Crossing Oceans von Mac Gerdts – erschienen im PD-Verlag
Ich habe lange überlegt, ob ich CROSSING OCEANS nun das Label frisch gestrichen verpasse oder nicht. Verlag und Autor sprechen nämlich bewusst nicht von "TRANSATLANTIC 2.0". Bis auf das Thema und die Illustrationen haben beide Spiele wenig miteinander gemeinsam und so müsste ich das Spiel konsequenterweise also eher "alt gestrichen" benennen. Aber so ein inhaltlich neuer Anstrich ist sicherlich die größere Leistung, weswegen ich das Spiel dann doch auch in dieser Kategorie aufführen möchte.
Thema... weiterhin spielen wir die Geschichte der großen Ozean-Pötte aus der Sicht einer Reederei nach. Wir investieren unser Geld in neue Schiffe, schicken aber auch unsere alten gerne mal in ferne Ozeane. Denn auch wenn diese Schiffe keine Chance mehr auf das prestigeträchtige Blaue Band haben, können sie dort noch zuverlässig ihren Dienst verrichten. Ohne Kohle geht da wenig – sowohl im übertragenen Sinne als auch ganz praktisch.
Illustrationen... sind von Dominik Mayer. War TRANSATLANTIC noch sein Erstlingswerk in der Brettspielbranche, so ist er mittlerweile eine etablierte Größe. Und das völlig zurecht! Bei CROSSING OCEANS dürfen wir jedenfalls wieder seine tollen Schiffs-Illustrationen genießen. Dieses Mal ist aber glücklicherweise auch die Symbolsprache auf vergleichbaren Niveau.
Ausstattung... hat nun also im Gegensatz zu TRANSATLANTIC einen Spielplan zu bieten. Dieser zeigt als Karte die Kontinente und Weltmeere und ist auch noch doppelseitig bedruckt. Allerdings findet lediglich eine optische Veränderung statt – die Funktionsweise beider Seiten ist die gleiche. Wenn CROSSING OCEANS nicht in Vollbesetzung gespielt wird, dann werden je nach Personenanzahl manche Ozeane abgedeckt, so dass diese für den Spielverlauf gesperrt sind. Zusätzlich bietet der Spielplan auch Platz für das mechanische Herzstück. Denn in der unteren rechten Ecke finden wir wieder einen alten Bekannten: das Gerdt'sche Rondell, welches wir schon aus verschiedenen Spielen wir NAVEGADOR, IMPERIAL oder HAMBURGUM kennen.
Ansonsten dürfen wir wieder die bekannte PD-Qualität genießen: griffige Holzteile, viele unterschiedliche Pappmarker und selbst die Schiffe kommen nun nicht als Karten sondern als Pappplättchen daher. Mit den Geldscheinen kann ich auch leben, auch wenn diese in der Szene eher unbeliebt sind. Zusätzlich erhalten alle Mitspielende noch ein eigenes Tableau, auf denen sich im Spielverlauf verschiedene Marker für die finale Abrechnung sammeln.
Ablauf... auf dem Rondell sind verschiedene Aktionsmöglichkeiten beheimatet. Bevor ich aber eine solche Möglichkeit auswähle, kann ich ein vor mir liegendes Schiff auf dem Spielplan einsetzen. Alternativ nehme ich mir stattdessen einen Kontrakt. Diesen kann ich nun gegen Geld, Kohleladungen auf den Schiffen oder Handelsstationen tauschen – oder aber ich kann mir ohne Begrenzung ein Feld auf dem Rondell für die nachfolgende Aktion aussuchen. Gebe ich keinen Kontrakt aus, laufe ich von meiner aktuellen Rondell-Position ein bis drei Schritte und führe die dortige Aktion durch. Im Angebot stehen dabei grob zusammengefasst: Geld verdienen, Geld für neue Schiffe ausgeben, Handelsposten setzen, Kohle auf die Schiffe verteilen und wenn möglich noch ein Blaues Band beanspruchen.
Dabei gibt es ein paar Besonderheiten zu beachten, auf die ich nicht alle eingehen möchte. Aber nur soviel: damit ein eingesetztes Schiff Einkommen generieren kann, muss es fahrbereit sein und Kohle an Bord haben. Vorher muss ich aber die Schiffe erst einmal in den Ozeanen platzieren, wozu sie jünger als das dort anwesende ältestes Schiff sein muss – was sinnigerweise immer durch eine rote Laterne symbolisiert wird. Auch der Schiffsmarkt ist recht dynamisch. Ältere Schiffe werden regelmäßig erst auf die Docks und dann ganz aus der Auswahl heraus gedrängt.
