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kritisch gespielt: Der König ist Tot

Der König ist Tot von Peer Sylvester – erschienen bei Giant Roc

Der König ist Tot - Cover
Bild: Giant Roc

Viel ist von mei­nem lang­jäh­ri­gen Fran­zö­sisch-Unter­richt lei­der nicht im Gehirn hän­gen geblie­ben. Zumin­dest kann ich noch Le roi est mort, vive le roi feh­ler­frei über­set­zen. Bei DER KÖNIG IST TOT hat man sich aber für die Ein­deut­schung ent­schie­den – schließ­lich spielt die Spiel­ge­schich­te auch auf der bri­ti­schen Insel, wo die Fran­zo­sen aber trotz­dem ein Wört­chen mit­zu­re­den haben. Noch span­nen­der wäre aller­dings die Über­set­zung ins Thai­län­di­sche gewe­sen, denn schließ­lich hat das Spiel sei­nen Ursprung in dem 2007 im Klein­ver­lag His­to­ga­me erschie­nen KÖNIG VON SIAM. 

The­ma... im mit­tel­al­ter­li­chen Groß­bri­tan­ni­en ist mal wie­der ein König gestor­ben – und sofort wer­den nun Macht­kämp­fe um des­sen Nach­fol­ge aus­ge­tra­gen. In acht Regio­nen wird nach und nach über­prüft, wel­che Frak­ti­on aus Schott­land, Wales und Eng­land vor Ort die über­zeu­gends­ten Argu­men­te lie­fern kann. Wir wie­der­um ver­su­chen, zum bevor­zug­ten Kan­di­da­ten die­ser sieg­rei­chen Frak­ti­on zu wer­den, um somit letzt­end­lich den Thron zu bestei­gen. Oder wir stif­ten so viel Cha­os, dass den Fran­zo­sen als frem­de und vier­te Macht die Inva­si­on gelingt und uns zum Ver­wal­ter über die Insel erklärt.

Der König ist Tot - Standard-Aktionskarten
die Kar­ten-Illus­tra­tio­nen könn­ten aus einem alten Foli­an­ten über­nom­men sein

Illus­tra­tio­nen... sind ein­drucks­voll von Benoît Bil­li­on gestal­tet, einem Spe­zia­lis­ten für Buch­ma­le­rei­en und Illus­tra­tio­nen in der Tra­di­ti­on des Mit­tel­al­ters. Ent­spre­chend über­zeu­gend wird das The­ma auch von gestal­te­ri­scher Sei­te bedient. Die Illus­tra­tio­nen pas­sen schlicht per­fekt zu Spiel. Das erfolg­rei­che Fin­den von beson­de­ren Illus­tra­to­ren ist mir ohne­hin schon öfters bei Spie­len von Osprey Games auf­ge­fal­len (dem Ver­lag, bei dem das Spiel zuerst erschie­nen ist und redak­tio­nell bear­bei­tet wurde).

Der König ist Tot - Übersicht
ange­nehm altbacken

Aus­stat­tung... ist wun­der­bar schlicht und auf das Wesent­li­che kon­zen­triert: klei­ne far­bi­ge Holz­wür­fel (um die Getreu­en in den drei Frak­tio­nen dar­zu­stel­len), bun­te Holz­schei­ben (um die Kon­trol­le über die Gebie­te auf­zu­zei­gen), ein gro­ßer Spiel­plan, ein klei­ner Stoff­beu­tel und eini­ge Kar­ten. Mehr braucht es nicht, um mit­hil­fe der gelun­ge­nen gra­fi­schen Gestal­tung das Kopf­ki­no akti­vie­ren zu können.

Die Kar­ten unter­tei­len sich in die acht Regio­nen­kar­ten und die Akti­ons­kar­ten für die Mit­spie­len­den von vier Sät­zen mit jeweils acht glei­chen Aktio­nen. Die Regio­nen­kar­ten wer­den zu Beginn offen um den Spiel­plan dra­piert, wodurch eine zufäl­li­ge Rei­hen­fol­ge ent­steht, in der die­se im Spiel­ver­lauf abge­han­delt wer­den. Die Akti­ons­kar­ten bekom­men alle Mit­spie­len­den voll­stän­dig auf die Hand. Für das fort­ge­schrit­te­ne Spiel sind zusätz­lich noch zwölf wei­te­re unter­schied­li­che Akti­ons­kar­ten mit in der Box.

