Das Orakel von Delphi von Stefan Feld – erschienen bei H@ll Games
Dies ist ein Update des Ersteindrucks!
Bei den unterhaltsamen Jugendbüchern über Percy Jackson ist das Orakel eine alte vertrocknete Mumie, die mehr oder weniger deutliche Weissagungen von sich gibt. Dies ist ein Beispiel dafür, dass die griechische Mythologie weiterhin Bestandteil unserer Popkultur ist – wenn auch zum Teil stark abgewandelt. Auch die Spielewelt führt uns Spieler immer mal wieder in diese Zeit (jüngste Beispiele sind ELYSIUM oder auch KAMPF UM DEN OLYMP). DAS ORAKEL VON DELPHI ist also in guter Gesellschaft. Und so habe ich das Gefühl, dass mein Sohn mittlerweile eher fünf griechische Götter aufzählen kann als bspw. fünf Bundespräsidenten...
Thema... ist bei Stefan Feld immer so eine Sache, die mir allerdings oftmals zu hoch gehängt wird. Ja, er entwickelt seine Spiele häufig über die Mechanik, worauf dann mehr oder weniger vom Verlag stimmig ein Thema über gestülpt wird. Dieses passt dann meist so gut, dass das Thema nicht negativ auffällt und dass das Spiel bestenfalls über dieses Thema erklärt werden kann. DAS ORAKEL VON DELPHI soll auch schon als Prototyp im antiken Griechenland angesiedelt gewesen sein. So ist das Thema zumindest etwas präsent. Aber ganz ehrlich: vor Thema trieft das Spiel immer noch nicht. Das liegt wohl auch daran, dass noch niemand etwas von einem Wettstreit gehört hat, den Göttervater Zeus ausrief. Demnach stellt dieser 12 Aufgaben, die die Spieler erfüllen müssen, um sich seiner Gunst würdig zu erweisen (sprich: zu gewinnen). Okay, 12 Aufgaben, das klingt nach Herakles. Nur sind diese Aufgaben im Spiel etwas profaner: es müssen Opfergaben und Statuen geliefert sowie Kultstätten errichtet werden. Aber, hey, Monster müssen auch bekämpft werden! Es bleibt aber dabei: Spiele von Stefan Feld bestechen eher durch die Mechanik – und diese ist meist interessant genug, um ein Spiel trotzdem genießen zu können.
Grafik... ist von Dennis Lohausen, den ich mittlerweile zu meinen liebsten Grafikern zähle. Der ein oder andere Spieler wird sich vielleicht schon am Grafikstil satt gesehen haben (wie auch bei Menzel). Ich bin jedoch noch nicht so weit, sondern freue mich immer wieder über sein herausragendes Talent, komplexe Aktionsmöglichkeiten immer wieder kurz und treffend darzustellen. Einmal die Regel gelesen und die ersten Züge gespielt, schon erklärt einem die Grafik den Großteil des Spiels.
Ausstattung... sorgt für eine gut gefüllte Brettspielbox: interessant geformte Seeplatten, viele kleine Holzteile, eine Menge Karten und auch die persönlichen Spieler-Tableaus dürfen nicht fehlen. Der variable Spielplan soll die Ägäis darstellen und wird aus einzelnen Teilen vor jeder Partie individuell zusammengestellt. Darauf zu sehen sind dann ganz viele Sechsecke ("Das ist ja wie SIEDLER! Die Seefahrer, oder?"), wovon die meisten logischerweise Meer darstellen. Dabei fällt einem schon ein Problem auf: die Farben Rot und Rosa lassen sich nur schwer unterscheiden.
Auf den Druckvorlagen sollen die Farben nach Aussage von H@ll Games nicht so nah beieinander gewesen sein – im fertigen Spiel fällt einem bei einem schlecht ausgeleuchteten Tisch die Unterscheidung aber manchmal schwer (andere Farben wie braun oder grau wurden wohl auch getestet, nur gab es damit auch diesbezügliche Probleme). Da diese Gefahr im Voraus bekannt war, ist jeder Farbe auch ein Symbol zugeordnet, was meistens auch gut funktioniert. Aber bei den Inselplättchen können diese Symbole nicht komplett zu Tragen kommen und bei einem schnellen Überblick achtet man auch selten auf die Symbole. Trotzdem sind die Symbole sehr hilfreich – insbesondere bei den Würfeln, weil auch hier die Unterscheidung zwischen Rosa und Rot nicht optimal ist.
