Cascadia von Randy Flynn – erschienen im KOSMOS Verlag
Als ich damals nur den Titel von CASCADIA gelesen habe, erwartete ich ein Spiel, bei dem man einen Wassertropfen durch einen Wasserfall bewegen muss. Also so ein klein wenig etwas wie WASSERKRAFT. Doch weit gefehlt, denn wieder einmal zeigte sich nur eine meiner vielen Bildungslücken. CASCADIA beschreibt die gleichnamige Landschaft im Nordwesten Nordamerikas. Der Untertitel der deutschen Ausgabe, "Im Herzen der Natur", hätte mich als Hesse gedanklich dann übrigens eher in eine Brauerei geführt.
Thema... wir erforschen Stück für Stück Kaskadien. Dabei bilden sich unterschiedliche Landschaften, die wiederum von unterschiedlichen Tierarten besiedelt werden. Diese haben alle ihre Eigenarten und besonderen Bedürfnisse, welche wir im Blick haben sollten, wollen wir am Ende die höchste Siegpunktanzahl erreichen.
Illustrationen… wurden sehr liebevoll von Beth Sobel erstellt. Diese scheint mittlerweile die Expertin für Tierdarstellungen in der Branche zu sein – zurecht! Denn wieder einmal sind die Illustrationen umwerfend schön.
Ausstattung… kann mit der hohen Qualität der grafischen Gestaltung mithalten. Die vielen Landschaftsplättchen sind aus solider Pappe. Die Tierplättchen sind dahingegen aus Holz, wobei auf einer Seite sogar das entsprechende Tier abgebildet ist. Wir Würfelschubser hätten das zwar auch richtig abstrahieren können, aber so ist es natürlich viel schöner. Um diese Tierscheiben formschön verstauen und im Spiel ziehen zu können, ist dankenswerterweise an einen Stoffbeutel gedacht worden. Dann sind noch unterschiedliche Wertungskarten in der Box sowie fünf Start-Habitate – und Tannenzapfen als besondere Art der Währung.
Ablauf… nach und nach nimmt man sich aus der offenen Auslage eine Kombination aus einem Landschaftsplättchen und einer Tierscheibe. Diese Kombinationen werden zufällig bestimmt, sind dann aber fest einander zugeordnet. Gegen Abgabe eines eigenen Tannenzapfens kann man aber auch die Kombination aufbrechen und ein beliebiges Plättchen mit einer Tierscheibe zu sich nehmen.
Das so erhaltene Landschaftsplättchen legt man an die eigenen Gefilde an, die Tierscheibe kann man auf eine beliebiges freies Landschaftsplättchen legen, sofern dieses dazu geeignet ist und das entsprechend Tier darauf zu sehen ist.
Das alles macht für die finale Wertung nach 20 solcher Runden. Dann erhält man Punkte für große gleiche Landschaften (auch im Vergleich zu den anderen Personen) und Punkte für die einzelnen Tierarten. Wie diese Tierpunkte vergeben werden, ist abhängig davon, welche Wertungskarten im Spiel sind. Mit Neulingen kann man aber auf diese Tier-Spezifizierungen verzichten.
Das gefällt mir nicht so gut: Die unterschiedlichen Wertungen der Tiere sind durchaus eine Hürde. Weniger deswegen, weil die Texte auf den Karten gerne etwas ausführlicher hätten sein dürfen. Dafür gibt es die genauen Erklärungen inklusive Beispiele in der Anleitung. Aber leider werden Begriffe nicht durchgehend gleich benutzt. Mal ist ein Paar genau das: ein Paar aus zwei Tieren. Bei einer anderen Wertung wiederum ist ein Paar aber eine Gruppe, von mindestens zwei Tieren dieser Art – es können aber auch mehr als zwei sein. Das ist unglücklich, weil somit die Eindeutigkeit fehlt. Auch die ein oder andere Regelpassage hätte gerne noch prominenter ins Auge springen dürfen.
Wenn direkte Interaktion gewünscht ist, dann sollte man CASCADIA meiden. In diesem Spiel bosseln alle vor sich hin. Natürlich schaut man mal nach links oder rechts. Was werden dort für Tiere benötigt? Wie sehen die Mehrheiten bei den Landschaften aus? Aber wirklich etwas beeinflussen kann man nicht. So ist man auch nicht zu wenig dem Pech oder Glück beim Nachziehen der neuen Tiere oder Landschaften ausgesetzt. Harmoniebedürftige Gruppen werden das als Pluspunkt abspeichern. Ich selbst mag es allerdings gerne etwas konfrontativer, weshalb ich bspw. immer noch das ursprüngliche AZUL allen folgenden Versionen vorziehe. Ich hätte es somit durchaus etwas spaßiger gefunden, wenn mein Braunbär fremde Lachse essen würde.