Am Ende erhalte ich Punkte für meine gebauten Handelshäuser und für meine auf dem Plan befindlichen Schiffe. Den Großteil der Punkte erhalte ich aber durch die Multiplikation meiner Fahnen mit den zugehörigen Markern auf meinem Tableau. Die Fahnen bekomme ich beim Kauf der Schiffe, die Marker durch das Blaue Band, gebaute Kohlebunker bzw. durch errichtete Handelsposten.
Das gefällt mir nicht so gut: Die Dauer einer Partie wird über den Schiffsmarkt gesteuert. Egal wie viele Schiffe letztlich gekauft werden, es rücken immer drei neue Schiffe nach und verdrängen oftmals bestehende Angebote. Somit kann das Tempo von CROSSING OCEANS aktiv beeinflusst werden. Drücken dabei zu viele auf das Gaspedal, geht mir allerdings etwas der reizvolle Wechsel zwischen Einkommen generieren und Flotte verbessern verloren und alles fühlt sich hektisch an. Ein wenig kann man das vielleicht mit GREAT WESTERN TRAIL vergleichen, wenn alle nur über den Spielplan huschen und so schnell wie möglich die Rinder abtransportieren. Das ist ein regelgerechtes Mittel, aber mir persönlich fehlt dann etwas die Ausgewogenheit und statt thematisch zu spielen, geht es nur noch um ein aberwitziges Siegpunktrennen. Natürlich ist das in erster Linie ein Problem mit den Mitspielenden und nicht des Spiels, andererseits wird dieses Verhalten durch das Spielsystem ermöglicht. Dabei ist übrigens gar nicht mal sicher, dass schnelles Spielen mit einem Sieg belohnt wird. Das kommt immer ein wenig darauf an, in welcher Reihenfolge die neuen Schiffe nachkommen und wie die anderen spielen. Es ist nur irgendwie frustrierend, wenn sich der Schiffsmarkt so schnell ändert, dass man nicht das Gefühl hat, bremsend eingreifen zu können.
Nicht ganz glücklich bin ich mit dem Detail, dass ich mir nur durch Zahlen eines Kontraktes die Position auf dem Rondell aussuchen kann. Da ich in jeder Runde einen Kontrakt erhalte, wenn ich auf das Einsetzen eines Schiffes verzichte, kann ich theoretisch in jeder Runde auf meine Wunschaktion ziehen. Mir ist bewusst, dass das nicht effizient wäre und die Aktionen auf dem Rondell so angeordnet sind, dass man recht gut in einen Flow kommen kann. Aber gegen Ende des Spiels kann es dann doch zu komisch anmutenden Sprüngen kommen. Vielleicht aus der Macht der Gewohnheit würden mir schrittweise Kosten besser gefallen.
Das größte Problem von CROSSING OCEAN ist jedoch, dass sich alles recht repetitiv anfühlt. Man macht gefühlt immer das Gleiche. Okay, die Schiffe werden teurer, aber dafür erhöhen sich auch meine Einnahmen. Ich ärgere mich vielleicht, dass dort schon ein Handelshaus steht, aber dann zahle ich halt ein wenig mehr bei der Errichtung meines Hauses. Im Endeffekt wird sich nur darauf fokussiert, wann welches Schiff in den Markt kommt. Der Rest ist viel Materialverwaltung und das Abarbeiten von Wirtschafts-Schleifen. Entsprechend gleich fühlen sich auch die einzelnen Partien an. Natürlich kann man ein wenig die eigene Spielweise an die unterschiedlichen Besonderheiten ausrichten. Aber das sind Nuancen, grundsätzlich spiele ich immer im gleichen Takt. Die Entschlackung von TRANSATLANTIC geht somit ein wenig auf Kosten der Vielfältigkeit. Es fehlt ein wenig die Freiheit, etwas ganz anderes zu machen oder sich auf besondere Aspekte zu fokussieren. Somit ist CROSSING OCEANS einerseits gefälliger und deutlich zugänglicher, aber andererseits fehlt der Glaube, neue Spielsituationen zu erleben.
