Altiplano: Der Reisende von Louis und Stefan Malz sowie Reiner Stockhausen – erschienen bei dlp games
Ich weiß nicht, ob Backpacking immer noch so beliebt ist wie früher. Wenn, dann waren im Bekanntenkreis aber hauptsächlich Südostasien, Australien bzw. Neuseeland angesagt. Die Altiplano-Hochebene wurde jedenfalls nie als bevorzugtes Ziel genannt. Aber DER REISENDE von heute geht eben nicht jedem Trend nach, sondern sucht neue Wege.
Thema... fremde Einflüsse von außen zeigen meist neue Wege auf. So auch in der beschaulichen Altiplano-Gegend. Denn durch diese wandelt nun ein Reisender und hat neue Ideen und Errungenschaften im Gepäck. Zusätzlich ist er auch immer an einem Tausch von Waren interessiert.
Illustrationen… sind glücklicherweise wieder von Klemens Franz. Der Titel gebende Reisende ist vielleicht nicht ganz so knuffig wie das Alpaka aus dem empfehlenswerten Grundspiel, aber trotzdem fühlt man sich gleich wieder heimisch. Die gute Symbolsprache wurde natürlich beibehalten, so dass sich alle neuen Elemente nahtlos einfügen.
Ausstattung… am auffälligsten ist sicherlich der neue zentrale Umschlagplatz, der sinnigerweise auch in die Mitte der Ortsauslage gelegt wird. Dieser Umschlagplatz ist in Segmente für die einzelnen Mitspieler unterteilt, die mit kleinen farbigen Holzwürfel markiert werden. Das größte Segment ist aber für den Reisenden reserviert – sowie für die neuen Errungenschaftskarten. Für diese gibt es dankenswerterweise auch noch für jeden Spieler eine Übersicht.
Da auch die Aktivitäten mit dem Reisenden geplant werden müssen, erhält jeder Spieler einen zusätzlichen Ablagestreifen. Neu sind auch die rosafarbenen Opale, eine Holzfigur für den Reisenden sowie die ein oder andere zusätzliche Karte. Außerdem sind nun Marker für Siegpunkte im Angebot.
Ebenfalls neu ist der Kartensatz mit 37 Ereignissen. Aus diesen wird am Anfang der Partie ein Stapel mit 28 Karten gebildet, so dass auch ganz sicher in jeder Runde eine neue Karte zu Beginn aufgedeckt werden kann. Die Regel macht übrigens das Angebot, nur mit diesen Ereignissen zu spielen und die restlichen Elemente der Erweiterung außen vor lassen.
Ein kleiner Gag ist übrigens auch noch enthalten. Das überproportionale Alpaka als Startspielerfigur wurde nun gehörig geschrumpft. Statt wie bisher recht unmotiviert über das Geschehen zu blicken, ist es nun auf Normalgröße reduziert worden. Ich bleibe aber trotzdem lieber bei meinem CornMan!
Ablauf… zu Beginn einer jeden Runde wird nun eine Ereigniskarte aufgedeckt und abgehandelt. Dieses "Story"-Element kennen wir schon aus der 2. ORLEANS-Erweiterung. Im Gegensatz zu dieser, bewirken die Ereignisse DES REISENDEN in der Regel nur positives. Manche Ereignisse zeigen zudem noch Warenplättchen an, die nun auf das Umschlagfeld des Reisenden gelegt werden.
Trifft man im Laufe der Runde auf den Reisenden, dann kann man nun bei ihm eigene Warenplättchen gegen Opale tauschen. Diese sind am Ende Siegpunkte wert, können aber auch dazu genutzt werden, andere Waren des Umschlagplatzes zu kaufen. Wichtige Regel dabei ist: beim Einkaufen werden Waren von fremden Umschlagplätzen genommen, beim Verkaufen legt man die benutzen Waren in den eigenen Umschlagplatz. Statt beim Verkaufen Opale zu erwerben, kann man stattdessen sich auch eine Errungenschaft aussuchen, die einem dann für den Rest der Partie zur Verfügung steht.
Am Ende einer Runde bewegt sich dann der Reisende zum nächsten Spielplanteil weiter, so dass er nach und nach alle Orte besucht.
Das gefällt mir nicht so gut: Da die Erweiterung neue Elemente beinhaltet, verwundert es nicht, dass nun auch mehr Verwaltungsaufwand getätigt werden muss. Das Umdrehen der Ereignisse passiert recht schnell automatisch (schließlich ist man gespannt, was passiert). Weniger selbstverständlich wird der Reisende fortbewegt. Wenn nicht ein Mitspieler auserkoren wurde, der sich ausschließlich darum kümmert, passierte es öfters, dass das Weitergehen vergessen haben. Das ließ sich alles meist recht einfach rekapitulieren, aber ein wenig nervig ist es doch. Außerdem habe ich das Gefühl(!), dass die einzelnen Partien noch ein wenig länger als ohnehin schon dauern. Vielleicht deswegen, weil man sich gerne mal von den Angeboten des Reisenden verführen lässt und nicht mehr ganz so geradlinig spielt. Oder deswegen, weil nun eine weitere Dimension des Planen-Müssens hinzugekommen ist.
