Beyond the Sun von Dennis K. Chan – erschienen bei Strohmann Games
Die erste Hitzewelle des Jahres rollt an. Da ich persönlich nicht so der Freund von hohen Temperaturen bin, werde ich mir also wieder vermehrt Schattenplätze suchen und die Sonne meiden. Vielleicht verkrieche ich mich aber auch ins abgedunkelte Spielezimmer und erfreue mich an einer Partie BEYOND THE SUN.
Thema... ist klassische Science-Fiction. Im 23. Jahrhundert hat es die Menschheit endlich geschafft, die Erde abzuwirtschaften und begibt sich nun zu fernen Galaxien, um dort neue Planeten zu kolonisieren. Vorher muss aber erst noch Grundlagenforschung betrieben werden, weswegen ein Großteil der zur Verfügung stehenden Ressourcen darauf verwendet wird, zukunftsweisende Technologien zu entwickeln.
Illustrationen… sind von Franz Vohwinkel erschaffen. Dabei kommen seine Arbeiten nur sehr zurückhaltend zum Einsatz. Verspricht das Cover noch Abenteuer in fernen Welten, so erschlägt einen der große Spielplan mit technokratischer Nüchternheit. Aber zum Glück gibt es noch einen kleineren Weltraum-Spielplan und dort entsteht mit den entsprechenden Karten zumindest etwas Sci-Fi-Atmosphäre.
Ausstattung… ist ziemlich üppig und sorgt dafür, dass die verhältnismäßig kompakte Box prall gefüllt ist. Ins Auge fallen zuerst die vielen kleinen bunten Würfel, die mit ihren Aufdrucken an ROLL FOR THE GALAXY erinnern. Allerdings werden diese im Spiel nie geworfen, sondern die unterschiedlichen Würfelseiten dienen der effektiven Verwaltung. Das restliche persönliche Spielmaterial sind runde Holzmarker, ein doppellagiges Fraktionstableau und genau eine Aktionsfigur!
Ansonsten hat man noch einen Haufen Erzkristalle zur Verfügung und – insbesondere beim Aufbau – jede Menge an Karten zu verwalten:
- Technologiekarten, die sich später auf dem Haupt-Spielplan ("Technologieplan") ausbreiten werden
- Ereigniskarten, die zum Einsatz kommen, wenn eine neue Technologie erforscht wurde
- Errungenschaftskarten, die Fortschritte belohnen und das Spielende steuern
- Systemkarten, die zu kolonisierende Planten aufzeigen und die auf dem etwas kleineren Expeditionsplan abgelegt werden
All diese Karten besitzen unterschiedliche Unter-Arten, weswegen man eine gewisse Ordnung einhalten sollte.
Wenn man schon mit BEYOND THE SUN fortgeschritten ist, kann man auch zu den alternativen Fraktionstableaus greifen und das zusätzliche Spielmaterial nutzen, um die Technologieentwicklung weniger zufällig zu gestalten.
Ablauf… zu Spielbeginn muss erst einmal der Expeditionsplan mit Systemkarten und der Technologieplan mit Ereigniskarten bestückt werden. Außerdem werden die Starttechnologien zufällig auf den "Wurzeln" des Technologiebaums verteilt. Von dort aus werden dann verzweigt neue Technologien erforscht, die immer der gleichen Art wie der Vorgängertechnologie angehören müssen (Wissenschaft, Wirtschaft, Militär und Handel).
Dieses "Erforschen" ist eine mögliche Aktion im eigenen Spielzug. Mehr als diese eine Aktion hat man übrigens nicht zur Verfügung, weswegen auch die eine eigene Figur ausreicht. Dieses setzt man am Anfang des Zuges auf ein freies Aktionsfeld, bezahlt die notwendigen Kosten und führt dann die Aktion durch – klassisches Worker Placement. Ist ein Aktionsfeld besetzt, kann man bei den Aktionen der Raumfahrtgrundlagen vielleicht noch ein anderes freies Feld nutzen. Bei den höheren Technologien gibt es meist keine Alternative. Zusätzlich muss man vorher die Technologie-Aktionen überhaupt schon erforscht haben, was durch Ablage der eigenen Würfel an den Technologien angezeigt werden.
Diese Würfel können ohnehin einiges sein: Vorratswürfel auf dem eigenen Tableau, Bevölkerung, die man auf die erforschten Technologien setzt oder Raumschiffe mit vier unterschiedlichen Stärkewerten auf dem Expeditionsplan. Dort springt man von System zu System und kann bei bestimmter vorhandener Stärke Planeten kolonisieren, wofür man Siegpunkte und andere Boni erhält. Sowohl das Springen wie auch das Kolonisieren sind wiederum Aktionen, die man mit der eigenen Figur auf den Raumfahrtgrundlagen oder den Technologien aktivieren muss. Als letzte Aktions-Gruppe gibt es noch den Bau von neuen Raumschiffen.
