Findorff von Friedemann Friese – erschienen bei 2F-Spiele
Ich bin mir sicher, 98 Prozent aller Einleitungen zu FINDORFF werden uns erklären, was es mit Findorff auf sich hat und weswegen sich wohl Autor Friedemann Friese für diesen Titel entschieden hat – wobei dann bestimmt 96 Prozent auf das Doppel‑F am Ende des Namens hinweisen werden. Eine Rezension unter Millionen wird uns dahingegen erklären, warum es gerade mit der Einleitung nicht geklappt hat. Und mit fällt bloß, um gegen den Trend anzuschreiben, ein "Fin ist doof" als mögliches Wortspiel ein. Dabei ist allerdings eher das Wortspiel doof, weswegen ich es nun sein lasse und lieber über das...
Thema... von FINDORFF schreiben werde. Wie schon durch das Cover ein wenig zu erwarten ist, entwickeln wir den Bremer Stadtteil Findorff (siehe Einleitung der anderen Blogs), wobei uns dabei als Rahmen der Zeitraum von 1803 bis 1916 vorgegeben wird. Dazwischen passiert nämlich viel in Findorff. Zum Beispiel wird dort 1865 die Kuhsiel-Schleuse gebaut. Oder 1876 die Stuhlrohrfabrik. Vielleicht am prägendsten ist aber der Eisenbahnbau, weil dadurch die Wirtschaft erst so richtig ins Rollen kam. Deswegen bauen wir nicht nur Gebäude, sondern auch Gleise – und liegen genügend aus, ist das Spiel auch schon zu Ende.
Illustrationen... stammen aus Feder von "Maura" Kalusky und erzeugen den typischen 2F-Stil: viel ocker, grüne Umrandungen und hervorstechende Farbtupfer. Dieses etwas eintönige Farbbild muss man schon mögen – oder man erkennt alternativ die Vorzüge, sich auf das Wesentliche konzentrieren zu können. Wenn beides nicht auf einen zutrifft, dann hat es FINDORFF schwer, grafisch überzeugen zu können.
Ausstattung... 2F-Spiele bleibt sich treu, so dass man sich nach dem Öffnen der Schachtel in altbekannten Gefilden wähnt. Denn zum Vorschein kommen in gewohnt guter Qualität ein großer Spielplan, viele Karten, massig Pappmarker und ganz viel Holzmaterial.
Das Holzmaterial unterscheidet sich in Torf, Ziegel, Gleise und Arbeitskräfte sowie Häuser und Vorarbeiter in den einzelnen Spielfarben. Aus Pappe sind nicht nur die Münzen, sondern auch der Rabattmarker, Aktions- und Produktionsplättchen sowie Bauwerke. Diese Bauwerke erscheinen zusätzlich auf den zugehörigen Karten, von denen man eine bestimmte Anzahl auf die Hand bekommt und den Rest in eine offene Auslage legt. Außerdem besitzt man zu Beginn noch ein kleines Firmentableau, eine Lagerkarte und eine Übersicht.
Ablauf... FINDORFF ist in erster Linie ein Engine-Builder. Nach und nach bauen wir unsere Firmen aus, sodass wir die vier verfügbaren Aktionen öfter ausführen und effizienter verwenden können. Diese vier Aktionen sind klassisch: Einkauf neuer Plättchen (inklusive Herstellung der Bauwerke), Einstellung neuer Arbeitskräfte, Produktion von Waren sowie Verkauf dieser, um Geld zu verdienen. Diese vier Aktionsbereiche sind auf unserem Firmentableau abgebildet – und das hätte auch gut und gerne ein Aktions-Rondell sein können. Allerdings gibt es zwei Dinge zu beachten: bin ich an der Reihe, muss ich mich nicht in einen anderen Bereich fortbewegen, sondern kann auch die vorherige Aktion wiederholen. Wechsel ich allerdings vom Verkauf zu einem anderen Bereich, muss ich einmal die Bürokratie-Phase durchführen. In dieser Phase verdient man hoffentlich ein wenig zusätzliches Geld. Hauptsächlich wird aber der allgemeine Torfmarkt angepasst, ich verliere eine Arbeitskraft und der Gleisbau wird automatisch vorangetrieben. Das ist auch deswegen notwendig, weil über die gebauten Gleise die Spielzeit gesteuert wird. Ist ein bestimmtes Feld überbaut worden, wird die laufende Runde noch zu Ende gespielt und final abgerechnet. Dabei erzielt man die meisten Punkte über gebaute Bauwerke, bekommt aber noch weitere Punkte für Waren im eigenen Lagerhaus und übrig gebliebenes Geld.