CASCADIA ist ein mehr als grundsolides Spiel. Es sieht toll aus, es sind interessante Entscheidungen zu treffen, alles ist gut austariert und es steckt viel Liebe in diesem Gesamtpaket. Jetzt kommt allerdings das erwartete Aber: CASCADIA emotionalisiert mich nicht. Ich spiele das gerne mit, aber mir fehlt etwas das Besondere, das Einzigartige. Das ist überhaupt kein Vorwurf an die Beteiligten, denn das Produkt ist angenehm rund. Mir persönlich fehlt nur eine Prise Esprit. Alle Partien fühlen sich irgendwie gleich an, wenn man nicht mit den speziellen Herausforderungen spielt. Das muss per se auch gar nicht schlimm sein, schließlich habe ich genügend andere Spiele und bin nicht gezwungen, jeden Abend CASCADIA spielen zu müssen. Auch gibt es z.B. genügend Menschen, die immer wieder gerne zu bekannten Orte in den Urlaub fahren und genau damit sehr zufrieden sind. Aber ein wenig mehr Spannung und Aha-Erlebnisse würde ich mir dann manchmal doch gern bei CASCADIA wünschen. Außerdem kann es passieren, dass die letzten Kombinationen wenig ertragreich sind, was sich dann unbefriedigend anfühlt.
Das gefällt mir gut: Ich habe es eben schon angesprochen: man erkennt die Liebe zum Detail! So sind die Wertungen für die Tiere bspw. nicht grundlos genau so gewählt worden. Denn diese haben immer einen Bezug zu den tatsächlichen Vorlieben in der freien Natur. Auch die Ausstattung und die Gestaltung sind eine Augenweide. Man hat zu jeder Zeit das Gefühl, dass hier ein Herzensprojekt vorliegt. Das finde ich durchaus erwähnenswert. Ich möchte damit nicht behaupten, dass andere Spiele mit weniger Herz und Leidenschaft produziert werden, aber bei CASCADIA fühlte ich mich diesbezüglich mehr mitgenommen, als beim drölften Mittelalter-Ressourcen-Umtauschspiel.
Ich habe oben ein wenig durchblicken lassen, dass mir teilweise die Abwechslung fehlt. Das muss ich allerdings einschränken. Denn um genau dieses Gefühl nicht aufkommen zu lassen, gibt es in der Anleitung den umfangreichen Teil mit den Herausforderungen. Dort werden dann einzelne Szenarien vorgegeben und man muss bspw. mit den Bussarden eine gewisse Punktanzahl erreichen. Diese Herausforderungen ziehen recht schnell merklich an und sind hochinteressant für das Solo-Spiel, was übrigens sehr gut funktioniert. In größeren Gruppen ist das Konzept allerdings etwas durchwachsen, weil man dann noch mehr vom Zufall beim Nachziehen abhängig wird. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass sich bspw. ein gern spielenden Pärchen mit großer Freude gemeinsam diesen Herausforderungen stellt.
Diese Herausforderungen sind auch deswegen interessant, weil sie deutlich die unterschiedlichen Wege zu Punkten aufzeigen. Anfangs hat man so seine Lieblingstiere und lässt die anderen gerne mal links liegen. Das ergibt auch Sinn, denn viel hilf bei CASCADIA nicht unbedingt viel. Will heißen, dass man sich schon auf wenige Tierarten konzentrieren und diese dafür zu Höchstpunkten führen sollte. So machte ich anfangs immer einen großen Bogen um die Füchse – und war damit nicht alleine. Wenn aber kaum jemand auf Füchse spielt und sich alle nur um Bären oder Bussarde balgen, dann gehen damit Türen auf, die man nutzen kann. Mir haben diese Herausforderungen jedenfalls geholfen, die einzelnen Potenziale der Tierarten deutlicher zu erkennen.
An CASCADIA mag ich trotz aller durchzudenkenden Kniffe diese gewisse Entspanntheit. Die kommt wahrscheinlich auch durch das überzeugend transportierte Thema zustande. Schon bei MEADOW fiel mir auf, dass ich bei Spielen mit Natur-Themen deutlich weniger erfolgsorientiert unterwegs bin. Mir reicht es gerade nach einem anstrengenden Tag aus, mich um meine Lachsketten und Hirsch-Herden zu kümmern. Dann lasse ich mich überraschen, was am Ende dabei heraus kommt. Aber auch aufgrund des Themas kümmere ich mich wenig um den Wettbewerb. Das wäre vielleicht anders, wenn die Spielmechanik mit einem anderen thematischen Hintergrund verknüpft wäre.
Fazit: CASCADIA ist für mich ein Wohlfühlspiel. Das packe ich gerne aus, um mich gut unterhalten zu lassen. Dann genieße ich die Optik, die Ausstattung und die leichte geistige Herausforderung. Allerdings emotionalisiert es mich nicht derart, dass ich jetzt nur noch dieses Spiel auf den Tisch bringen oder unbedingt sofort eine Revanche erleben will. Doch sind wir ehrlich, solche Spiele sind selten und da ist es keine Schande, dass CASCADIA nicht dazu gehört.
Titel | Cascadia |
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Autor | Randy Flynn |
Illustrationen | Beth Sobel |
Dauer | 30 bis 45 Minuten |
Personenanzahl | 1 bis 4 Personen |
Zielgruppe | entspannte Familienspielrunden |
Verlag | KOSMOS |
Jahr | 2022 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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