Das gefällt mir gut: CROSSING OCEANS ist erfreulich interaktiv. Das beginnt beim Gerangel um die Schiffe auf dem Markt und endet beim Verdrängungswettbewerb auf den Ozeanen. In Kennenlern-Partien wird vor allem um das Blaue Band gerangelt. Mit etwas Spielerfahrung erkennt man dann auch die Alternativen. Doch egal, ob man nun auf blaue, schwarze oder rote Schiffe schielt – man sollte immer die Mitspielenden im Blick haben und versuchen deren Schritte vorauszuahnen. Kaufen diese gleich Schiffe ein und welche? Wird gleich eine Region aktiviert und sollte ich deswegen besser noch mein Schiff dort mit Kohle versorgen? Und wo besteht die Gefahr, dass ich aus einem Ozean herausgedrängt werde? Wenn ich nur alleine vor mich hinspiele und nicht nach rechts und links blicke, werde ich recht sicher nicht am Ende triumphieren können. Wenn dies das Ziel ist, ist es deutlich sinniger, gegen den Gruppentrend zu spielen. Stürzen sich alle auf das Blaue Band, dann sollte ich vielleicht viele Handelsposten in den anderen Gewässern errichten und lieber langsame aber billigere Schiffe kaufen.
Vom Kern her ist CROSSING OCEANS ein trockenes Wirtschaftsspiel. Ich versuche lohnende Investitionen zu tätigen: Schiffe günstig einzukaufen, sie für mich arbeiten zu lassen, damit ich dann wieder neue Schiffe kaufen kann. Der Wirtschaftskreislauf muss ins Rollen kommen. Trotzdem empfinde ich das Spiel an vielen Stellen als thematisch. Ich konkurriere um das Blaue Band, ich will zuerst Handelsbeziehungen eröffnen und natürlich sind ältere Schiffe weniger leistungsfähig als die neueren – und weder neue noch alte Schiffe können für mich aktiv sein, wenn sie nicht mit ausreichend Kohle zum Fahren bestückt sind. Das ist alles stimmig und viele Aktionen leiten sich nachvollziehbar vom Thema ab, weswegen CROSSING OCEANS auch recht einfach zu erklären ist. Anders als bei TRANSATLANTIC werden mir nun auch die Optionen besser präsentiert und das Spiel verliert sich nicht in unnötige Details.
Habe ich bei TRANSATLANTIC noch die redaktionelle Arbeit für ihre Schlampigkeit kritisiert, kann ich diesbezüglich nur lobende Worte hinterlassen. Die Anleitung ist gut gegliedert und man findet sich auch während einer Partie schnell dort zurecht. Die ausgesonderte Aufbauanleitung ermöglicht es, dass sich jemand um diesen kümmert und eine andere Person noch die ein oder andere Kleinigkeit nachschlägt. Wobei das kaum nötig ist, da für alle auch gute Spielhilfen zur Verfügung stehen. Der grundsätzliche Ablauf findet sich zusätzlich auch auf dem Spielplan und dass die Aktions-Begriffe auf dem Rondell nur auf englisch beschriftet sind stellt nun wirklich kein Problem dar. Zusätzlich gibt es weiter das Bonbon, dass ein beiliegendes Heft ausführlich über die im Spiel auftretenden Schiffe informiert. Wer übrigens schon TRANSATLANTIC sein eigen nennt, kann auch nur ein Upgrade-Set erstehen und aus der ursprünglichen Box das Holzmaterial und die Geldscheine benutzen. Dieses Angebot finde ich absolut lobenswert!
Fazit: CROSSING OCEANS wird bei mir nicht zum Dauerbrenner werden. Zu sehr ähneln sich die einzelnen Partien. In mir fehlt der Drang, sofort eine neue Partie anschließen zu lassen, weil diese dann bestimmt ähnlich verlaufen würde. Aber CROSSING OCEANS wird eine Alternativ sein, wenn ich ein schnelles und auch interaktives Kennerspiel auf den Tisch bringen will. Die Gestaltung und das unverbrauchte Thema, das trotz des trockenen Wirtschaftskerns des Spiel zum Tragen kommt, sind Pluspunkte, welche durch das wieder einmal gut funktionierende Rondell abgerundet werden.
Titel | Crossing Oceans |
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Autor | Mac Gerdts |
Illustrationen | Dominik Mayer |
Dauer | 60 bis 90 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | verdrängende Kennerspielrunden |
Verlag | PD-Verlag |
Jahr | 2022 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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