Am Ende des Zuges produziert man entweder neue Erzkristalle oder erhöht die Bevölkerung, wobei hier bestimmte Spalten auf dem Tableau freigeschaltet werden müssen. Das klingt jetzt komplizierter als es eigentlich ist. Allerdings will ich das nun nicht vertiefen, da ich ohnehin schon viel zu ausführlich den Ablauf beschreibe. Eine Partie BEYOND THE SUN endet, wenn eine bestimmte Anzahl an Errungenschaften beansprucht wurde. Dann gibt es noch eine Menge Punkte für viele verschiedenen Sachen, die zum Glück alle auf der Spielhilfe angegeben sind, so dass man während der Partie sich nochmals vergewissern kann. Und nun ist man glücklich und zufrieden, dass man der Erde entflohen ist.
Das gefällt mir nicht so gut: Na ja, der letzte Satz stimmt nicht wirklich. Denn thematisch wird man von BEYOND THE SUN kaum mitgenommen. Mein Kopf feiert die tolle Verknüpfung der Mechanismen, aber das eigentliche Thema erlebt man nicht wirklich. Das ist in meinem Fall kein Makel, da ich ohnehin Würfelschubser bin und kein echter Science-Fiction-Liebhaber. Aber selbst ich empfinde das Thema als recht trocken. Der Vorteil daran ist: ich kann das Spiel auch den Menschen schmackhaft machen, die um Spiele mit Weltraumthema einen großen Bogen machen. Vielleicht bin ich aber auch nur zu wenig Sci-Fi-begeistert, weil ich mit Begriffen wie Engstrahl-Laser und Tarnkappen-Terraformer zu wenig anfangen kann und mich die Ereignisse auch nicht wirklich abgeholt haben. Ich hatte zumindest immer das Gefühl, dass der theoretische thematische Unterbau stimmig ist.
Als "trocken" wird auch die grafische Gestaltung wahrgenommen. Das liegt auf der Hand, denn BEYOND THE SUN ist keine äußere Schönheit. Allerdings merkt man recht schnell, dass die vorgenommene Versachlichung deutlich dazu beiträgt, dass man sich auf die wesentlichen Funktionen konzentrieren kann und dabei nicht unnötig durch Schnörkeleien abgelenkt wird. Die vielen Texte bzw. die Symbole auf den einzelnen Karten können somit deutlich einfacher erfasst werden. Allerdings sollte man auch für eine gute Beleuchtung sorgen und bei der Anordnung des Spielplans dafür sorgen, dass Neulinge nicht alles auf dem Kopf präsentiert bekommen. Denn es dauert schon eine gewisse Zeit, bis man sich in die "Sprache" von BEYOND THE SUN hereingefuchst hat.
Das fortgeschrittene Spiel minimiert ein wenig den Zufall, der durch das zufällige Erkunden der Technologien ins Spiel kommt. Mich stört dieser aber wenig, weswegen ich diese Regulierung nicht benötige. Natürlich ist es ärgerlich, wenn diese oder jene erhoffte Technologie einfach nicht auftauchen will. Noch schmerzhafter wird es, wenn diese dann höhnisch lachend am falschen Ende des Tech-Baumes erscheint. Aber das sind dann eben die Widrigkeiten des Lebens und früher oder später werden auch die Grundlagen-Aktionen erweitert, so dass man sich nicht in eine Sackgasse manövrieren kann. Auch der Zufall bei den Planeten-Systemen empfinde ich nicht als gravierend und somit störend. Es muss aber klar sein, dass man BEYOND THE SUN nicht zu verkopft angehen darf – was ein kleiner Widerspruch zur äußeren Aufmachung ist.
Am Ende läuft der gut funktionierende Spannungsbogen auf einen Siegpunkte-Salat hinaus, der sich thematisch ebenfalls nicht so ganz herleiten lässt. Für dieses Spielende wäre übrigens ein kleiner Wertungsblock hilfreich gewesen. Zumindest kann man sich eine entsprechende Vorlage beim Verlag herunter laden.
Das gefällt mir gut: Anfang war ich sehr skeptisch gegenüber BEYOND THE SUN. Science-Fiction ist nicht unbedingt mein Lieblingsthema und auch die Optik hat mich eher auf Abstand gehalten. Allerdings mehrten sich im Umfeld die positiven Stimmen, so dass ich fortlaufend neugieriger wurde. Schließlich gab ich mir einen Ruck und wagte mich an eine Partie – und war fortan Feuer und Flamme für dieses Spiel!
Auf der einen Seite spricht mich die klare Struktur des reinen Worker-Placement an: ich setze meine eine Figur ein, führe die Aktion aus und weiter geht es. Das ist vom Ablauf her simpel, aber durch die vielen Möglichkeiten und Verzweigungen alles andere als banal. Auf der anderen Seite begeistert mich die hohe Variabilität. Es wird wohl kaum eine Partie geben, bei der sich die Technikbäume gleichen werden. Hinzu kommen dann noch die verschiedenen Ereignisse und zu entdeckenden Planeten. Die einzelnen Partien fühlen sich zwar ähnlich an, aber man steht jedes Mal vor neuen Herausforderungen und es entwickeln sich neue Situationen.