Der König ist Tot - Startaufstellung
das Dra­ma kann beginnen

Ablauf... nach­dem eini­ge Holz­klötz­chen ... äh Getreue ... auf dem Spiel­plan und vor den mit­spie­len­den Per­so­nen ver­teilt wur­den, beginnt das Psy­cho­spiel­chen. Denn reih­um kön­nen nun Akti­ons­kar­ten aus­ge­spielt wer­den. Die­se sor­gen meist dafür, dass neue Getreue in die ein­zel­nen Regio­nen ver­teilt oder umstruk­tu­riert wer­den. Zusätz­lich wird nach dem Spie­len einer Kar­te immer ein Klötz­chen vom Plan genom­men und in den eige­nen Hof gelegt. 

Soll­ten alle Par­tei­en gepasst haben, wird die aktu­el­le Regi­on aus­ge­wer­tet, die durch die aktu­el­le Regio­nen­kar­te ange­zeigt wird. Die­se Regi­on wird nun der Frak­ti­on zuge­ord­net, die dort die meis­ten Getreu­en ver­sam­melt. Soll­te es hier­bei aller­dings einen Gleich­stand geben, wird eine Kri­se aus­ge­löst. Das bedeu­tet, dass die­se Regi­on nicht Schott­land, Wales oder Eng­land zuge­ord­net wird, son­dern dass hier nun Frank­reich als 4. Macht sei­nen unge­hin­der­ten Ein­fluss aus­üben kann.

Eine Par­tie DER KÖNIG IST TOT endet sofort, wenn in drei Regio­nen eine sol­che Kri­se aus­ge­löst wur­de. Dann gewinnt die Per­son, die die meis­ten voll­stän­di­gen Sets von Getreu­en vor sich lie­gen hat. Das alter­na­ti­ve Ende wird dahin­ge­gen nach acht Run­den aus­ge­löst. Nun schaut man, wel­che Frak­ti­on die meis­ten Gebie­te kon­trol­liert und es gewinnt die Per­son, die davon am meis­ten Getreue am eige­nen Hof hat. Natür­lich gibt es noch ein paar Unter­be­din­gun­gen, die bei die­sen Ver­glei­chen als Ent­schei­dungs­hil­fe die­nen, um mög­li­che Gleich­stän­de aufzulösen.

Das gefällt mir nicht so gut: Ich bin kein gro­ßer Freund der Fort­ge­schrit­te­nen-Vari­an­te. Die­se bringt näm­lich eine Unab­wäg­bar­keit ins Spiel, die mir zu sehr den eigent­li­chen Spiel­cha­rak­ter ver­än­dert. DER KÖNIG IST TOT lebt in mei­nen Augen davon, dass kei­ne Zufalls­kom­po­nen­ten gege­ben sind. Alle haben die glei­chen Vor­aus­set­zun­gen und müs­sen das Bes­te dar­aus machen. Bei der Fort­ge­schrit­te­nen-Vari­an­te wer­den aber zufäl­lig jeweils drei Kar­ten aus einem fes­ten Pool ver­teilt. Wer wel­che bekommt? Kei­ne Ahnung! Natür­lich kann ich ein wenig spe­ku­lie­ren, aber eben nicht pla­nen. Die­se Vari­an­te ist gut geeig­net für Per­so­nen, die nicht alles im Kopf durch­rech­nen und ‑pla­nen wol­len. Aber ob sol­che dann wirk­lich zu Fort­ge­schrit­te­nen in DER KÖNIG IST TOT wer­den? Ich gehe nicht davon aus, da sol­che Spiel-Typen das Spiel nach einer Pro­be­par­tie meist nicht noch ein­mal spie­len wol­len. Des­we­gen ist in mei­nen Augen auch die Bezeich­nung "Fort­ge­schrit­ten" unpas­send. "Intri­gen-Vari­an­te" wäre bei­spiels­wei­se pas­sen­der gewesen.

Der König ist Tot - Fortgeschrittenen-Aktionskarten
mehr Intri­gen wagen?

Da ich das Spiel als KÖNIG VON SIAM schon oft­mals bei Yuca­ta online gespielt habe, bin ich die Vari­an­te gewohnt, alle gespiel­ten Kar­ten offen aus­lie­gen zu las­sen. Die­se mag ich deut­lich lie­ber, als das eigent­li­che Spiel­prin­zip. Denn nach die­sem kann man ledig­lich die zuletzt gespiel­te Akti­ons­kar­te erken­nen. Alle ande­ren aus­ge­spiel­ten Kar­ten wer­den ver­deckt und somit muss man sich die­se mer­ken. Da die­ses Wis­sen aller­dings ele­men­tar wich­tig ist, sind Leu­te mit einem ent­spre­chend guten Gedächt­nis im Vor­teil. Oder aber vie­le mei­ner geis­ti­gen Kapa­zi­tä­ten wer­den dafür bean­sprucht, mir genau die­se gespiel­ten Kar­ten mer­ken zu müs­sen. Das ist aber nicht das, was mir Spaß macht. Ich will im Kopf Plä­ne schmie­den und kei­ne Kar­ten mer­ken müssen.