Die Spieler-Tableaus weisen noch eine Besonderheit auf: jeder Spieler besitzt ein Schiff mit individuellen Fähigkeiten. Im Spiel sind acht unterschiedliche Schiffplättchen enthalten, die für unterschiedliche Spielweisen sorgen können.
Ablauf... ist im Kern ein Entdeckerspiel als Wettrennen gestaltet. Viele Optionen liegen zwar schon am Anfang offen aus, aber eben nicht alle. So ist klar, welche Opfergaben wo liegen und wohin man diese liefern muss. Bei den Statuen verhält es sich genauso und auch die Monster sind bekannt. Allerdings liegen auch 12 Inselplättchen im Nebel – und darunter sind jeweils die Kultstätten abgebildet, von denen jeder Spieler drei errichten muss. Diese gilt es erst zu entdecken – womit wir schon bei der ersten Glückskomponente wären. Eine zweite Glückskomponente sind die Orakel-Würfel, von denen jeder Spieler drei besitzt. Diese werden am Ende (!) eines Zuges geworfen und geben die Aktionsmöglichkeiten in der nächsten Runde vor (mit diesem redaktionellen Kniff wird übrigens die Phase des Überlegens zwischen den Zügen sehr schön reduziert). Die Aktionsmöglichkeiten sind wieder einmal vielfältig, allerdings auch schnell verinnerlicht (erinnert mich an LUNA von Stefan Feld). Zudem hat man die Chance, mit sogenannten Gunstplättchen den Würfelwert zu modifizieren. Alle Aktionsmöglichkeiten aufzuzeigen, würde den Rahmen sprengen. Ein schönes Detail will ich dennoch beschreiben. Denn alle Spieler können von der Gunst der sechs Götter profitieren. Die Göttermarker steigen im Verlauf der Partie, wenn die Mitspieler am Ende von deren Runde mit deren Würfel die entsprechende Farbe würfeln. Somit sind alle Spieler während der Partie mit eingebunden – und es wird bestimmt nicht vergessen, am Ende der Runde zu würfeln, weil darauf schon die Mitspieler achten!
Ein destruktives Element hat sich Stefan Feld auch wieder einfallen lassen: am Ende der Runde greifen die Titanen mittels Würfelwurf an. Ist der jeweilige Verteidigungswert der Spieler nicht ausreichend hoch, erhalten die Spieler Wundenkarten. Diese Wunden gibt es in den sechs Farben (und können mit einem entsprechenden Orakel-Würfel auch geheilt werden). Hat ein Spieler insgesamt sechs Wunden oder drei einer Farbe, muss er eine Runde aussetzen, um sich wieder von drei Wunden zu heilen. Besitzt ein Spieler zu Beginn seines Zuges jedoch gar keine Wundenkarten, dann erhält er sogar noch eine Belohnung.
Ziel des Spiels ist das schnellste Erfüllen der zwölf für alle Spieler gleichen Aufgaben. Wird eine Aufgabe erfüllt, erhätt man dafür eine Belohnung – diese ist meist wertvoller für die Aufgaben, die schwerer zu erfüllen sind. So winken zum Beispiel demjenigen Spieler, der eine Statue vom Rand des Spielfeld in einer Stadt aufstellt, dauerhafte Begleiter als Hilfe (die bspw. eine Würfelfarbe zu einer universellen Farbe verändern). Auch Monster zu besiegen wird mit dem Erhalt starker Ausrüstungskarten belohnt. Hier kommt eine weitere Glückskomponente ins Spiel. Denn Monster sind im Normalfall nur über einen Kampfwürfel zu besiegen.
Das gefällt mir nicht so gut: Das Material hätte mit der Rosa-Rot-Problematik natürlich eindeutiger sein können. Aber dieser Makel ist jetzt nicht so groß, dass der Spielspaß darunter langfristig leidet. Das ist vergleichbar mir der gelb-grün-Problematik der ersten Auflage von DIE BURGEN VON BURGUND.
