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kritisch gespielt: Fairy Tile

Fairy Tile von Matthew Dunstan und Brett J. Gilbert – erschienen bei iello

Fairy Tile - Box
Foto: iel­lo

"Es war ein­mal ein Spiel, dass ich bezau­bernd schön fand. Alles sah so toll, so stim­mig aus, dass ich mich sofort dar­in ver­lieb­te. Doch dann kam ein böser Zau­be­rer und leg­te eine Spiel­re­gel in die Box, die der Schön­heit des Spie­les nicht gerecht wur­de. So wan­der­te ich durch die Par­tien und such­te das spie­le­ri­sche Eben­bild zur strah­len­den Erschei­nungs­form. Und wenn ich nicht gestor­ben bin, dann suche ich immer noch." Hmmm, klin­gen so Mär­chen? Soll­ten die nicht gut aus­ge­hen? Doch viel­leicht habe ich auch nur eine fal­sche Fähr­te gelegt und FAIRY TILE hat noch den ent­schei­den­den Kniff parat, so dass es zum Hap­py End kommt...

Fairy Tile - Start
Stoff aus dem Mär­chen sind: ein Rit­ter trifft eine Prin­zes­sin vor den Augen eines Drachen

The­ma... ein Rit­ter, eine Prin­zes­sin und ein Dra­che: das ist der Stoff, aus dem vie­le Mär­chen gestrickt sind. So auch in FAIRY TILE. Denn die drei Prot­ago­nis­ten müs­sen ein­zel­ne Aben­teu­er erle­ben. Da muss der Rit­ter das gro­ße Gebir­ge erklim­men wäh­rend­des­sen sich die Prin­zes­sin mit dem Dra­chen am Fluss trifft. Wir Spie­ler sind dabei die akti­ven Strip­pen­zie­her – sor­gen wir doch dafür, dass alle Figu­ren an dem Ort ankom­men, wie es das aktu­el­le Kapi­tel vorsieht.

Illus­tra­tio­nen... sind von Miguel Coim­bra und eine ech­te Augen­wei­de. Mir gefällt der gewähl­te Stil sehr, sehr gut. Denn so sieht FAIRY TILE nicht wie ein x‑beliebiges Brett­spiel aus, son­dern hat einen eige­nen Cha­rak­ter. Selbst Fro­zen-geplag­te Eltern kön­nen somit noch ohne auf­ge­stell­te Nacken­haa­re eine Run­de FAIRY TILE mitspielen.

Fairy Tile - Ausstattung
alles passt gut in die Box hinein

Aus­stat­tung... hat einen abso­lu­ten Hin­gu­cker zu bie­ten: näm­lich gro­ße bemal­te Figu­ren der drei Hel­den. Das macht schon etwas her. Aber auch der Rest (15 sechs­ecki­ge Gebiets­plätt­chen aus Pap­pe, vier Magie­mar­ker aus Holz und 40 Kar­ten) ist anspre­chend und kann zusätz­lich auch gut in einem durch­dach­ten Inlay ver­staut wer­den. Aller­dings hät­te ich mir die Kar­ten etwas grö­ßer gewünscht. Einer­seits, um dann die tol­len Illus­tra­tio­nen bes­ser betrach­ten zu kön­nen. Ande­rer­seits aber auch, um die recht klei­ne Schrift auf den Kar­ten bes­ser erken­nen zu können.

Ablauf... jeder Spie­ler bekommt die glei­che Anzahl von Sei­ten (=Kar­ten) eines Mär­chens auf die Hand. Die­se Kar­ten zei­gen Auf­ga­ben, die es zu erfül­len gilt. Aller­dings kennt man nur die obers­te Kar­te, die wei­te­ren sind einem nicht bekannt.

