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kritisch gespielt: Cartaventura

Cartaventura Vinland & Lhasa von Thomas Dupont und Arnaud Ladagnous – erschienen im KOSMOS Verlag

Cartaventura - Boxen
Bil­der: KOSMOS Verlag

CARTAVENTURA klingt zwar ein wenig wie Fuer­te­ven­tura, aber anstatt ganz­jäh­ri­ger kana­ri­scher Tem­pe­ra­tu­ren müs­sen wir uns in bei­den Aben­teu­ern mit Eis und Schnee aus­ein­an­der set­zen. Das liegt aber auch an mei­ner beson­de­ren Aus­wahl, bei der ich den drit­ten Teil der Rei­he, OKLAHOMA, geflis­sent­lich ignoriere.

The­men... einer­seits besu­chen wir auf den Spu­ren von Erik dem Roten deut­lich vor Colum­bus Ame­ri­ka, ande­rer­seits bege­ben wir uns auf die Suche nach der Jour­na­lis­tin Alex­an­dra David-Néel in Asien. 

Illus­tra­tio­nen… wur­den beein­dru­ckend von Guil­laume Ber­non und Jean­ne Land­art gestal­tet. Ich habe zwar auf­ge­schnappt, dass sich der Palast in Lha­sa in Natu­ra nicht ganz so impo­sant von der Stadt erhebt, aber da mir das Wis­sen um solch genau­en geo­gra­fi­schen Ver­hält­nis­se fehlt, kann ich pro­blem­los die Schön­heit der Illus­tra­tio­nen bewun­dern. Nicht ganz so glück­lich bin ich mit wei­ßer Schrift auf sehr hel­lem Hin­ter­grund. Aber die­se Unart trat zum Glück nur ver­ein­zelt auf.

Cartaventura - Nummerierung
da ich nicht zu viel zei­gen will, nur die ers­ten 10 Num­mern des Stapels

Aus­stat­tung… besteht jeweils aus num­me­rier­ten 70 Kar­ten und einem his­to­ri­schen Begleit­heft. Die "Anlei­tung" ver­steckt sich dabei auf den ers­ten zwei Kar­ten, so dass man sofort nach Öff­nen der Box los­le­gen kann. Die Kar­ten unter­tei­len sich in Land­kar­ten, Akti­ons­kar­ten, Sofort-Kar­ten und Objekt-Kar­ten. Zusätz­lich sind auf man­chen Kar­ten klei­ne Schlös­ser und Schlüs­sel zu sehen, die dabei hel­fen, dass Spiel in einem Zwi­schen­zu­stand wie­der ver­nünf­tig in die Box zu packen.

Cartaventura - Colombo
eine Kar­te und ihre anlie­gen­den Möglichkeiten

Ablauf… erin­nert ein wenig an THE 7TH CONTINENT. Die Land­kar­ten wer­den aus­ge­legt und meist mit Akti­ons­kar­ten umge­ben, wäh­rend man die Objek­te am Rand für einen spä­te­ren Gebrauch sam­melt. Wir ent­schei­den uns dann gemein­sam, mit wel­cher Kar­te wir uns näher beschäf­ti­gen wol­len und arbei­ten dann die dor­ti­gen Tex­te ab. Dabei wer­den wir meist auf­ge­for­dert, bestehen­de Kar­ten umzu­dre­hen oder neue über ihre Num­mer ins Spiel zu brin­gen. So erle­ben wir nach und nach eine Geschich­te – mit unter­schied­li­chen Enden! Somit erin­nert das auch an die alten Adven­ture-Bücher oder die SPIELE-COMICS, bei denen man sich von Zahl zu Zahl fortbewegt.

