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Kommentar zum Spiel des Jahres 2023

All die Jah­re habe ich zu die­sem Zeit­punkt – also kurz nach der Ver­lei­hung des Spiel des Jah­res und Ken­ner­spiel des Jah­res – die Aus­wahl der aus­ge­zeich­ne­ten, nomi­nier­ten und emp­foh­le­nen Spie­le kom­men­tiert. In die­sem Jahr fühlt sich das ein wenig komisch an. Der Grund dafür ist ganz ein­fach und viel­leicht auch schon bekannt: im nun anste­hen­den Jahr­gang wer­de ich für die­se Aus­wahl mit­ver­ant­wort­lich sein und alles, was ich nun schrei­be, könn­te gegen mich ver­wen­det wer­den. 😉 Doch dazu spä­ter mehr, denn erst ein­mal sol­len die Spie­le im Mit­tel­punkt stehen!

Und war­um soll­te ich die dies­jäh­ri­ge Aus­wahl nicht mehr kom­men­tie­ren? Schließ­lich bin ich sel­ten um eine Mei­nung ver­le­gen, so dass ich auch kein Pro­blem damit hät­te, wahr­ge­nom­me­ne Fehl­ent­schei­dun­gen zu kri­ti­sie­ren. In die­sem Jahr habe ich aller­dings das Gefühl, das wei­test­ge­hend Kon­sens herrsch­te und die aus­ge­wähl­ten Spie­le auf Zustim­mung stie­ßen – natür­lich auch mit der ein oder ande­ren kri­ti­schen Anmer­kung ver­se­hen. Die­se Mei­nun­gen sind wich­tig, um sich selbst und die gemach­ten Ein­drü­cke hin­ter­fra­gen zu kön­nen. Außer­dem wäre eine voll­stän­di­ge Stil­le nach der Preis­ver­ga­be erschre­ckend, schließ­lich soll die­ser Preis doch Auf­merk­sam­keit erzeu­gen und Öffent­lich­keit schaf­fen. Schwie­rig wer­den die­se Mei­nun­gen nur dann, wenn den Spie­len im Fokus Qua­li­tä­ten abge­spro­chen wer­den, nur weil viel­leicht der per­sön­li­che Favo­rit nicht aus­ge­wählt wur­de. Doch gehen wir die Preis­trä­ger ein­mal durch…

Spiel des Jahres 2023: DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL von Michael Palm und Lukas Zach

Dorfromantik - Das Brettspiel - Box

So rich­tig über­ra­schend ist die­se Aus­zeich­nung nicht, ist DORFROMANTIK doch als der gro­ße Favo­rit nach Ver­kün­dung der Nomi­nier­ten-Lis­te ins Ren­nen gegan­gen. Schon in vie­len Ora­keln davor wur­de es auch sehr häu­fig genannt (z.B. auch bei mei­nem Blick in die Glas­ku­gel). Sel­ten pass­te ein Gesamt­pa­ket wohl bes­ser zu den Zie­len des Ver­eins als in die­sem Jahr. Trotz­dem stößt man­chen übel auf, dass man bei die­sem Spiel nicht ver­lie­ren kann, son­dern höchs­ten nur weni­ger schnell gewinnt. Für was spielt man dann eigent­lich? Gehört gewin­nen und ver­lie­ren nicht zu einem Spiel dazu? Sicher­lich sind wir das so gewohnt und ich selbst mag auch ger­ne den Wett­be­werb in einem Spiel. Aber es gibt eben auch eine nicht zu unter­schät­zen­de Per­so­nen­an­zahl, die genau die­ses Wett­be­werbs­ver­hal­ten an Spie­len nervt. Für die­se wur­de nun ein über­zeu­gen­des Ange­bot gemacht, wie man es schon aus den digi­ta­len Spie­le­wel­ten kennt. Über klei­ne Beloh­nun­gen wer­den wir gekö­dert und zu immer neu­en Ver­su­chen ver­führt. Das ist in DORFROMANTIK sehr stark umge­setzt. Aller­dings glau­be ich nicht, dass ab jetzt nur noch sol­che Spie­le auf den Markt kom­men wer­den. Der Boden ist aber berei­tet und viel­leicht kön­nen dar­über noch mehr Men­schen für Brett­spie­le begeis­tert wer­den. Die Esacpe-Spie­le haben vor­ge­macht, dass neue Kon­zep­te berei­chern können.

