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kritisch gespielt: Das Tiefe Land

Das Tiefe Land von Claudia und Ralf Partenheimer – erschienen bei Feuerland Spiele

Das Tiefe Land - Box
Foto: Feu­er­land Spiele

Ich habe es lei­der immer noch nicht geschafft, mein Top-Lis­te zu Spie­len mit Wet­ter­ein­fluss zu erstel­len. Da waren die MUWINS wie­der ein­mal schnel­ler. Aber die­ses beson­de­re Spie­le-The­ma ist schon eine eige­ne Lis­te wert, da das Wet­ter bekannt­lich gro­ßen Ein­fluss auf die Welt­ge­schich­te hat­te. Da ist es nur logisch, dass es auch in Spie­len Ein­fluss aus­übt. So wie in DAS TIEFE LAND, bei dem die Wel­len mal mehr und mal weni­ger gegen den schüt­zen­den Damm ankämpfen.

The­ma... ist wich­ti­ger als in ande­ren Spie­len, was ich wei­ter unten noch zu erklä­ren ver­su­che. Denn auch wenn der auf­zu­bau­en­de Damm ein ech­ter Hin­gu­cker ist, so sind die Spie­ler kei­ne pas­sio­nier­ten Deich­bau­er. Viel­mehr soll­te man sich als Spie­ler in das Leben von Schaf­züch­tern hin­ein ver­set­zen. Als sol­che unter­nimmt man viel, damit die eige­nen Scha­fe sich ver­meh­ren und wohl füh­len. Dazu gehört auch, dass sie tro­cken blei­ben – wes­we­gen man wider­wil­lig am Damm mit bau­en sollte.

Das Tiefe Land - Spielertableaus
Regen oder nicht Regen? Ist das wirk­lich eine Frage?

Illus­tra­tio­nen... sind von Andrea Boek­hoff und ich emp­fin­de sie eben­falls wie das Wet­ter wech­sel­haft. Die Cover­ge­stal­tung ist schlicht gran­di­os (ins­be­son­de­re der Bild­auf­bau mit der hel­len und dunk­len Sei­te). Ande­rer­seits ist mir eini­ges im Spiel aber etwas zu fad gestal­tet. Mir fehlt für mein Wohl­be­fin­den beim Betrach­ten etwas mehr Farb­sät­ti­gung und Dyna­mik. Ich bin wahr­lich kein Gra­fik­ex­per­te und kann das des­we­gen wohl schlecht in Wor­te fas­sen, aber mir ist die Gestal­tung etwas zu blass gera­ten (bspw. bei den Rohstoffkarten).

Doch viel­leicht schät­ze ich das auch falsch ein und mir fehlt der dau­ern­de Ver­gleich zum rea­len Leben. Aus die­sem Erfah­rungs­schatz kann Andrea Boek­hoff viel bes­ser grei­fen, lebt sie doch in Emden und ist des­we­gen ganz nah dran an ihrer gezeich­ne­ten Welt.

Aus­stat­tung... ist so, wie man es von Feu­er­land gewohnt ist. Die Box ist wie­der sehr gut gefüllt mit einer Men­ge Pappplätt­chen, Roh­stoff­kar­ten, Spie­ler­ta­be­laus und Holz­tei­len. Bei den Holz­tei­len fal­len beson­ders die Flut­stei­ne auf, die sich wun­der­bar sta­peln las­sen – lei­der muss man das auch wäh­rend des Spiels tun, so dass das Was­ser immer wei­ter steigt. 😉

Schön übri­gens, dass auch an einen klei­nen Wer­tungs­block sowie an Über­sich­ten für die Spie­ler gedacht wur­den. Das sind so Klei­nig­kei­ten, für die ich Feu­er­land Spie­le sehr schät­ze. Man bekommt ein ver­nünf­ti­ges und kom­plet­tes Gesamt­pa­ket geschnürt, für das ich dann ger­ne auch ein wenig mehr bezahle.

Das Tiefe Land - Startaufstellung
Start­auf­stel­lung mit Akti­ons­leis­te für die Arbei­ter auf der lin­ken Seite

Ablauf... ist ein wenig ein wil­der Mix aus ver­schie­de­nen Mecha­nis­men. Die Aktio­nen wer­den über ein­ge­setz­te Arbei­ter aus­ge­löst (Worker-Pla­ce­ment), wobei die Arbei­ter unter­schied­li­che Stär­ken besit­zen. Als Aktio­nen kann man sei­nen Hof aus­bau­en, Zäu­ne ver­set­zen, mit Scha­fen am Markt han­deln, neue Bau­stoff­kar­ten erwer­ben oder am Deich bau­en. Am Ende sind vie­le Aus­bau­ten Punk­te wert und auch für die Scha­fe wird man natür­lich belohnt.