Dabei ist der Technikbaum das Herzstück von BEYOND THE SUN. Wahrscheinlich habe ich als Technik-affiner Mensch dazu eher Berührungspunkte als andere. Ich nehme diesen zwar durchaus auch als spröde und wenig narrativ wahr, aber die damit verbundenen Möglichkeiten faszinieren mich auch. Zumal sich dieser Technikbaum auch erst während einer Partie entwickelt – aktiv entwickelt! Ich kann geschickt die Möglichkeiten vorgeben, die damit zur Verfügung gestellt werden. Wenn ich meine Strategie auf Kolonisierung ausgelegt habe, dann werde ich vornehmlich die Technologien ins Spiel bringen, die mir dabei helfen. Allerdings machen das meine Mitspielenden auch und so entsteht wunderbar eine indirekte Interaktion. Die übrigens auch ganz direkt wird, wenn mir dauernd die Felder blockiert werden, die ich eigentlich besetzen wollte.
BEYOND THE SUN tariert dabei sehr gut mit der Personenanzahl. Für die unterschiedlichen Zusammensetzungen gibt es Anpassungen beim Expeditionsplan und auch bei den Aktionen der Raumfahrtgrundlagen. So ist sicher gestellt, dass man sich während der Partie gefälligst in die Quere kommt. Das ist wichtig für das spezielle Spielgefühl, denn man soll schon die Konkurrenz um die wenigen Plätze spüren. Dabei ist die Mehrheitenwertung bei den Planetensystemen glücklicherweise nicht all zu strafend. Man ärgert sich ein wenig, dass man die Mehrheit verloren hat, aber zumindest sind die Raumschiffe noch einsatzfähig und werden nicht wieder auf das Tableau verbannt. Somit ist BEYOND THE SUN zwar durchaus ein wenig konfrontativ, ohne aber dabei all zu aggressives Verhalten auf dem Plan zu fördern. Zusätzlich kann man auch versuchen, sich völlig frei vom Expeditionsplan zu machen und sich auf andere Aspekte des Spiel zu konzentrieren – was mal mehr und mal weniger gut gelingen wird. Denn dies ist durchaus abhängig von den Spielweisen der Anderen und auch von den zufällig bestimmten Errungenschaften.
Abschließend möchte ich nochmals das Material loben, für das man allerdings auch eine große Ablagefläche benötigt. Die kleinen Würfel zur Verwaltung sind genial, weil mit wenig Aufwand die einzelnen Evolutionsschritte gut nachvollziehbar werden. Die doppellagigen Tableaus sind sehr hilfreich, weil dort dann nichts aus Versehen verrutschen kann. Zusätzlich gibt das Tableau und auch die Spielhilfe immer wieder hilfreich Hinweise zum Spiel. Für das fortgeschrittene Spiel werden sogar noch veränderte Tableaus angeboten, die asymmetrische Voraussetzungen bieten – wieder einmal wird somit an der Variabilitätsschraube gedreht. Auch die Anleitung möchte ich loben. Diese weist einen guten Aufbau auf, erklärt alles zur passenden Zeit und hat auch die richtigen Beispiele parat. Zudem empfinde ich die Übersetzung als gelungen. Ich habe zwar keinen direkten Vergleich zum englischen Original, aber zumindest wurde ich nicht von bizarren Wortkreationen belästigt, die ansonsten gerne mal in Spielen mit Science-Fiction Thema vorkommen. All das wird erfreulich kompakt in einer Box von überschaubarer Größe angeboten, deren Restluftwert wahrscheinlich nur noch von CLANS OF CALADONIA unterschritten wird.
Fazit: Ähnlich wie bei KHÔRA war BEYOND THE SUN keine Liebe auf den ersten Blick. Zu spröde sah mir das alles aus. Dabei habe ich aber die inneren Werte übersehen – und die konnten mich vollauf überzeugen. BEYOND THE SUN ist herausfordernd, ohne dabei zu kompliziert zu sein. Die einzelnen Aktionen sind klar zu fassen, trotzdem hat man viele Möglichkeiten, etwas Neues auszuprobieren und neue Pfade zu entdecken. Zudem sorgt die hohe Variabilität immer wieder für spannende Partien, bei denen auch die Interaktion nicht zu kurz kommt. BEYOND THE SUN ist also überhaupt nicht so fad und trocken, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.
Titel | Beyond the Sun |
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Autor | Dennis K. Chan |
Illustrationen | Franz Vohwinkel |
Dauer | 30 Minuten pro Person |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | Technikbäume liebende Kennerspielrunden |
Verlag | Strohmann Games |
Jahr | 2021 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein vergünstigtes Kaufexemplare zur Verfügung gestellt |
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