Auf die etwas undank­ba­re Nomier­ten-Lis­te kamen NEXT STATION LONDON von Matthew Dun­stan und FUN FACTS von Kas­per Lapp. Letz­te­res hat­te mich über­rascht, da ich es nicht als so stark ange­se­hen habe und mich durch­aus ähn­li­che Spie­le in der Ver­gan­gen­heit mehr gefes­selt haben. Aber trotz­dem hat es sei­ne eige­ne Qua­li­tä­ten. Sehr gefreut habe ich mich dahin­ge­gen für NEXT STATION LONDON. Die­ses klei­ne Spiel ist ein gutes Bei­spiel dafür, wie ein Spiel von Par­tie zu Par­tie wach­sen kann. Ist man anfangs noch froh, sich gegen Ende nicht zu sehr ein­ge­schränkt zu haben, wird man spä­ter immer plan­vol­ler vor­ge­hen und dabei eine neue Spiel­tie­fe entdecken.

Statt FUN FACTS hat­te ich noch SEA, SALT & PAPER unter den ers­ten drei gese­hen. Dafür hat es nicht ganz gereicht, aber zumin­dest wur­de es emp­foh­len. Und besä­ße es eine bes­se­re Anlei­tung und deut­li­che­re Sym­bol­spra­che, wer weiß, wer weiß… Einen rich­ti­gen Rie­cher hat­te ich auch bei AKROPOLIS, HITSTER und KUZOOKA. Q.E. hat­te ich für das Ken­ner­spiel vor­ge­se­hen und THAT'S NOT A HAT hol­te mich und mei­ne Grup­pen lang­fris­tig zu wenig ab. Bis­her gar nicht im Blick­feld hat­te ich dahin­ge­gen MANTIS, was die­se Emp­feh­lungs­lis­te sinn­voll abrundet.

Kennerspiel des Jahres 2023: CHALLENGERS! von Johannes Krenner und Markus Slawitscheck

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Bild: 1 More Time Games

Eigent­lich könn­te ich den Text vom letz­ten Jahr kopie­ren und dabei nur den Titel des Spiels erset­zen. Ach­tung, es geht los: "Direkt nach der Ver­kün­dung began­nen die vor­her­seh­ba­ren Dis­kus­sio­nen. Ob CHALLENGERS! denn nun über­haupt ein Ken­ner­spiel ist oder nicht doch nur ein geho­be­nes Fami­li­en­spiel. Und ech­te Ken­ner spie­len ohne­hin nicht so einen Schnul­li-bul­li-Kram. Auf­grund der Namens­ge­bung für den Grau­en Pöp­pel sind die­se Mei­nun­gen wohl auf ewig hinzunehmen. ..."

Die­ses Phä­no­men war auch die­ses Jahr wie­der ein­mal zu beob­ach­ten. Erhel­lend dazu übri­gens die Mei­nung der bei­den Autoren bei der Pres­se­kon­fe­renz am nächs­ten Mor­gen. Denn sie selbst haben über­haupt kei­nen Zwei­fel dar­an, dass CHALLENGERS! ein Ken­ner­spiel ist, haben sie doch sehr oft in ihren Test­grup­pen unzwei­fel­haf­tes Feed­back für die­se Ein­tei­lung bekom­men. Zugleich las­sen deren eige­ne Sieg-Raten auch nur bedingt den Schluss zu, dass CHALLENGERS! ein Glücks­spiel sei. Ich dan­ke der Jury jeden­falls für den Mut, die­ses beson­de­re Spiel aus­zu­zeich­nen. Denn das ist sicher­lich nicht die sichers­te Wahl gewe­sen. Es gibt ganz bestimmt Grup­pen, die mit die­ser Art Spiel über­haupt nichts anfan­gen kön­nen. Es gibt aber auch Grup­pen, die das Spiel abfei­ern wie weni­ge davor. CHALLENGERS! pola­ri­siert. Ich selbst habe mich anfangs an den Äußer­lich­kei­ten gerie­ben. Mir gefällt die Optik nicht und mich stö­ren die unnö­ti­gen Mou­se­pads doch sehr. Aller­dings haben mich dann schnell die inne­ren Wer­te über­zeugt. Trotz Schwä­chen bei unge­ra­der Per­so­nen-Anzahl ist CHALLENGERS! sicher­lich ein spie­le­ri­sches Highlight.

