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kritisch gespielt: Fiesta de los Muertos

Fiesta de los Muertos von Antonin Boccara – erschienen bei Game Factory

Fiesta de los muertos - Box big
Foto: Game Factory

Mir fällt es schwer, kei­ne zyni­sche Ein­lei­tung zu schrei­ben, bei der dann Schlag­wor­te wie Covid-19, Imp­fung und Schwur­be­lei­en fal­len. Aber eigent­lich ist die FIESTA DE LOS MUERTOS bzw. der Día de los Muer­tos eine fröh­li­che Sache, da will ich nicht gleich zu Beginn die Stim­mung in den Kel­ler fal­len las­sen – es sei denn, es ist ein Par­ty-Kel­ler, denn schließ­lich wird das Spiel als das unver­gess­li­che Par­ty­spiel beworben.

The­ma... ist wohl ein wenig das Ergeb­nis einer durch­zech­ten Tequi­la-Nacht. Damit die Toten uns am Día de los Muer­tos aus dem Jen­seits besu­chen kom­men kön­nen, müs­sen wir uns erst ein­mal erfolg­reich an sie erin­nern. Aber dum­mer­wei­se haben wir nur noch eine ver­schwom­me­ne Ahnung von ihnen und ver­su­chen somit mit mehr oder weni­ger grif­fi­gen Stich­wor­ten erfolg­reich Asso­zia­tio­nen zu bilden.

Illus­tra­tio­nen… sind von Mar­go Renard und Michel Ver­du und sor­gen dafür, dass die not­wen­dig locker-leich­te Grund­stim­mung erzeugt wird. Die ein­zel­nen Kom­po­nen­ten sehen frisch und ein­la­dend aus. Das "The­ma" wird auch trans­por­tiert, so dass man in der Sum­me die Gestal­tung nur loben kann – und dann mache ich das auch (sogar gerne).

Fiesta de los muertos - Übersicht
vor dem Fest noch aufgeräumt

Aus­stat­tung… bis zu acht Per­so­nen kön­nen mit einem abwisch­ba­ren Stift, einer Ant­wort-Tafel und einer klapp­ba­ren Toten­kopf-Tafel aus­ge­stat­tet wer­den. Zusätz­lich zieht man eine von 120 Per­so­nen­kar­ten, die übri­gens ein wenig nach Bekannt­heit sor­tiert sind, damit auch Jün­ge­re mit­spie­len kön­nen. Außer­dem sind in der Box noch Zah­lenkar­ten und Vor­ga­be­kar­ten ent­hal­ten, mit denen man den Schwie­rig­keits­grad etwas anzie­hen kann. Und fast hät­te ich noch noch die Gedächt­nis­kno­chen ver­ges­sen – ja, das Alter...

Ablauf… man zieht eine ver­deck­te Per­so­nen­kar­te und schreibt deren Namen geheim hin­ter das Klapp­feld auf die Innen­sei­te der Toten­kopf-Tafel. Zusätz­lich schreibt man nach dem Zuklap­pen noch ein Wort außen auf die Tafel, dass zur Per­son passt bzw. damit asso­zi­iert wird. Zu guter Letzt malt man einen Zahn aus und gibt dann die Toten­kopf-Tafel weiter. 

Im Gegen­zug erhält man selbst eine neue Tafel. Bei der schaut man sich das Wort an, wischt die­ses weg und schreibt eine neu­es Wort auf, was man mit dem vor­he­ri­gen ver­bin­den kann. Danach malt man wie­der einen Zahn aus und gibt die Tafel wei­ter. Das macht man ins­ge­samt vier­mal. Danach wer­den die Tafeln ver­deckt gemischt und offen an die aus­lie­gen­den Zah­lenkar­ten ange­legt. Zusätz­lich wer­den die Per­so­nen­kar­ten ein­ge­sam­melt, auf acht Kar­ten ergänzt, gemischt und dann offen ausgelegt.

Man sieht nun also die Namen von acht Per­so­nen und eine bestimm­te Anzahl an Toten­kopf-Tafeln mit ihrem jewei­li­gen Wort. Nun muss man tip­pen, wel­che Per­son sich auf den ver­deck­ten Innen­sei­ten der Tafeln wie­der­fin­den, wofür die Ant­wort-Tafeln zu benut­zen sind. Danach wird dann auf­ge­löst und das gemein­sa­me Ziel soll­te es sein, so vie­le rich­ti­ge Zuord­nun­gen wie mög­lich zu schaf­fen. Dafür gibt es dann ein Sys­tem mit den Gedächt­nis­kno­chen, was aber meist schnell über­gan­gen wird. Viel lie­ber lacht man über die fal­schen Zuord­nun­gen und beginnt eine neue Run­de, als dass man wer­tet, wie gut oder schlecht man war.