Das 4‑Per­so­nen-Spiel ist eine Vari­an­te, bei der zwei 2er-Teams gegen­ein­an­der spie­len. Das stößt auf unter­schied­li­che Gegen­lie­be. Man­che mögen das ger­ne, weil man immer auch für die ande­re Per­son mit­den­ken muss. Ande­re fin­den das aller­dings unbe­frie­di­gend, weil man sich dabei nicht mit der eige­nen Team-Per­son abstim­men darf. Man muss also die Plä­ne und Gedan­ken­gän­ge des eige­nen Team-Mit­glieds erra­ten. Je bes­ser ich die ande­re Per­son und deren Spiel-Gewohn­hei­ten ken­ne, umso erfolg­rei­cher wird wahr­schein­lich auch das gemein­sa­me Spiel ablau­fen. Kann man mal machen, ich spie­le aber deut­lich lie­ber in der 2er- und 3er-Konstellation.

Die Anlei­tung ist gut struk­tu­riert. Lei­der wer­den wie­der zu oft the­ma­ti­sche Begrif­fe benutzt, um ein­deu­ti­ge Sachen so zu umschrei­ben, dass man eben nicht sofort weiß, was nun dar­un­ter gemeint ist. Die zusätz­li­che Kar­te mit den dort abge­bil­de­ten bei­den unter­schied­li­chen Sieg­be­din­gun­gen ist eine gute Hil­fe. Ein ähn­li­che Kar­te hät­te ich mir noch für den eige­nen Spiel­zug gewünscht (opti­ma­ler­wei­se in Form eines klei­nen Flussdiagramms).

Der König ist Tot - Detail
nicht bloß ein Wür­fel hin und her schieben

Das gefällt mir gut: Im Kern ist DER KÖNIG IST TOT ein abs­trak­tes Mehr­hei­ten­spiel. Umso erstaun­li­cher fin­de ich es immer wie­der, wie sehr es in mei­nem Kopf the­ma­tisch funk­tio­niert. Als beken­nen­der Wür­fel­schub­ser bin ich natür­lich geübt im Abs­tra­hie­ren und so fin­de ich mein Tun wirk­lich stim­mig. Als alter Diplo­ma­cy- und Shake­speare-Fan bin ich auch ver­traut dar­in, Rän­ke zu schmie­den und dafür zu sor­gen, dass sich Frak­ti­ons-Mehr­hei­ten ändern. Die­ses pas­sen­de the­ma­ti­sche Spiel­ge­fühl fin­de ich des­we­gen so über­ra­schend, da das eigent­lich Set­ting im Siam von 1874 und nicht im euro­päi­schen Mit­tel­al­ter spielt. Das zeigt aber lei­der auch wie­der, dass die Men­scheits­ge­schich­te nicht unbe­dingt eine fried­li­che ist und sich anschei­nend vie­les wie­der­ho­len muss.

Trotz der über­schau­ba­ren Akti­ons­mög­lich­kei­ten weiß man zu Beginn einer Par­tie nicht unbe­dingt, wor­auf das Spiel eigent­lich hin­aus läuft. Berühm­ter Feh­ler von Neu­lin­gen ist es, gleich zu Beginn ganz vie­le Kar­ten zu spie­len, so dass man am Ende lei­der hand­lungs­un­fä­hig ist. Der nächs­te Feh­ler wird in der Fol­ge­par­tie gemacht: zu lan­ge mit dem Aus­spie­len der Kar­ten zu war­ten, so dass man­che Aktio­nen nicht mehr mög­lich sind bzw. das Spiel schon eine Rich­tung genom­men hat, die man nicht mehr aktiv beein­flus­sen kann. Die Kunst von DER KÖNIG IST TOT ist es, die rich­ti­ge Kar­te zur rich­ti­gen Zeit zu spie­len. Man muss ein Gefühl dafür ent­wi­ckeln, wel­che Kämp­fe sich loh­nen und wel­che nicht. Dabei soll­te man auch immer fle­xi­bel sein. Hat man am Anfang viel­leicht auf einen schot­ti­schen Sieg gesetzt, soll­te man dar­an nicht krampf­haft fest­hal­ten, son­dern viel­leicht doch oppor­tu­nis­tisch lie­ber Frank­reich unter­stüt­zen. Zusätz­lich gilt es, die Mit­spie­len­den davon zu über­zeu­gen, dass genau das nicht mein ins­ge­hei­mes Ziel ist. So neh­me ich mir viel­leicht auch mal als Bluff einen Getreu­en an den eige­nen Hof, der mir am Ende nicht wirk­lich etwas bringt. Aber viel­leicht kann ich so die Ande­ren ver­un­si­chern und dazu ver­lei­ten, eine Akti­on zu spie­len, die mir dann doch hilft. 