Die siche­re­re Wahl wäre wohl PLANET UNKNWON von Ryan Lam­bert und Adam Reh­berg gewe­sen. Die­ses Spiel kommt über­all gut bis sehr gut an. Es hat zwar ein paar Schwä­chen in der Anlei­tung bzw. bei den fort­ge­schrit­te­nen Pla­ne­ten, aber ansons­ten wäre das eine Wahl gewe­sen, die für weni­ger Auf­re­gung gesorgt hät­te. Aber genau wie Spie­le emo­tio­na­li­sie­ren sol­len, dür­fen das ger­ne auch Aus­zeich­nun­gen tun. Bei IKI von Koota Yama­da gab es die Auf­re­gung übri­gens schon bei der Nomi­nie­rung. Wie kann es sein, dass ein Spiel von 2015 auf ein­mal Ken­ner­spiel des Jah­res 2023 wer­den könn­te? Dabei wird aller­dings ger­ne unter­schla­gen, dass damals kein flä­chen­de­cken­der Ver­trieb in Deutsch­land gewähr­leis­tet war und es somit nicht wirk­lich auf dem Markt ver­füg­bar war. Ich fin­de die Nomi­nie­rung gera­de auch des­we­gen gelun­gen, weil es zeigt, dass Spie­le nicht immer top­ak­tu­ell sein müs­sen, um über­zeu­gen zu kön­nen. Das kann ger­ne auch als Plä­doy­er aus­ge­legt wer­den, öfter mal alte Schät­ze raus­zu­ho­len als immer nur den neu­es­ten Hypes hin­ter­her zu hecheln.

Aller­dings kann die­se Nomi­nie­rung auch anders inter­pre­tiert wer­den. Denn sie kann auch auf­zei­gen, dass der Jahr­gang in der Brei­te nicht unbe­dingt der stärks­te war. Emp­foh­len wur­de noch COUNCIL OF SHADOWS als Über­gang zum Exper­ten­spiel. Und eine klei­ne Über­ra­schung gab es für mich noch mit MINDBUG, da ich das Spiel sehr früh ken­nen­lern­te und nun nicht mehr im Blick­feld hat­te. Natür­lich hät­te man sowohl die­se wie auch die "rote" Lis­te noch mit wei­te­ren Titeln fül­len kön­nen und das ein oder ande­re Spiel fehlt mir. Aber im Gro­ßen und Gan­zen ist das wie­der ein abwech­l­unsgrei­ches Pot­pour­ri an The­men und Mecha­nis­men gewor­den, um zu zei­gen, wie viel­fäl­tig die Welt der Brett­spie­le ist.

Kinderspiel des Jahres 2023: MYSTERIUM KIDS von Antonin Boccara und Yves Hirschfeld

Mysterium Kids - Cover
Bild: Asmo­dee Deutschland

Zu den beson­de­ren Qua­li­tä­ten des Kin­der­spiel des Jah­res kann ich lei­der wenig sagen – da fehlt mir schlicht die not­wen­di­ge Erfah­rung. Für mich sahen alle drei nomi­nier­ten Spie­le (neben MYSTERIUM KIDS noch CARLA CARAMEL von Sara Zari­an und GIGAMON von Johann Rous­sel und Karim Aoui­dad) reiz­voll aus und ich hät­te die­se in frü­he­ren Zei­ten sicher­lich ger­ne mit mei­nen Kin­dern gespielt. Ich ver­traue in die­ser Kate­go­rie jeden­falls der Jury und den Beirät:innen, dass die Spie­le in der Ziel­grup­pe gut ankom­men. Auf der Ver­lei­hung wur­de jeden­falls deut­lich, aus wel­chen Grün­den die­se Spie­le so ins Schein­wer­fer­licht gerückt sind – und vor allem auch, wie sehr die Autor:innen ver­stan­den haben, was Kin­der an Brett­spie­len inter­es­siert und wie die­se wahr­ge­nom­men werden.

Sonderpreis 2023: UNLOCK! GAME ADVENTURES von Cyril Demaegd sowie UNLOCK! KIDS von Cyril Demaegd, Marie Fort und Wilfried Fort

Unlock Game Adventures - Cover
Bild: Asmo­dee Deutschland

Ein Son­der­preis ist immer eine Über­ra­schung – so natür­lich auch in die­sem Jahr. Selbst­re­dend habe ich die­sen Preis nicht kom­men sehen. Aber um so mehr habe ich mich dar­über gefreut. Von der Qua­li­tät des Sys­tems war ich ohne­hin schon begeis­tert, habe ich doch UNLOCK! GAME ADVENTURES bei mei­ner Vor­her­sa­ge selbst aufs graue Trepp­chen geho­ben. Zu den Kin­der­spiel­um­set­zun­gen des Sys­tem kann ich wie­der nichts geist­vol­les bei­tra­gen, aber das "erwach­se­ne" Sys­tem ist tat­säch­lich von Box zu Box bes­ser gewor­den. Durch die Ver­knüp­fung zu den Spie­le-Klas­si­kern ent­steht nun natür­lich noch ein beson­de­rer Twist, der ver­dient mit die­sem Son­der­preis gewür­digt wurde.