Das alles kennt man so aus unter­schied­li­chen Spie­len (ins­be­son­de­re aus Spie­len von Uwe Rosen­berg). Wobei ent­ge­gen des Gefühls, alles irgend­wie zu ken­nen, der Deich­bau doch ein sehr spe­zi­el­les Ele­ment ist. Denn an die­sem wird zusam­men gebaut und der jewei­li­ge Zustand hat gro­ßen Ein­fluss auf die End­wer­tung. Baut man nicht am Deich mit, erhält man kei­ne klei­nen Zwi­schen­be­lo­hun­gen und man sam­melt statt­des­sen Deich­bruch­mar­ken. Letz­te­re sind aber nur dann ein Pro­blem, wenn der Deich am Ende den Was­ser­mas­sen nicht stand hält und bricht.

Das Tiefe Land - Geld
die Fra­ge des Lebens: Gemein­wohl oder eige­nes Geld?

So ist man stän­dig im Dilem­ma: will man wirk­lich Aktio­nen und Res­sour­cen zum Bau des Dam­mes ver­brau­chen, wo doch die­se bes­ser in den eige­nen Hof gesteckt wer­den soll­ten. Aller­dings ist die­ser am Ende weni­ger wert, wenn der Deich nicht hält. Hat man wie­der­um viel Ener­gie in den Deich­bau gesetzt, dann wird einem dass nicht in Form von Sieg­punk­ten gedankt. Die gibt es eher, wenn er final bricht. So ent­ste­hen unter­schied­li­che Auf­merk­sam­keits-Wel­len bei den Spie­lern. Erst wird sich auf die eine Sache kon­zen­triert, dann auf die ande­re. Hier die rich­ti­ge Balan­ce zu fin­den, macht den gro­ßen Spiel­reiz von DAS TIEFE LAND aus. Zumal nicht alles plan­bar ist. Das nicht kom­plett vor­her­seh­ba­re Wet­ter kann die See mal mehr und mal weni­ger auf­bau­schen. So geht immer der ban­ge Blick zu den Flut­kar­ten: erwar­tet uns ein Sturm oder soll die See ruhig bleiben?

Das Tiefe Land - Ausbautplättchen
nicht auf den ers­ten Blick ver­ständ­lich: die Funk­tio­nen der Ausbauplättchen

Das gefällt mir nicht so gut: Ich bin nicht so ganz glück­lich mit dem Mix aus Text und Sym­bol­spra­che auf den Aus­bau­plätt­chen. Ohne das beglei­ten­de Bei­blatt bzw. den Spie­ler­hil­fen ist eine Sinn-Erfas­sung kaum mög­lich – ins­be­son­de­re nicht in den ers­ten Par­tien. Da sowie­so schon Spra­che benutzt wur­de, wäre es viel­leicht glück­li­cher gewe­sen, noch mehr Text auf die Plätt­chen zu bekom­men. Außer­dem wäre es prak­tisch gewe­sen, die­se durch­zu­num­me­rie­ren, um sie noch schnel­ler in der Anla­ge zu fin­den. Ganz all­ge­mein habe ich bei mir – aber auch bei mei­nen Mit­spie­lern – eine gewis­se Müdig­keit fest­ge­stellt. Ich mer­ke, dass ich immer weni­ger Lust habe, mir wie­der einen Über­blick aus unzäh­li­gen Gebäu­de-Mög­lich­kei­ten zu ver­schaf­fen. Ja, dadurch gibt es eine grö­ße­re Vari­anz – aller­dings durch­aus auf Kos­ten des flüs­si­gen Ein­stiegs. Die Hür­de ist mei­ner Mei­nung bei DAS TIEFE LAND durch den ver­pflich­ten­den Blick in den Anhang höher als bei ver­gleich­ba­ren Spie­len (bspw. NUSFJORD). Da hilft auch die gut gemein­te Spie­ler­hil­fe nicht wirk­lich. Die­se wird nicht von allen Spie­lern auf Anhieb ver­stan­den. In der prak­ti­schen Kon­se­quenz wird sicher­heits­hal­ber doch lie­ber im schrift­li­chen Anhang nach­ge­le­sen – und das kos­tet Zeit, die man lie­ber mit Spie­len beschäf­tigt wäre.

