wird. Zudem besitzt es auch den ein oder ande­ren redak­tio­nel­le Man­gel (unter­schied­li­che Aus­rich­tun­gen der Bil­der, Dopp­lun­gen bei der Aus­wahl mög­lich...). Die­se Unge­reimt­hei­ten fal­len viel­leicht bei der Ziel­grup­pe weni­ger ins Gewicht, aber für die Bran­che ist der Titel­ge­winn mei­ner Mei­nung nach ein fal­sches Signal. In den letz­ten Jah­ren hat­te ich das Gefühl, dass sol­che Rand­be­din­gun­gen eben­falls ein wich­ti­ger Punkt bei der Bewer­tung des Gesamt­pro­dukts sind. Schein­bar ist dem aber nicht so.

So gese­hen wäre es viel­leicht für den Titel­ge­winn gar nicht nötig gewe­sen, ab der 2. Auf­la­ge von NOVA LUNA grö­ße­re Schei­ben zur Ver­fü­gung zu stel­len. Die­se im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes Klei­nig­keit im Spiel von Uwe Rosen­berg und Cor­né van Moor­sel war somit wohl nicht aus­schlag­ge­bend dafür, dass es "nur" für eine Nomi­nie­rung gereicht hat. Genau­so wie das eben­falls nomi­nier­te MY CITY von Rei­ner Kni­zia sind bei­de Spie­le eher Ver­tre­ter des "klas­si­schen Brett­spiels". NOVA LUNA besticht durch sei­ne Ele­ganz als abs­trak­tes Lege­spiel, MY CITY wäre dahin­ge­gen das ers­te Lega­cy-Spiel mit einem rotem Pöp­pel gewor­den. Bei­des sind gute Spie­le, die mei­ner Mei­nung aber auch nicht das Zeug zum Lang­zeit­klas­si­ker haben wer­den. Aller­dings sah ich dies­be­züg­lich ohne­hin kei­nen Kan­di­da­ten, so dass die Aus­wahl ins­ge­samt schon ganz gut passt.

Ein wenig über­rascht hat mich die dies­jäh­ri­ge Emp­feh­lungs­lis­te. Mit KITCHEN RUSH und LITTLE TOWN gehe ich voll mit. DRAFTOSAURUS kann ich nach­voll­zie­hen, auch wenn mir dabei der Lang­zeit­spaß fehl­te. Statt SPICY spie­le ich aktu­ell in die­ser Kate­go­rie lie­ber LUNATIC, was aber viel­leicht den Klein­ver­lags­bo­nus bei mir inne hat. Denn wenn ich ehr­lich bin, dann besitzt SPICY schon die bes­se­re Anzwei­fel­re­gel. DER FUCHS IM WALD hat sei­ne Fans, ich selbst ken­ne es noch nicht und kann es des­we­gen nicht beur­tei­len. Aber schein­bar war die­ses Jahr nicht der Jahr­gang für rei­ne 2‑Per­so­nen-Spie­le. Mit COLOR BRAIN hät­te ich dahin­ge­gen über­haupt nicht gerech­net und ich hal­te das auch für ein eher schlech­tes Quiz-Spiel. Aber viel­leicht habe ich das auch nur in fal­schen Run­den mit unglück­li­chen Fra­gen gespielt. Ins­ge­samt fin­de ich die Mischung etwas durch­wach­sen. Aber wirk­lich gefehlt hat in mei­nen Augen kein Spiel, zumal auch noch das ein oder ande­re auf­grund der Covid-19-Zei­ten in den nächs­ten Jahr­gang rut­schen könnte.

Kennerspiel des Jahres 2020: DIE CREW von Thomas Sing

Die Crew - Box
Foto: KOSMOS Verlag

Favo­ri­ten­sieg – ledig­lich die Far­be war nicht direkt vor­zu­se­hen. Somit kaum Wider­spruch, denn kein ande­res Spiel war seit dem letz­ten Herbst so sehr in aller Mun­de wie DIE CREW. Mich freut das vor allem für Autor Tho­mas Sing, der bei sei­nen weni­gen Ver­öf­fent­li­chun­gen immer einen beson­de­ren Kniff ein­bau­en konn­te. So auch bei DIE CREW, in der man koope­ra­tiv ein Stich­spiel angeht. Ich bin nun gespannt, wie die­se flie­gen­de Kuh wei­ter gemol­ken wird. Denn das Poten­zi­al für vie­le Erwei­te­run­gen liegt förm­lich auf der Hand. Schö­ner wäre es aber, wenn noch ein ver­nünf­ti­ges Tuto­ri­al zur Ver­fü­gung gestellt wür­de, damit der Ein­stieg für uner­fah­re­ne Stich­spie­ler leich­ter wird. Der Gewinn des grau­en Pöp­pels soll­te dafür Anreiz genug sein.

