
Alles Wichtige zum Spiel des Jahres 2022 ist wahrscheinlich schon gesagt – aber noch nicht von mir. Außerdem würde ich der Tradition nicht gerecht werden, wenn ich nun auf einmal auf eine entsprechende Kommentierung verzichtet würde. Und zu guter Letzt muss auch noch überprüft werden, wie gut denn mein Blick in die Glaskugel war.
Nach meinem Ausflug im Jahr 2018 war ich dieses Jahr wieder live vor Ort. Die Verlegung der Verleihung auf den Samstagabend hat sich somit aus meiner Sicht gelohnt, weil daraus ein wunderbar entspannter Abend wurde. Ich bin mir aber nicht sicher, ob diese Änderung für das Ziel förderlich ist, eine breite Öffentlichkeit zu schaffen. Ich hatte jedenfalls nicht den Eindruck, dass diese für uns Brettspielbegeisternde so wichtige Meldung am Wochenende von Nachrichtenredaktionen verarbeitet wurde. Weder in meinen altmodischen Print-Zeitungen noch in den von mir konsumierten Online-Nachrichten-Portale sind Meldungen zum Spiel des Jahres aufgetaucht. Ich bilde mir ein, dass das bislang aber immer recht zeitnah der Fall war. Auf der anderen Seite muss man aber auch zugestehen, dass dieser Preis keine tagesaktuelle Meldung sein muss und vielleicht kommt da die Tage noch etwas. Es fiel aber auf, dass zwar deutlich mehr interessierte Menschen vor Ort waren, davon aber nur wenige der professionellen Presse zugeordnet werden konnten. Es fehlten die Fernseh- oder Radioteams von außerhalb unserer Blase. Die Frage ist nun, wie das alles vom Verein Spiel des Jahres für die Zukunft gewichtet wird. Wieder Samstagabend oder doch der Montagvormittag? Vielleicht hilft aber auch der Kompromiss, die ganze Veranstaltung noch etwas glamouröser zu machen, der Bedeutung des Preises noch mehr Raum zu geben. Vielleicht bietet eine Kooperation mit der Berlin Con die Möglichkeit, die Verleihung vor noch mehr interessiertem Publikum zu zelebrieren, was dann wieder fernsehgerechtere Bilder erzeugt.


Aber ich lauf Gefahr, zu sehr abzudriften. Schließlich will ich nicht die Verleihung kommentieren, sondern die einzelnen Preisträger. Los geht es also...
Spiel des Jahres 2022: CASCADIA von Randy Flynn
CASCADIA ist eine gute und auch ziemlich logische Wahl. Das Spiel bietet nicht nur viele optische Reize, sondern weiß auch durch seine Variabilität spielerisch zu überzeugen. Eine Stärke des Spiels ist sicherlich, dass es verschiedene Schwierigkeitsstufen gibt und somit eine große Bandbreite an Ansprüchen abgedeckt werden kann. Bleibt nur die Frage, warum ich es ganz knapp noch nicht einmal auf dem Treppchen gesehen habe. Ich war mir nicht sicher, wie sehr die Jury diese fehlende Fokussierung auf eine Zielgruppe bewerten würde, zumal das Einstiegsspiel nicht gerade prominent in den Vordergrund gerückt wurde. Aber vielleicht ändert der Verlag das durch den Preis auch nochmals. Im Endeffekt lag ich knapp daneben, kann aber gut mit der leichten Nebelbildung in meiner Glaskugel leben.
Dafür lag ich nämlich bei den weiteren Nominierungen richtig. Für SCOUT von Kei Kajino hat mich das sehr gefreut, da ich das Spiel für eine Perle im Kartenspielbereich halte. Zudem weiß ich, dass Oink Games schon mit der Nominierung glücklich ist. Die zusätzlichen Ziffern auf dem rechten Kartenrand der neuen Auflage zeigen zudem, dass Kritik aus der Spielerschaft angenommen wird. TOP TEN von Aurélien Picolet ist sicherlich auch keine Überraschung auf dem Treppchen gewesen, weil es schlicht und einfach eine Menge Spaß bereitet. Ich finde es aber gut, dass es nicht gewonnen hat – einzig und alleine aus dem Grund, weil ich nicht möchte, dass Brettspiele in der breiten Öffentlichkeit zu sehr als Partyspiele wahrgenommen werden. Das bedeutet nicht, dass solche Spiele keine "richtigen Spiele" sind – nein, diese haben absolut ihre Berechtigung und ich möchte die verbrachte Zeit mit TOP TEN auch keinesfalls missen. Aber ich finde es gut, wenn die Preisträger der letzten Jahre eine gewisse Bandbreite abdecken und nicht zu einer Top-Liste der einstiegsfreundlichsten Spiele werden.