Das Tiefe Land - Spielplan
drei Bau­stof­fe, die komi­scher­wei­se beim Deich­bau nicht kom­bi­niert wer­den dürfen

The­ma­tisch frag­wür­dig fin­de ich übri­gens die Bau­re­geln beim Deich­bau. Der Bau am Deich muss immer sor­ten­rein erfol­gen. Also wenn die aktu­el­le Bau­stu­fe mit Holz begon­nen wur­de, dann ist sie auch bis zur gefor­der­ten Bau­stoff-Anzahl mit die­sem Roh­stoff fort­zu­set­zen. Bild­lich baue ich einen Damm-Seg­ment aus Holz, dass dane­ben lie­gen­de aus Lehm und das dane­ben dann viel­leicht aus Stein. Als Inge­nieur kann ich das schlecht akzep­tie­ren. Mir ist klar, dass das spiel­me­cha­nisch gewollt ist, um hier einen gewis­sen Druck auf­zu­bau­en. Aller­dings hät­te man die­sen Effekt mei­ner Mei­nung nach auch dadurch erschaf­fen kön­ne, in dem man for­dert, dass ein Damm-Seg­ment immer aus einem fes­ten Mix an Bau­stof­fen erstellt wer­den muss (also 2 Holz, 2 Stein und 2 Lehm anstatt 6 Lehm oder 6 Holz). Zuge­ge­ben, das ist nur eine the­ma­ti­sche Klei­nig­keit, aber es stör­te mich doch ähn­lich mas­siv wie das Fern­be­la­den der Schif­fe bei MACAO.

Hier ist also ein the­ma­ti­scher Bruch, der auch des­we­gen weh tut, da ansons­ten das The­ma sehr stark beim Spie­len ver­mit­telt wird – sofern man dar­auf bei der Erklä­rung wert dar­auf gelegt hat. Ich habe das mal spa­ßes­hal­ber getes­tet. Statt nor­mal sehr deut­lich dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Spie­ler Schaf­züch­ter sind, die nur not­ge­drun­gen am Deich bau­en, habe ich es mal so erklärt, dass wir Deich­bau­er sind, die neben­bei noch ein paar Scha­fe züch­ten. Dann ver­läuft DAS TIEFE LAND äußerst unbe­frie­di­gend, weil man sich am Ende mit der Deich­wer­tung etwas ver­schau­kelt vor­kommt. Das zeig­te mir deut­lich, wie the­ma­tisch das Spiel trotz aller Euro­ga­me-Las­tig­keit ist. Aller­dings muss das The­ma rich­tig ver­mit­telt wer­den – und das schafft die Regel nur unzu­rei­chend. Statt die the­ma­ti­sche Fär­bung deut­lich auf die ers­te Sei­te zu packen, ist das Gan­ze am unte­ren Rand der zwei­ten Sei­te zu sehr ver­steckt. Auch der wenig anspre­chen­de Text der Schach­tel­rück­sei­te ver­mit­telt nicht im gerings­ten die Span­nung, die auf­tre­ten kann. Hier hät­te ger­ne noch mehr sprach­lich auf den Putz gehau­en kön­nen. So klingt das alles etwas drö­ge und mecha­nisch – was nicht wirk­lich Inter­es­se weckt.

Das Tiefe Land - Deich-Detail
der Damm­bau ist das zen­tra­le Ele­ment und schafft eine tol­le Spannung

Das gefällt mir gut: Die spe­zi­el­le Damm­wer­tung sorgt für eine ein­zig­ar­ti­ge Dyna­mik. Habe ich zu Beginn viel in den Damm­bau inves­tiert, dann wächst mein Bestre­ben, dass er am Ende nicht mehr hält. Ich wer­de also einen Teu­fel dafür tun, wei­ter beim Aus­bau mit­zu­hel­fen. Das setzt aller­dings die Mit­spie­ler gehö­rig unter Druck, die bis­her wenig am Bau des Dam­mes mit­ge­hol­fen habe. Baut dahin­ge­gen kei­ner am Damm, dann ist auch die Kon­zen­tra­ti­on auf die Schaf­zucht nicht erträg­lich und es ergibt Sinn, sich beim Damm­bau zu enga­gie­ren. So muss man eine Balan­ce fin­den aus gemein­sa­men Deich­bau und den Inter­es­sen am eige­nen Hof.

Die­ses semi-koope­ra­ti­ve Ele­ment haben nicht alle mei­ner Mit­spie­ler gemocht. Ich fin­de es jedoch groß­ar­tig! Dadurch wird DAS TIEFE LAND auf eine Wei­se inter­ak­tiv, die man von ver­gleich­ba­ren Ent­wick­lungs­spie­len so nicht kennt. Es wird sich belau­ert, es wird tak­tiert – und alle war­ten gespannt auf die nächs­te Wet­ter­kar­te! Hält der Deich oder hält er nicht? Das ist eine über­aus span­nen­de Fra­ge und die Ant­wort kann über Sieg oder Nie­der­la­ge ent­schei­den. Aller­dings ist das nicht unbe­dingt eine Glücks­fra­ge, son­dern durch­aus eine Fol­ge vie­ler klei­ner tak­ti­scher Ent­schei­dun­gen, die man im Ver­lauf der Par­tie getrof­fen hat. Man fühlt sich also kei­nes­falls gespielt oder dem Schick­sal aus­ge­setzt, son­dern man tak­tiert mit dem Wet­ter und hält immer einen Plan B bereit.