Wer das Gan­ze etwas schwie­ri­ger gestal­ten will, kann noch die Her­aus­for­de­rungs­kar­ten ins Spiel brin­gen. Die­se machen ver­schie­de­ne Vor­ga­ben, die es dann bei der Fin­dung der ein­zel­nen Wor­te ein­zu­hal­ten gibt

Fiesta de los muertos - Persönlichkeiten
teil­wei­se ein eli­tä­rer Kreis

Das gefällt mir nicht so gut: Auf­grund des The­mas gibt es mir lei­der zu vie­le Beschrän­kun­gen. Im Gegen­satz zu JUST ONE oder STILLE POST EXTREM geht es bei FIESTA DE LOS MUERTOS aus­schließ­lich um schon ver­stor­be­ne Per­so­nen. Die­se wer­den aber immer mal wie­der gar nicht gekannt. Bei­spiels­wei­se ist Flo­rence Night­in­gale im deutsch­spra­chi­gen Raum eher unbe­kannt und mir nur durch den groß­ar­ti­gen Pod­cast Geschich­ten aus der Geschich­te geläu­fig. Bei Per­so­nen aus Film und Fern­se­hen wird manch­mal noch das Werk ergänzt, aus dem die­se Per­son stammt. Eine ver­gleich­ba­re Infor­ma­ti­on hät­te ich mir ger­ne bei allen Per­so­nen gewünscht, damit auch Unwis­sen­de eine gro­be Ahnung haben, was die­se Per­son aus­macht. Es wäre schon eine Hil­fe, wenn bspw. bei Sal­va­dor Dalí in Klam­men "bil­den­der Künst­ler" geschrie­ben stün­de oder bei Che Gue­va­ra "Revo­lu­tio­när".

Ein wenig wird auf die­ses mög­li­che Unwis­sen Rück­sicht genom­men und es bestehen Per­so­nen­kar­ten, die mit einem Stern gekenn­zeich­net sind. Bei die­sen Per­so­nen hat­te ich dann aber das Gefühl, dass eine heim­li­che Part­ner­schaft mit dem Dis­ney-Kon­zern ein­ge­gan­gen wur­de. Das ist natür­lich gera­de etwas pole­misch. Aber es ist schon span­nend und auch erschre­ckend zu sehen, wie sehr in die­ser Kate­go­rie doch Film und Fern­se­hen vorherrschen.

Für das eigent­li­che Spiel­prin­zip ist aber die Beschrän­kung auf Per­so­nen gar nicht not­wen­dig und somit eher ein Hin­der­nis. Man kann FIESTA DE LOS MUERTOS wun­der­bar auch mit den Aus­drü­cken aus den oben schon genann­ten Spie­len nut­zen. Somit wür­de dann eine grö­ße­re Ziel­grup­pe ange­spro­chen und nie­mand käme sich unge­bil­det vor, wenn die gezo­ge­ne Per­son nicht gekannt wird.

Fiesta de los muertos - Vorsicht
Vor­sicht: Klap­pe auf!

Das Mate­ri­al ist schön und auch durch­dacht. Dass man dau­ernd ver­gisst, die "Run­den-Zäh­ne" zu mar­kie­ren – geschenkt! Viel ner­vi­ger fin­de ich, dass beim Wei­ter­ge­ben oder Auf­neh­men der Tafel ger­ne mal der Schä­del weg klappt und man den Namen der Per­son lesen kann. Also am bes­ten immer die Tafeln auf den Tisch legen und wei­ter schie­ben – aber dabei auf­pas­sen, dass das geschrie­be­ne Wort nicht ver­wischt wird.