Auch mit der diesjährigen Empfehlungsliste kann ich sehr gut leben, zumal ich diese erstaunlich gut vorhergesagt habe. SO KLEEVER!, TREK 12 und 7 WONDERS ARCHTITECTS habe ich schon bei meiner Glaskugel erwähnt, ECHOES fiel dort zumindest schon vom Namen her. In diesem Zusammenhang fand ich es spannend, dass dort entgegen der EXIT-Reihe mit DIE TÄNZERIN ein alleiniger Titel genannt wurde. Nicht auf meiner Liste hatte ich MY GOLD MINE, was ich zwar wahrgenommen aber nie gespielt habe. Völlig an meinem Radar vorbei ging dahingegen MAGIC RABBIT. Das klingt aber bei der Beschreibung so toll, dass ich diese Lücke unbedingt noch füllen möchte. Hier hat sich also wieder gezeigt, dass man selbst als Teil der Blase immer noch Anregungen durch die Jury bekommen kann.
Kennerspiel des Jahres 2022: LIVING FOREST von Aske Christiansen
Direkt nach der Verkündung begannen die vorhersehbaren Diskussionen. Ob LIVING FOREST denn nun überhaupt ein Kennerspiel ist oder nicht doch nur ein gehobenes Familienspiel. Und echte Kenner spielen ohnehin nicht so einen Schnulli-bulli-Kram. Aufgrund der Namensgebung für den Grauen Pöppel sind diese Meinungen wohl auf ewig hinzunehmen. Denn wenn man sich die letzte Dekade und die Preisträger genauer ansieht, dann erkennt doch recht schnell, wie gut LIVING FOREST in diesen Bereich passt. Ob es in einer Dekade auch noch als bestes Kennerspiel des Jahrgangs angesehen wird, wird sich erst noch zeigen müssen. Ich persönlich mag andere Spiele lieber, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es für die Zielgruppe tatsächlich der beste Preisträger ist.
Besser gefallen mir bspw. die beiden anderen nominierten Spiele. DUNE: IMPERIUM von Paul Dennen hat mich schwer begeistert. Deutlich schwerer als bei LIVING FOREST ist aber auch der Einstieg und das 2‑Personen-Spiel ist durch den notwendigen Automa etwas sperrig. Somit darf es sich meiner Meinung mit der Nominierung glücklich schätzen, für ein breiteres Zielpublikum ist es etwas zu eigen und somit nicht optimal für den Titel. Ganz anders sieht das bei CRYPTID von Hal Duncan und Ruth Veevers aus. Das finde ich vom Einstieg sogar leichter als LIVING FOREST und ich hätte es demnach auch eher der roten Kategorie zugeordnet. Die Einordnung in den Kennerbereich ergibt sich aber wohl durch die Besonderheit der Informationsverarbeitung. Das Spielprinzip ist etwas fehleranfällig und somit eben nicht Einsteiger-freundlich. Aber aufgrund der Eleganz und des besonderen Spielreizes hat es sich die Nominierung verdient.
Mit der Empfehlungsliste kann ich sehr gut mitgehen – ist diese doch nahezu deckungsgleich mit meinen Vorhersagen. WITCHSTONE habe ich sogar auf dem Treppchen gesehen, aber bei dem nicht sehr heimlichen Jahrgangssieger der Herzen ARCHE NOVA war klar, dass dieses zu komplex für den Kennerpreis ist und somit durch eine Nominierung geehrt wurde. Bleibt noch KHÔRA zu nennen, was ich ebenfalls als ein ganz vorzügliches Strategiespiel ansehe.
Kinderspiel des Jahres 2022: ZAUBERBERG von Jens-Peter Schliemann und Bernhard Weber
Im Kinderspielbereich kenne ich mich nicht mehr aus. Trotzdem habe ich meine Glaskugel einen Tipp abgeben lassen – und dieser war sogar richtig. Da habe ich anscheinend die wenigen Informationen aus diesem Bereich richtig gedeutet. Wirklich etwas zum Thema sagen kann ich somit nicht, außer das mir von vielen Kennern dieser Szene bestätigt wurde, das ZAUBERBERG ein verdienter Preisträger ist. Ich finde die Wahl auch deswegen gut, weil ansonsten mit AUCH SCHON CLEVER und MIT QUACKS & CO NACH QUEDLINBURG zwei Spiele nominiert waren, die auf bekannten Erwachsenenspielen fußen – und das hatten wir in der Vergangenheit eigentlich genug. Das sieht ansonsten auch noch so aus, als ob es keine originären Kinderspiele gäbe. Ein wenig leid tut es mir aber für Wolfgang Warsch, denn wenn man zweimal nominiert ist, dann hofft man doch sehr auf einen Titel – wobei er das Phänomen schon bei seinen Vorlagen miterleben durfte.
Es liegt in der Natur der Dinge, dass ich auch gerne noch das ein oder andere Spiel zusätzlich auf den Listen gesehen hätte. Aber ich finde es richtig, dass die jeweiligen Listen kompakt bleiben und diese auch eine gewisse Bandbreite aufweisen. Insgesamt kann ich mit der getroffenen Auswahl sehr gut leben und die Jury hat in meinen Augen dieses Jahr wieder sehr vieles richtig gemacht.
Abschließend gratuliere ich allen Beteiligten der Gewinner-Titel (den Autoren, den Redaktionen, den Verlagen und den Illustrator:innen) – bedanke mich aber genauso auch bei allen Beteiligten der nominierten bzw. empfohlenen Spielen für viele viele Stunden Spielspaß!
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