Das Tiefe Land - Ende
trotz aller Scha­fe bleibt der Blick klar fokusiert

Wie so oft, gilt es auch hier güns­ti­ge Kom­bi­na­tio­nen bei den Gebäu­den zu fin­den. Die­se haben eine hohe Vari­anz und man kann sich gut auf den ein oder ande­ren Aspekt kon­zen­trie­ren. Aller­dings ufert das auch nicht zu sehr aus. Im End­ef­fekt ist das noch über­schau­bar und über­for­dert kei­nen (wenn die Klip­pe des Ver­ste­hens der Plätt­chen über­wun­den ist). Es ist gut, dass man sich bei der Ent­wick­lung zurück gehal­ten hat und man nun nicht noch drei wei­te­re Tier­ar­ten und fünf ver­schie­de­ne Gelän­de­ar­ten zu beach­ten hat. So kann man kon­zen­triert den Hof erwei­tern und den Damm im Blick behal­ten. Das reicht auch völ­lig aus, um vom Spiel gebannt zu sein.

Eben­so erkannt man an vie­len Klei­nig­kei­ten die gute redak­tio­nel­le Arbeit. Die Spie­ler­hil­fen sind gut (und auch wich­tig), die Gra­fik ist größ­ten­teils ein­deu­tig und hilf­reich. Sehr gut gefällt mir auch die Struk­tur in ver­schie­de­ne Pha­sen (wie­der­ho­lend Gezei­ten­wech­sel, Arbeit und Ver­wal­tung sowie das fina­le Hoch­was­ser). Da fühlt man sich als Spie­ler gut an die Hand genom­men – zumal die fort­lau­fen­de Anzei­ge auch schön auf dem Spiel­plan umge­setzt wurde.

Eben­falls loben möch­te ich die gelun­ge­ne Ska­lie­rung bei unter­schied­li­cher Spie­ler­an­zahl. Das macht DAS TIEFE LAND rich­tig gut. Ich hät­te mir in die­sem Fall sogar auch sehr gut ein Solo-Sze­na­rio vor­stel­len kön­nen – und das sage ich nicht oft, da ich eigent­lich nicht der Solo-Spie­ler bin. Aber die Spiel ent­schei­den­de Fra­ge (hält der Damm oder nicht?) könn­te man sicher­lich auch gut in ein Auto­ma-Kar­ten­deck packen. Viel­leicht soll­te man sich von Ver­lags­sei­te mal mit einer sol­chen Erwei­te­rungs-Idee befas­sen. Ich wür­de es befürworten.

Das Tiefe Land - Detail
steckt mehr dahin­ter. als es die vie­len Scha­fe erah­nen lassen

Fazit: Man darf bei DAS TIEFE LAND nicht den Feh­ler machen, es auf­grund des äuße­ren Erschei­nungs­bild zu schnell in die Ecke der mult­iso­li­tä­ren Ent­wick­lungs­spie­le zu stel­len. Ja, es wer­den Gebäu­de gebaut und Tie­re ver­meh­ren sich – und das auch am bes­ten noch durch unter­stüt­zen­de Kom­bi­na­tio­nen. Das alles kennt man und liebt es – oder auch nicht. Dar­über hin­aus bie­tet aber DAS TIEFE LAND noch mehr! Denn das semi-koope­ra­ti­ve Ele­ment um den Deich­bau weckt Emo­tio­nen und macht das Spiel inter­ak­ti­ver, als man das im ers­ten Moment erwar­tet. Für mich war DAS TIEFE LAND aus die­sem Grund eine posi­ti­ve Über­ra­schung – auch wenn ich vor­her schon sehr ger­ne Deich­lamm­bra­ten geges­sen habe.

TitelDas Tie­fe Land
AutorClau­dia und Ralf Partenheimer
Illus­tra­tio­nenAndrea Boek­hoff
Dau­er50 – 100 Minuten
Per­so­nen­an­zahl2 bis 4 Personen
Ziel­grup­pewet­ter­erprob­te Kennerspielrunden
Ver­lagFeu­er­land Spiele
Jahr2018
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­de vom Ver­lag ein
ver­güns­tig­tes Exem­plar erworben

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