Das gefällt mir nicht so gut: Der Ver­lag macht deut­lich, dass man sich weder Noti­zen
machen muss, noch nach ver­steck­ten Ele­men­ten auf den Kar­ten Aus­schau hal­ten soll. Man befolgt schlicht den Anwei­sun­gen der Kar­ten und erlebt dabei eine Geschich­te. Die Ent­schei­dungs­frei­heit liegt also ledig­lich dar­in, in wel­cher Rei­hen­fol­ge wir die ein­zel­nen Ver­satz­stü­cke auf­de­cken. CARTAVENTURA hat dem­nach mehr von einem Buch, bei dem jeg­li­che spie­le­ri­sche Klei­nig­kei­ten feh­len. Es muss nichts gesucht oder gerät­selt wer­den und Ereig­nis­se wer­den nicht durch Wür­fel­wür­fe oder ande­re Zufalls­ele­men­te ver­än­dert. Das ist aber gar nicht mal mein Pro­blem damit. Ich habe nur anfangs etwas ande­res erwar­tet. Der Unter­ti­tel der CAR­TA­VEN­TURA-Rei­he lau­tet "Auf ins Aben­teu­er" und auch das "Aven­tura" im Titel las­sen sol­che erwar­ten. In Wirk­lich­keit bekom­men wir aber nur eine leicht inter­ak­ti­ve Geschich­te erzählt. Aben­teu­er­ge­füh­le kamen bei mir dabei zu kei­ner Zeit auf!

Cartaventura - Geld
immer die­se Pro­ble­me mit dem Geld

Nicht ganz sicher bin ich mir bei der Bewer­tung eines Ele­men­tes in LHASA. Dort sind wir jour­na­lis­tisch auf den Spu­ren von Alex­an­dra David-Néel unter­wegs – und irgend­wie müs­sen wir unse­re Rei­se finan­zie­ren. Dazu lie­fern wir Arti­kel nach Frank­reich und wer­den mit Mün­zen belohnt. Sind die­se dann aber auf Null gesun­ken, endet der aktu­el­le Durch­gang, was gera­de anfangs recht plötz­lich sein kann. Hät­te ich mit die­ser Box ange­fan­gen, wäre ich wahr­schein­lich wenig amü­siert dar­über gewe­sen und hät­te mich über die uner­war­te­ten Knüp­pel zwi­schen den Bei­nen auf­ge­regt. Denn das Gan­ze fühl­te sich etwas will­kür­lich bzw. gezwun­gen an. Auf­grund der Erfah­run­gen mit VINLAND habe ich mich aber nicht davon ent­mu­ti­gen las­sen. Mit ein wenig Abstand sehe ich das auch nicht mehr ganz so kri­tisch, zumal sich die­se The­ma­tik am Ende auch auf­löst. Mitt­ler­wei­le ord­ne ich das eher als das Nach­spie­len von lebens­ech­ten Erfah­run­gen ein. Es gibt nun ein­mal nicht nur Sonnentage.

Bei VINLAND wur­de auf das Geld ver­zich­tet, dafür beglei­ten uns dann drei Gott­hei­ten. Damit bekommt die Geschich­te einen Schwenk ins Phan­tas­ti­sche, was mei­ner Mei­nung nach gar nicht hät­te sein müs­sen. Auch eine beson­de­re Begeg­nung mit Frey­dís Eiríks­dót­tir ließ mich etwas irri­tiert zurück, bis ich dank Wiki­pe­dia den Zusam­men­hang ver­stan­den habe. Im direk­ten Ver­gleich hat mir die­se Box auf­grund der phan­tas­ti­schen Ele­men­te und der etwas weni­ger inten­si­ven Stim­mung schlech­ter gefal­len als LHASA.