Größere Probleme habe ich mit den Göttern. Gegen Ende des Spiels sind die meisten Günste eigentlich wirkungslos. So verpufft dieses schöne Spielelement am Ende nur noch zum reinen Verwaltungsaufwand. Auch manche Ausrüstungskarten sind gegen Spielende ohne große Wirkung – das ist aber ein Grund, die Strategie so zu wählen, dass man hier noch die großen Vorteile nutzen kann.
Über die Stärke der individuellen Schiffe lässt sich natürlich prima streiten (vergleichbar mit den Stärken der Rollen bei AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO). Meistens sind die Verlierer der Meinung, dass sie das schwächere Schiff hatten. Ich finde dieses Element allerdings eher reizvoll. Jedes Schiff hat seine Vorteile und die Kunst besteht natürlich darin, diese optimal zu nutzen.
Das gefällt mir gut: Zugegebenermaßen ist der Glücksanteil recht hoch und kann für Frusterlebnisse sorgen. Da versucht man verzweifelt und unter Einsatz vieler Gunstplättchen ein Monster zu besiegen und ein Mitspieler macht das einfach so en passent durch das Würfeln einer schöden 9. Allerdings weckt so etwas auch Emotionen und gleicht sich meist im Spiel wieder aus. Außerdem ist das Spiel im Kern auch kein Optimierungsspiel sondern eher ein Wettrennen mit Entdeckerkomponente und da darf es meiner Meinung nach auch Glückskomponenten geben.
Zudem ist es nicht so, dass alles über die Würfel bestimmt wird. Ich bin der festen Überzeugung, dass gutes Spielen auch belohnt wird. Große Strategien kann man vielleicht nicht entwickeln, aber alleine schon durch die unterschiedliche Startvoraussetzungen der Spieler werden auch unterschiedliche Strategieansätze gefördert. Zudem gilt es, die Karte genau so lesen. Wo sind welche Opfergaben? Wo sind kurze Strecken für die Statuten? Wo hausen welche Monster? Solche Überlegungen sind wichtig, um seine Aktionen effektiv zu nutzen. Aufgrund der Würfel lebt das Spiel dann aber eher von seinen interessanten taktischen Entscheidungen.
Die Interaktion zwischen den Spielern ist zwar eher indirekter Natur (durch Wegschnappen von Katen, Opfergaben, Statuen, Monstern...), aber sie ist nicht zu unterschätzen. Wem einmal schon ein fest eingeplantes Element vor der Nase weggeschnappt wurde, der wird sich sicherlich nicht über zu wenig Interaktion beschweren. Somit gilt es neben dem Spielplan auch die wahrscheinlichen Aktionen der Mitspieler zu lesen und sich darauf einzustellen.
Mir gefällt noch gut, dass das Spiel unabhängig von der Spieleranzahl zu spielen ist. Das Setting wird der Anzahl angepasst und so verändert sich das Spiel nicht wesentlich durch eine andere Anzahl der Spieler. Vorbildlich gut finde ich übrigens auch die Anleitung.
Fazit: Beim ORAKEL VON DELPHI wird immer gerne darauf herumgeritten, dass das Spiel kein typisches Spiel von Stefan Feld ist, weil keine Siegpunkte im Spiel sind. Doch ich finde es etwas kurzsichtig, Stefan Felds Autorenschaft lediglich darauf zu reduzieren, dass in seinen Spielen viele verschiedene Weg zu Siegpunkten möglich sind. Für mich zeichnet sich Stefan Feld vielmehr dadurch aus, dass in seinen Spielen viele Aktionsmöglichkeiten bestehen, dass gerne auch mal beschränkende Elemente auftreten (bei NOTRE DAME die Ratten, hier sind es Wundkarten) und dass die Spiele taktisch und nicht strategisch geprägt sind. Alle diese Eigenschaften sind hier wieder sehr gut aufbereitet gegeben. Für mich ist deshalb DAS ORAKEL VON DELPHI ein spielerischer Genuss.
Titel | Das Orakel von Delphi |
Autor | Stefan Feld |
Illustrationen | Dennis Lohausen |
Dauer | 60 bis 100 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | Kennerspiel |
Verlag | Pegasus |
Jahr | 2016 |
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