Im Vergleich zu den Ereignissen aus der ORLEANS-Erweiterung HANDEL & INTRIGE fällt auf, dass die Altiplano-Ereignisse durchweg positive Auswirkungen haben. Also keine Missernte, die die Kakaovorräte schrumpfen lässt oder ein empfindlicher Glasbruch. Nein, hauptsächlich wird einem das Spielen erleichtert. Das ist natürlich schön für eine positive Gesamtstimmung am Tisch, aber mir fehlen dabei die Härten des Lebens. Ich hätte sehr gut mit Ereignissen leben können, die auch etwas gemeiner Natur sind. Aber wahrscheinlich wäre dann der allgemeine Aufschrei zu groß gewesen. ALTIPLANO ist im Gegensatz zu ORLEANS wesentlich besser zu planen. Umso empfindlicher würde man wahrscheinlich reagieren, wenn nun solche Ereignisse die Planungen zunichte machen. Nachvollziehen kann ich smoit die Entscheidung, durch die Ereignisse zu verführen statt zu lenken. Aber ein wenig fehlen mir dann auch die denkwürdigen Emotionen bei auftretendem Unheil.
Ein wenig unzufrieden bin ich auch mit den Plastik-Opalen. Damit meine ich nicht das Spiel-Element als solches, sondern direkt das verwendete Material. Diese kleinen Plastikdinger passen meiner Meinung nach nicht so gut zum Rest des Spiels. Hier wären mir Holzelemente oder auch Pappmarker lieber gewesen. Zusätzlich hätte ich wohl eine "Handelsware" (vergleichbar mit YOKOHAMA) stimmiger empfunden als ein Edelstein-Tausch.
Das gefällt mir gut: Der ganz große Vorteil dieser Erweiterung ist: sie ist lediglich ein zusätzliches Angebot, aber kein notwendiges Muss. Selbst wenn man mit dem Reisenden spielt, kann man ihn getrost außer Acht lassen und seinen gewohnten Stiefel herunterspielen – und hat trotzdem die gleichen Chancen auf den Sieg. Wem das Element also persönlich zu nervig ist, der kann es getrost innerhalb der Partie ignorieren.
Auf der anderen Seite sind aber neue Strategien möglich. Statt die gewohnten Abläufe zu spielen, kann man nun unbekannte Wege gehen. Damit wird perfekt meine Neugier befriedigt. Nicht, dass mir ALTIPLANO bisher das Gefühl gegeben hat, dass ich immer nur noch das Gleiche mache. Aber es waren trotzdem schon bestimmte Strategie-Muster in meinem Kopf. Diese wurden durch den Reisenden nun wieder komplett durcheinander gemischt. Die vielen verschiedenen Errungenschaften öffnen nun ein ganz weites Feld an Möglichkeiten, die ich gerne noch ausführlich erkunden möchte.
Das mich dieses Mehr an Möglichkeiten reizt, liegt auch daran, dass ich wohl ein Mensch bin, der gerne auf gut aussehende Angebote eingeht. Hmmm, da liegt nun ein Glas auf dem Umschlagplatz. Das könnte ich mir doch so en passant mal holen – und schon habe ich meinen ursprünglichen Plan geändert. Der Umschlagplatz ist ohnehin eine feine Sache. Durch diesen kommt man eher an Waren, die im Grundspiel teilweise nur sehr aufwändig zu bekommen sind. Dadurch werden auch die Aufträge attraktiver, weil man nun durch den Reisenden eher fehlende Waren erhalten kann. Insgesamt hat man nun weniger das Gefühl der Abhängigkeit von einzelnen Warensorten.
Fazit: Der Reisende fügt sich nahtlos ins Grundspiel ein – und durchaus aus luftlos, wenn ich mir nun die gefüllte Box so ansehe. Die Erweiterung ist sicherlich kein Muss, sondern nur ein Kann. Sie eröffnet neue Wege, man kann diese aber auch ignorieren. Genau das sollen in meinen Augen auch Erweiterungen leisten. Wenn ein Element davon essentiell wichtig wäre, dann hätte dieses schon ins Grundspiel gehört. So sind die neuen Elemente aber ein Angebot – und auch ein Grund, sich immer mal wieder mit ALTIPLANO zu beschäftigen. Ich würde mir nur noch ein weiteres kleines Kartenpaket mit nicht zu sonnigen Ereignissen wünschen. "Unwetter in ALTIPLANO" wäre dafür doch ein passender Titel...

Titel | Altiplano: Der Reisende |
Autor | Louis und Stefan Malz & Reiner Stockhausen |
Illustrationen | Klemens Franz |
Dauer | 75 – 120 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 5 Spieler |
Zielgruppe | planende Expertenspieler |
Verlag | dlp games |
Jahr | 2018 |
Ich bedanke mich bei dlp games für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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