Cartaventura - Götter
ohne Gott­hei­ten wäre es auch gegangen

Unab­hän­gig von der Fra­ge, ob CARTAVENTURA nun eher Solo-Spiel oder Pär­chen-Spiel ist: die auf der Box ange­ge­ben 6 Per­so­nen kann ich nicht nach­voll­zie­hen. Denn für so eine gro­ße Per­so­nen­an­zahl ist das Mate­ri­al zu klein­tei­lig. Man kann das auch nicht ein­fach mal in die Hand neh­men und wei­ter­rei­chen. Nein, man sitzt vor den Kar­ten und ver­sucht klei­ne Tex­te zu ent­zif­fern. Ist man nicht allei­ne, wird eine Per­son mit dem Vor­le­sen beauf­tragt und dann kann man sich ger­ne auch bera­ten, in wel­che Rich­tung es gehen soll – auch wenn das in gewis­ser Wei­se witz­los ist, weil man spä­ter ohne­hin auch die ande­re Rich­tung gehen wird, will man doch alle Enden der ver­zweig­ten Geschich­te erle­ben. Aber mit mehr Per­so­nen ent­steht kei­ne ech­te Grup­pen­dy­na­mik. Viel­mehr kon­zen­triert sich die Hand­ha­bung auf eins-zwei Per­so­nen und der Rest sitzt eher teil­nah­me­los dabei.

Cartaventura - Hintergrundwissen
fun­dier­tes Wis­sen als Background

Das gefällt mir gut: Bei­de gespiel­ten Geschich­ten von CARTAVENTURA beloh­nen mit einer beson­de­ren Stim­mung. Die Tona­li­tät der Geschich­te zog mich in das Gesche­hen hin­ein, so dass ich mir per­ma­nent Gedan­ken dar­über mach­te, wie das damals wohl so war. Die gro­ße Stär­ke von CARTAVENTURA ist somit die Ernst­haf­tig­keit, mit der die The­men behan­delt wer­den. Das drückt sich auch in den bei­lie­gen­den his­to­ri­schen Abris­sen aus. Die­se soll­te man im Vor­feld des Spiels lesen, weil sich dann die ein­zel­nen Hand­lungs­strän­ge deut­li­cher erklären.

CARTAVENTURA ist somit eher his­to­ri­scher Ver­mitt­ler als Erzäh­ler von Aben­teu­ern. Dabei wird das Medi­um gut und auch sin­nig genutzt. Durch die umzu­dre­hen­den Kar­ten kön­nen neue Situa­tio­nen bild­lich erfahr­bar gemacht wer­den. Ein Buch müss­te nun umständ­lich die Ände­rung beschrei­ben. Bei CARTAVENTURA dre­he ich die Kar­te um und sehe sofort, was sich ver­än­dert hat. Auch das Spei­cher-Sys­tem funk­tio­niert gut, so dass man auch Pau­sen ein­le­gen kann und dann wie­der gut an den wich­ti­gen Stel­len anknüp­fen kann. Man ist somit auch nicht gezwun­gen, die Geschich­te immer wie­der neu zu begin­nen, um die unter­schied­li­chen Enden zu erle­ben – und das will man! Denn es gibt schließ­lich nicht die eine Lösung, weil CARTAVENTURA ist kein Rät­sel. Wir wer­den neu­gie­rig auf unter­schied­li­che Hand­lungs­strän­ge gemacht und man muss schon sehr von dem Sys­tem genervt sein, wenn man nicht die unter­schied­li­chen Alter­na­ti­ven erkun­den will.

Cartaventura - Island
Was wir wohl in Island erleben?

Fazit: CARTAVENTURA ver­mit­telt Geschich­te und schafft dabei eine beson­de­re Stim­mung. Weil auf eigent­li­che Aben­teu­er ver­zich­tet wird, ist der Titel viel­leicht irre­füh­rend und kann für Ent­täu­schun­gen sor­gen. Dabei lohnt es sich, sich auf die Geschich­ten ein­zu­las­sen – am bes­ten dann aber im Solo-Spiel oder als Kleingruppe.

TitelCar­ta­ven­tura
AutorenTho­mas Dupont und Arnaud Ladagnous
Illus­tra­tio­nenGuil­laume Ber­non und Jean­ne Landart 
Dau­er60 bis 90 Minu­ten Gesamtzeit
Per­so­nen­an­zahl1 bis 2 (offi­zi­ell bis 6) Personen
Ziel­grup­peGeschich­te erle­ben­de Familienspielrunden
Ver­lagKOSMOS
Jahr2022
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­den vom Ver­lag
Rezen­si­ons­exem­pla­re zur Ver­fü­gung gestellt

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