Fairy Tile - Spielerhilfe
die Spie­ler­hil­fe sagt eigent­lich alles

Ist man am Zug, kann man ent­we­der die Land­schaft erwei­tern oder aber eine der drei Figu­ren bewe­gen. Dabei fol­gen die ein­zel­nen Figu­ren eige­nen Bewe­gungs­re­geln. So läuft bspw. der Prinz immer genau zwei Land­schafts­fel­der wei­ter weg von sei­nem Start­ort wäh­rend der Dra­che immer nur in gera­der Linie von Rand­feld zu Rand­feld fliegt. Danach wird über­prüft, ob man sei­ne aktu­el­le Auf­ga­be erfüllt oder nicht. Ist das der Fall, legt man die Auf­ga­be zur Sei­te und zieht die nächs­te vom ver­deck­ten eige­nen Zugstapel.

Aller­dings kann man auch auf die Bewe­gung bzw. das Erwei­tern der Land­schaft ver­zich­ten. Dann schiebt man die aktu­el­le Auf­ga­be unter sei­nen Nach­zieh­sta­pel und sieht sich dafür die nächs­te an. Als Aus­gleich dafür, darf man sein höl­zer­nes Magie­plätt­chen akti­vie­ren. Dies ermög­licht zu einem spä­te­ren Zeit­punkt einen eige­nen Doppelzug.

Eine Par­tie FAIRY TILE endet sofort, wenn ein Spie­ler alle sei­ne Auf­ga­ben erfüllt hat.

Das gefällt mir nicht so gut: FAIRY TILE ist kein Spiel für Stra­te­gen und Opti­mie­rer. An für sich ist das nicht schlimm – aller­dings ist der Spiel­me­cha­nis­mus sehr von Pla­nung geprägt. Denn eigent­lich macht man nichts ande­res, als zu pla­nen, wie nun bald die Figu­ren zu ste­hen haben. Aller­dings stellt man bei die­se Pla­nun­gen völ­lig aut­ark an. Man ahnt höchs­tens, was die Mit­spie­ler vor­ha­ben, aber man weiß es nicht. Auch hat man kei­ne Ahnung davon, was die eige­ne nächs­te Auf­ga­be ist (so dass man nicht vor­ar­bei­ten kann). Kin­der und Fami­li­en­spie­ler haben damit sel­ten ein Pro­blem. Das wird so hin­ge­nom­men. Anders sieht es aber bei der Grup­pe der stra­te­gi­schen Spie­ler aus – die­se ver­flu­chen die Zufäl­lig­kei­ten von FAIRY TILE.

Fairy Tile - Landschaften
der Aus­bau des König­reichs kann sei­ne Tücken haben

Und FAIRY TILE gibt auch genug Nah­rung für wei­te­re Kri­tik. So kann man bspw. ohne eige­nes wirk­li­ches Zutun ver­lie­ren. Denn es kann vor­kom­men, dass ein Spie­ler sei­ne Auf­ga­be nicht erfül­len kann, weil es nicht mehr mög­lich ist, wei­te­re Gebie­te anzu­le­gen. Dann hat die­ser Spie­ler schlicht­weg Pech gehabt und das Spiel ist für einen ver­lo­ren. Das könn­te man viel­leicht noch akzep­tie­ren, wenn man die Mög­lich­keit hat, aktiv dage­gen anzu­spie­len. Das ist aber nicht der Fall, weil man schließ­lich sei­ne Auf­ga­ben vor­her noch gar nicht alle kennt. Es ist also Zufall, ob mir das pas­siert oder nicht – und das ist schwer zu tolerieren.

Auch soll­te man nicht all zu stur sein, wenn man FAIRY TILE spielt. Denn theo­re­tisch könn­te Spie­ler A die Prin­zes­sin zie­hen und Spie­ler B zieht sie wie­der zurück. Wenn bei­de stur sind, wür­de das Spiel in einer End­los­schlei­fe enden. Das ist natür­lich ein Extrem­fall und kommt vor allem auch im Mehr­per­so­nen­spiel sel­ten dau­er­haft vor, aber mög­lich ist es. Hier hät­te ich mir eine Zusatz­re­gel gewünscht, dass das direk­te Rück­gän­gig­ma­chen eines Zuges nicht erlaubt ist.