Das gefällt mir gut: FIESTA DE LOS MUERTOS ist ein schnel­les Spiel, bei dem eigent­lich immer alle gleich­zei­tig betei­ligt sind. Bei JUST ONE hat immer eine Per­son Pau­se und kann mal was zu trin­ken holen oder auf Toi­let­te gehen. Bei STILLE POST EXTREM zeich­nen sich man­che einen Wolf und wol­len und kön­nen ein­fach nicht zum Ende kom­men (und mit der Sand­uhr zu spie­len wür­de wie­der unschö­ne Stress-Situa­tio­nen erzeu­gen). Bei FIESTA DE LOS MUERTOS spie­len alle gleich­zei­tig und die auf­tre­ten­den Pau­sen sind von sehr über­schau­ba­rer Kür­ze. Auch die Begren­zung auf vier Wei­ter­ga­be-Run­den fin­de ich gut. Es müs­sen nicht alle Teil­neh­men­den auch alle Tafeln in der Hand gehal­ten haben. Ganz im Gegen­teil, wird doch dadurch die Rate-Run­de am Ende sogar noch interessanter.

Fiesta de los muertos - Tipps
erst die Tipps, dann die Lacher

Das liegt auch dar­an, dass durch­aus öfters die glei­chen "Kate­go­rien" ver­tre­ten sind. Wenn ich Vin­cent van Gogh und Pablo Picas­so zur Aus­wahl habe, dann nutzt mir als Hin­weis das Wort "Pin­sel" wenig, um die rich­ti­ge Per­son zuord­nen zu kön­nen. Mit die­sem Wis­sen im Hin­ter­kopf, wer­den die ers­ten Hin­wei­se schon etwas abwe­gi­ger – und damit spä­ter die Rate-Run­de auch ver­zwick­ter. Wenn ich bei van Gogh mit Son­nen­blu­men ein­stei­ge, dann kann dar­aus auch ein Korn­feld wer­den – und man­che sehen dort eher Jür­gen Drews als Vin­cent van Gogh. Aber als raten­de Per­son muss man sol­che Abzwei­gun­gen mit beden­ken. Und natür­lich ent­ste­hen dadurch auch die größ­ten Feh­ler und Lacher!

Denn die­se Lacher sind das Ziel des Spiels – und nicht etwa eine ver­schro­be­ne End­wer­tung mit einer kom­pli­ziert zu berech­nen­den Erfolgs­quo­te. FIESTA DE LOS MUERTOS kommt glück­li­cher­wei­se gar nicht mit so etwas um die Ecke. Die Betei­lig­ten wis­sen, wie stark ihr eigent­li­ches Spiel­kon­zept ist, da muss man nicht irgend­ei­ne Wer­tung mit ins Spiel neh­men. Ent­spre­chend wenig ernst wird das Spie­len­de genom­men – und das ist auch gut so! Es soll gar nicht dar­um gehen, ob am Ende jemand etwas rich­tig oder falsch gemacht hat. Somit ent­steht auch kein Grup­pen­druck und alle kön­nen frei von der Leber weg agieren.

Fiesta de los muertos - Herausforderungen
wenn es etwas schwe­rer wer­den soll

Wer das Spiel trotz­dem etwas anspruchs­vol­ler ange­hen will, wird mit den Her­aus­for­de­rungs-Kar­ten ent­spre­chend bedient. Dadurch kann FIESTA DE LOS MUERTOS deut­lich grü­beli­ger wer­den. Aber man­che wol­len nun ein­mal ihren Geist zusätz­lich gekit­zelt wis­sen. Hier kann man auch gut die ver­schie­de­nen Fähig­kei­ten berück­sich­ti­gen. Kin­der spie­len ohne die­se Her­aus­for­de­run­gen, die Erwach­se­nen mit.

Fazit: So locker-leicht das The­ma auch daher kommt, steht es lei­der dem Spiel etwas im Wege. Durch eine offe­ne­re Begriffs­wahl wür­de FIESTA DE LOS MUERTOS noch mehr zum Gene­ra­tio­nen über­grei­fen­den Spiel wer­den. Das Kon­zept als sol­ches fetzt aber und pro­du­ziert recht zuver­läs­sig abwechs­lungs­rei­che Run­den mit vie­len Lachern.

Titel Fies­ta de los Muertos
AutorAnto­nin Boccara 
Illus­tra­tio­nenMar­go Renard und Michel Verdu 
Dau­er15 Minu­ten
Per­so­nen­an­zahl4 bis 8 Personen
Ziel­grup­peWort-Spiel-Run­den mit Personengedächtnis
Ver­lagGame Fac­to­ry
Jahr2021
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­den vom Ver­lag ein Rezen­si­ons­exem­plar zur Ver­fü­gung gestellt

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