Der König ist Tot - eigener Hof
der eige­ne Hof ist fest in wali­si­scher Hand – ob das gut ist?

DER KÖNIG IST TOT ist gro­ßes Kopf-Kino. Man wägt die gan­ze Zeit ab, ob man nun die­se oder jene Kar­te spie­len soll. Ob man nun neue eng­li­sche Getreue nach Essex schi­cken soll oder lie­ber nach Lan­cas­ter – und ob man dafür nun einen wali­si­schen oder schot­ti­schen Getreu­en aus Devon abzie­hen soll. Jede die­ser klei­nen Ent­schei­dun­gen kann die Balan­ce des Gro­ßen und Gan­zen erheb­lich beein­flus­sen. Das macht auch das Spie­len jeder ein­zel­nen Kar­te so beson­ders wer­tig. Man spielt die nicht ein­fach mal so aus, damit man was tut, son­dern man ist sich immer der Bedeu­tung bewusst. 

Die­se abs­trak­te Spiel­ge­fühl mögen nicht alle mei­ner Mit­spie­len­den. Vie­len ist es zu tro­cken und zu anstren­gend. Das kann ich gut nach­voll­zie­hen. Ich dahin­ge­gen mag es sehr. Auch weil DER KÖNIG IST TOT inter­ak­tiv ist. Alles was ich mache beein­flusst die nach­fol­gen­den Aktio­nen. Ent­spre­chend muss ich auch immer die Züge der Ande­ren ana­ly­sie­ren und dar­auf dann reagie­ren. Pas­sen kann genau­so stark sein, wie eine Kar­te aus­zu­spie­len. Im Ide­al­fall geht das so bis zur fina­len ach­ten Run­de. Durch die fran­zö­si­sche Inva­si­on kann aber schon deut­lich frü­her Schluss sein. Das gilt es immer mit zu beden­ken, wes­we­gen die Anfangs­pha­se eben auch nicht vor sich hin­plät­schert, selbst wenn drei Run­den am Stück gepasst wird.

Fazit: DER KÖNIG IST TOT fühlt sich ange­nehm alt­mo­disch an. Die Stär­ke des Spiels ist die Kon­zen­tra­ti­on auf das Wesent­li­che – sowohl bei der Aus­stat­tung wie auch bei den Aktio­nen. Aus die­sem Grund benö­ti­ge ich auch gar nicht die zusätz­li­chen Fort­ge­schrit­te­nen-Kar­ten, son­dern bin mit dem Basis-Spiel rund­um zufrieden.

TitelDer König ist Tot
AutorPeer Syl­ves­ter
Illus­tra­tio­nenBenoît Bil­li­on
Dau­er30 bis 45 Minuten 
Per­so­nen­an­zahl2 bis 4 Personen
Ziel­grup­peGenie­ßen­de von abs­trak­ten Mehrheitenspielen
Ver­lagGiant Roc
Jahr2021
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­de vom Ver­lag ein
Rezen­si­ons­exem­plar zur Ver­fü­gung gestellt

1 Kommentar

  • Her­vor­ra­gen­de Rezen­si­on, ins­be­son­de­re der Vor­schlag zur Umbe­nen­nung der Son­der­ak­ti­ons­kar­ten (ohne sie ist das Spiel viel anspruchsvoller).
    Es ist schön, dass die­ses ein­zig­ar­ti­ge Spiel erneut reinkar­niert ist, scha­de aller­dings, dass man auch mit die­ser Aus­ga­be nur auf einem ein­zi­gen Spiel­plan spie­len kann (der aller­ers­te gefällt mir nach wie vor am besten).
    Eine defi­ni­ti­ve Edi­ti­on bräuch­te end­lich einen modu­la­ren Spiel­plan, mit dem man jede belie­bi­ge Kon­stel­la­ti­on erstel­len könnte.