Natür­lich könn­te man bei einem sol­chen Kon­flikt recht schnell nach­ge­ben und sei­nen Magie­mar­ker akti­vie­ren. Der ist auch prak­tisch, weil man spä­ter einen Dop­pel­zug machen kann. Aller­dings hat die­ses Aus­set­zen auch den unschö­nen Effekt, dass die aktu­el­le Auf­ga­be ganz nach unten in den per­sön­li­chen Nach­zieh­sta­pel wan­dert. Und wenn ich dann Pech habe, ist die neue Auf­ga­be noch viel schwe­rer zu erfül­len. Auch die­ses Ele­ment fühlt sich somit unter Umstän­den doof an.

Fairy Tile - Kampf
der Dra­che lässt sich nicht leicht beherrschen

Ganz objek­tiv gese­hen sind die Auf­ga­ben mit dem Dra­chen schwe­rer zu erfül­len als mit Rit­ter und Prin­zes­sin. Denn der Dra­che ist durch sei­ne sehr spe­zi­el­le Bewe­gungs­re­gel wesent­lich anspruchs­vol­ler zu füh­ren als die ande­ren Figu­ren. Soll der Dra­che im gro­ßen Wald sein, dass muss man unter Umstän­den erst dafür sor­gen, dass auch tat­säch­lich ein gro­ßer Wald am Spiel­feld­rand ent­steht – denn ansons­ten kann der Dra­che dort nicht lan­den. Das kann eini­ges an Zeit und Aus­dau­er kos­ten. Und da FAIRY TILE eine Art Renn­spiel ist, ist Zeit eher knapp bemes­sen. Hat also ein Spie­ler über­pro­por­tio­nal vie­le Auf­ga­ben mit dem Dra­chen zu erfül­len, dann ist er eigent­lich chan­cen­los. Wer hier mehr Fair­ness will, der müss­te die Auf­ga­ben nach den Figu­ren sor­tie­ren und dann aus ver­schie­de­nen Char­gen die Auf­ga­ben zusammenstellen.

Fairy Tile - Karten
die Kar­ten sind toll illus­triert – aber auch mit zu klei­ner Schrift versehen

Apro­pos die Auf­ga­ben­kar­ten. Man soll­te schon gute Augen haben, wenn man ver­sucht, die Schrift ohne Hilfs­mit­tel zu lesen. Sprich: die gewähl­te Schrift­grö­ße ist schon sehr klein. Das wird auch dadurch ver­schärft, dass der unters­te Teil der Kar­te dafür genutzt wird, dass die Geschich­te von FAIRY TILE erzählt wer­den kann. Das ist beim ers­ten Mal zuge­ge­be­ner­ma­ßen nett und fas­zi­niert. Aber die­se Geschich­te ver­än­dert sich nicht. Es wer­den kei­ne neu­en Geschich­ten erzählt und so ist es nur ein Ein­mal-Effekt – der aber dafür sorgt, dass man­che Mit­spie­ler dau­er­haft von der klei­nen Schrift genervt sind. Da hät­te man die Sto­ry lie­ber als Bei­blatt oder als Anhang in die Regel eingefügt.

Ich emp­feh­le übri­gens FAIRY TILE nicht zu zweit zu spie­len. Einer­seits natür­lich auf­grund der Gefahr der End­los­schlei­fe, ande­rer­seits aber auch, weil das Spiel dann recht lan­ge dau­ert. Es wer­den immer alle Auf­ga­ben­kar­ten ver­teilt. Zu viert bekommt jeder Spie­ler dann neun Kar­ten, was auch ange­mes­sen ist. Im Spiel zu zweit sind es dann aber 18 Kar­ten – und das ist gefühlt zu viel des Guten.