Auf die bei­den Plät­ze mit einer Nomi­nie­rung belohnt wur­den dahin­ge­gen DER KARTOGRAPH von Jor­dy Adan und THE KING'S DILEMMA von Loren­zo Sil­va, Hjal­mar Hach und Car­lo Burel­li. DER KARTOGRAPH hat sicher­lich das Pro­blem, dass er gegen die­se star­ke Kon­kur­renz nicht gewin­nen konn­te. Zumin­dest kön­nen sich Autor und Ver­lag etwas mit dem Bee­p­le Award trös­ten. 😉 In der Spie­ler­schaft scheint das Spiel ohne­hin gut anzu­kom­men, denn schließ­lich ist schon Nach­schub ange­kün­digt. THE KING'S DILEMMA spie­le ich aktu­ell als Online-Kam­pa­gne und kann es noch nicht abschlie­ßend bewer­ten. Wie auch in den letz­ten Jah­ren soll­te die Nomi­nie­rung Aus­zeich­nung genug sein, einen ech­ten Titel­ge­winn dürf­te es nicht vor Augen gehabt haben. Aber in dem Kon­zept der Dilem­ma-Kar­ten sehe ich gro­ßes Poten­zi­al, so dass ich mal die Aus­sicht wage, dass wir davon in den nächs­ten Jah­ren noch eini­ges erwar­ten dür­fen. Zumal der Trend zu sto­ry-basier­ten Spie­len unge­bro­chen sein dürfte.

Die Emp­feh­lungs­lis­te ist lei­der wie­der sehr kurz, was ich bemäng­le. Wenn man sieht, wie vie­le gute Spie­le im Bereich der Ken­ner- und Exper­ten­spie­le jähr­lich auf dem Markt kom­men, dann wür­de ich mir ger­ne eine etwas umfang­rei­che­re Emp­feh­lungs­lis­te wün­schen. War­um die­se nur 3 Spie­le im Gegen­satz zu den 6 der roten und 7 der Kin­der­spiel-Lis­te umfasst, kann ich zwar nach­voll­zie­hen, aber nicht für gut befin­den. In die­sem Punkt wür­de ich mir Mut zu einem Mehr wün­schen. So ist die Emp­feh­lungs­lis­te im End­ef­fekt äußerst pro­mi­nent besetzt. Am meis­ten gefreut habe ich mich über die Wür­di­gung von UNDERWATER CITIES, mei­nem per­sön­li­chen Hit des Jahr­gangs 2018/19. RES ARCANA spal­tet ein wenig die Gemü­ter, aber zumin­dest weiß es zu emo­tio­na­li­sie­ren. Und mit PALADINE DES WESTFRANKENREICHS hat es nun nach den ARCHITEKTEN DES WESTFRANKENREICHS auch der zwei­te Teil die­ser Tri­lo­gie von Shem Phil­lips auf die Emp­feh­lungs­lis­te geschafft. Damit steht schon für das nächs­te Jahr ein Spiel auf der Emp­feh­lungs­lis­te fest, wenn die Tri­lo­gie been­det wird. 😉

Kinderspiel des Jahres 2020: SPEEDY ROLL von Urtis Šulinskas

Bei die­ser Kate­go­rie muss ich ehr­lich sein, dass ich mir kei­ne ech­te Mei­nung bil­den kann. Somit muss ich der Urteils­kraft der ent­spre­chen­den Jury ver­trau­en. Aller­dings war ich etwas über die Reak­tio­nen aus der Bla­se erstaunt. Da kam oft nur ein über­rasch­tes Schul­ter­zu­cken, was das für Spie­le sein sol­len. WIR SIND DIE ROBOTER habe ich hier zuhau­se und ein paar Mal gespielt. Das war schon recht nett, auch wenn wir nicht mehr die Ziel­grup­pe sind. Aber titel­wür­dig? Von FOTO FINISH und SPEEDY ROLL hat­te ich vor­her nie etwas gehört. Wie so vie­le in der Bla­se hät­te ich den Titel ger­ne bei ZOMBIE KIDS gese­hen. Das wur­de zumin­dest emp­foh­len. Aber wie schon gesagt, mir fehlt da das Spie­len der ein­zel­nen Titel mit der Ziel­grup­pe und des­we­gen fol­ge ich hier eher einer Chronistenpflicht.

Abschlie­ßend gra­tu­lie­re ich allen Gewin­nern (Autoren, Ver­la­ge und Illus­tra­to­ren), bedan­ke mich aber genau­so auch bei allen Nomi­nier­ten bzw. Emp­foh­le­nen für vie­le vie­le Stun­den Spielspaß!

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