Zum Abschluss noch ein paar Wor­te zur Preis­ver­lei­hung. Die­se war nun wegen der gemein­sa­men Ver­lei­hung aller drei Prei­se (plus des Son­der­prei­ses) schon eher zeit­in­ten­siv. Aller­dings hat­te die Ver­lei­hung für mich kei­ne Län­gen, wur­de doch der Ablauf durch die Ein­be­zie­hung von Gäs­ten auf­ge­lo­ckert. Zur Kurz­weil tru­gen ins­be­son­de­re die tol­len fil­mi­schen Kurz­vor­stel­lun­gen von For­mat C bei. Auch die anfäng­li­che Hom­mage an Klaus Teu­ber von Ste­phan Zer­lik war der Bedeu­tung die­ser lei­der zu früh ver­stor­be­nen Autoren-Legen­de wür­dig. Natür­lich gibt es noch genü­gend Stell­schrau­ben, die man in Zukunft dre­hen kann. Bei­spiels­wei­se wur­de mir mit­ge­teilt, dass man im Stream vom Publi­kum im Saal nichts hör­te. Was sehr scha­de ist, war die Stim­mung im Saal doch durch­aus emo­tio­nal. Auch die neue Lein­wand kann sicher­lich in Zukunft noch ziel­füh­ren­der ein­ge­setzt wer­den. Aber die ein­ge­schla­ge­ne Rich­tung stimmt! 

Spiel des Jahres 2023 - Preisverleihung
vol­le Bühne

So gra­tu­lie­re ich nun allen Betei­lig­ten der Gewin­ner-Titel (den Autor:innen, den Redak­tio­nen, den Ver­la­gen und den Illustrator:innen) – bedan­ke mich aber genau­so auch bei allen Betei­lig­ten der nomi­nier­ten bzw. emp­foh­le­nen Spie­len für vie­le vie­le Stun­den Spielspaß!


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wenn schon, denn schon

PS: Okay, doch noch ein klei­nes Post­skrip­tum zum defi­ni­ti­ven Abschluss. Denn die­ser Kom­men­tar zum Spiel des Jah­res 2023 wird wohl erst ein­mal der letz­te die­ser Art sein. Als zukünf­ti­ges Mit­glied der Jury wer­de ich nicht das Ergeb­nis der eige­nen Arbeit bewer­ten kön­nen. Das sol­len und wer­den ande­re machen, da habe ich kei­ne Beden­ken. Bei­spiels­wei­se mei­ne ehe­ma­li­gen Kolleg:innen bei Bee­p­le, denn die­ses Netz­werk habe ich kon­se­quen­ter­wei­se ver­las­sen. Auch hier im Blog wird sich wohl recht sicher ein klein wenig was ver­än­dern. Denn ich wer­de noch mehr Zeit mit Spie­len ver­brin­gen – und weil Zeit lei­der ein end­li­ches Gut ist, zwangs­läu­fig wohl auch etwas weni­ger vor dem PC sit­zen. Wie genau sich das ein­pen­deln wird, das wird sich zei­gen. Denn auch wenn ich nun schon die ers­ten Spiel­pa­ke­te des neu­en Jahr­gangs tes­te, war ich jetzt in Ber­lin z.B. nur Gast und konn­te mir das noch ganz ent­spannt und auch gespannt von außen anse­hen. Mei­ne Feu­er­tau­fe kommt erst noch – auch wenn ich mein letz­tes Ora­kel durch­aus als eine sol­che wahr­ge­nom­men habe. Zu die­sem Zeit­punkt war mir schon bekannt, dass ich im Som­mer in die Jury auf­ge­nom­men wer­de. Eigent­lich woll­te ich des­we­gen den Blick in die Glas­ku­gel auch aus­fal­len las­sen, da ich mich schlimms­ten­falls nur bla­mie­ren konn­te. Da mich aber eini­ge auf das aus­ste­hen­de Ora­kel ange­spro­chen haben, wag­te ich mich doch an einen Blick in die Zukunft – und war dann glück­li­cher­wei­se gar nicht so schlecht dabei. Puh, noch­mal Glück gehabt und nicht voll­stän­dig in die Nes­seln gesetzt. Ich freue mich jeden­falls auf mei­ne Arbeit dort mit tol­len Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen (vor und hin­ter den Kulissen).

2 Kommentare

  • Hal­lo Fjellfras,
    Lei­der hast du dich mit dem Namen des gewür­digt ver­stor­be­nen Spie­le­au­tor ver­tan, es war Klaus Teu­ber, der im April verstarb.

    • Da hast du völ­lig recht! Kei­ne Ahnung, wie mir die­ser Lap­sus pas­sie­ren konn­te – ich hof­fe, ich habe kei­ne Pfer­de scheu gemacht. Ich habe das sofort ver­bes­sert. Dan­ke für den Hinweis!