Fairy Tile - Treffen
es ist zu emp­feh­len, die Kar­ten mit einer klei­nen Geschich­te auszuspielen

Das gefällt mir gut: So viel ich auch an FAIRY TILE zu kri­ti­sie­ren habe, so muss ich dem ent­ge­gen hal­ten: uns hat es meist erstaun­lich viel Spaß gemacht – zumin­dest in den rich­ti­gen Grup­pen! Geht man näm­lich eher locker ver­spielt an FAIRY TILE her­an, dann kann man die tol­le Gra­fik lie­ben und auch das erzäh­le­ri­sche Ele­ment aus­le­ben. So haben wir ger­ne das Abar­bei­ten der ein­zel­nen Auf­ga­ben kom­men­tiert: "Die Prin­zes­sin trifft den Dra­chen am Fluss und gesteht ihm ihre Lie­be!" "Wahn­sin­nig vor Eifer­sucht erklimmt der Rit­ter das Gebir­ge. Er will sich nur noch in die Tie­fe stür­zen." "Aber dort oben sieht er ein Schloss, was er unbe­dingt auf­su­chen will. Viel­leicht gibt es dort eine ande­re Prin­zes­sin..." Dabei wur­den die Geschich­ten ger­ne mal reich­lich abstrus, aber genau das mach­te dann den Spaß aus.

Fairy Tile - Figuren
FAIRY TILE bie­tet Emo­tio­nen – die nicht jeder mag

Außer­dem ist Pla­nen genau mein Ding. Natür­lich ger­ne lie­ber etwas stra­te­gi­scher, aber auch die sehr kurz­fris­ti­gen Pla­nun­gen bei FAIRY TILE machen mir Spaß. Ich über­le­ge nun ein­mal ger­ne, wie ich denn nun am bes­ten Dra­chen und Rit­ter im Wald zusam­men­kom­men las­se. Und natür­lich ärge­re ich mich auch ent­spre­chend, wenn ein Mit­spie­ler auf ein­mal den Rit­ter ganz woan­ders hin bewegt. Die­se Emo­tio­nen fand ich nicht nerv­tö­tend, son­dern span­nend. Ich kann aber gut nach­voll­zie­hen, dass man­che Mit­spie­ler das anders sehen.

Ach ja, nach­ge­ben will gelernt sein. Da ich mich wohl eher als stu­ren Men­schen bezeich­nen wür­de, muss­te ich auch bei FAIRY TILE erst ein­mal ler­nen, dass man nicht immer auf bestimm­te Bewe­gun­gen pochen soll­te. Man ver­liert ein­fach zu viel Zeit damit und manch ein glück­li­cher Drit­te freu­te sich dann.

Fairy Tile - Übersicht
lang­sam wächst das Königreich

Fazit: Auch wenn vie­le objek­ti­ve Grün­de gegen FAIRY TILE spre­chen, so habe ich doch alle mei­ne Par­tien ger­ne gespielt. Ich kann jede nega­ti­ve Kri­tik ver­ste­hen, denn es gibt defi­ni­tiv eini­ge mecha­ni­sche Schwä­chen. Aber mit Mit­spie­lern, die weni­ger auf das Gewin­nen aus sind und eher ein Spiel erle­ben wol­len, kann FAIRY TILE schö­ne Stun­den besche­ren. Für mich war es auf­grund der vie­len nega­ti­ven Mei­nun­gen, die ich gehört habe, eine posi­ti­ve Über­ra­schung. Und es zeig­te sich, dass man nur bedingt auf ande­re Mei­nun­gen hören soll. Des­we­gen mein Tipp, der für alle Spie­le gilt: am bes­ten selbst aus­pro­bie­ren. Dann kann es uner­war­te­te Hap­py Ends geben – und das sind doch die schöns­ten, oder?

TitelFairy Tile
AutorMatthew Dun­stan und Brett J. Gilbert
Illus­tra­tio­nenMiguel Coim­bra
Dau­er30 Minu­ten
Spie­ler­an­zahl(2) bis 4 Spieler
Ziel­grup­pepla­nen­de Familienspieler
Ver­lagiel­lo (im deut­schen Ver­trieb von Huch!)
Jahr2018

Ich bedan­ke mich bei Huch! für die Bereit­stel­lung eines Rezen­si­ons­exem­plars. Ich bin mir sicher, dass durch die­se Bereit­stel­lung mei­ne Mei­nung nicht beein­flusst wur­de. Die Bespre­chung spie­gelt mei­ne gemach­te Erfah­rung wider.

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