Spielziel ist demnach, viele Bauwerke zu bauen, weil das exorbitant mehr Punkte generiert und man zusätzlich noch weitere Vorteile erhält. Ist man übrigens mit der eigenen Hand nicht zufrieden, kann man auch Bauwerke aus der offenen Auslage erstellen. Allerdings muss man dann zuerst eine eigene Handkarte dort im Austausch ablegen. Nur wenn man das nicht mehr kann, darf man direkt aus der Auslage bauen.
Das gefällt mir nicht so gut: Ronald fehlt! Wie, ihr kennt Ronald nicht? Das ist eine imaginäre Person, die in den letzten Anleitungen von 2F-Spielen die berühmten dummen Fragen stellt, die dann aber postwendend beantwortet werden. Doch warum auch immer, mit Ronald wurde anscheinend nicht im Vorfeld gespielt. Und nun fehlen die präzisen Antworten auf die Fragen, die man sich stellt. Wenn es in einem Absatz bspw. heißt, "dann ignoriert diese Spielregel", ist dann damit der letzte Satz mit dem Regel-Detail oder der gesamte Regel-Absatz gemeint? Ronald hätte gefragt – und wir hätten die Antwort. So ist die Anleitung teilweise ein wenig zu sehr auf Kürze getrimmt, die zwar durchaus Würze hat, aber manchmal eben auch kleine Fragezeichen entstehen lässt.
Wird nicht in Vollbesetzung gespielt, dann ist der Aufbau-Aufwand etwas nervig. Denn nun müssen Aktionsplättchen gesucht und sortiert werden. Das Spielmaterial ist recht ungeordnet in Zipptütchen gelagert – was an für sich völlig in Ordnung ist, auch wenn ich mir heutzutage lieber die gerade aufploppenden Butterbrotpapiertüten wünschen würde. Jedenfalls dauert aufgrund dieser Unordnung der Aufbau. Spielt man mit Neulingen, sind auch noch die Karten zu sortieren, weil für dieses Szenario vorgegebene Sets genutzt werden. Ansonsten wird übrigens empfohlen, die Bauwerkskarten zu draften, was auch bekannt gut funktioniert.
Mit Friedemann Frieses Solo-Modulen werde ich nicht warm. So hat mich auch FINDORFF in dieser Hinsicht nicht überzeugen können. Das kann ich aber gut verkraften, da ich bekanntlich ohnehin nicht so der Solo-Spieler bin. Zusätzlich spricht das auch für die Qualität der eigentlichen Spiele. Deren besonderer Reiz entfalten sich bei mir vor allem dann, wenn Mitspielende mit dabei sind – und wegen dieses Gemeinschaftsgefühls spiele ich letztendlich auch Brettspiele. Allerdings darf man nicht denken, dass FINDORFF besonders interaktiv ist. Denn das Spielgefühl ist schon recht solistisch – schließlich spielen alle in ihrer eigenen Blase. Während ich die Aktion Verkauf wähle, wird links von mir zum dritten Mal hintereinander produziert und rechts werden neue Arbeitskräfte angeheuert. Nur durch die Bürokratie wird der eigene Rhythmus von anderen unterbrochen. Trotzdem muss man die Mitspielenden durchaus im Blick behalten. So kappelt man sich ein wenig um die öffentlichen Bauwerke und auch der Torfmarkt wird fleißig von allen manipuliert. Dann kann schon mal die eingeplante Münze fehlen, wenn dort vor mir herum gepfuscht wurde. Zu guter Letzt gilt es auch immer das mögliche Spielende im Blick zu behalten, was schneller kommen kann, als einem das manchmal lieb ist.
Das gefällt mir gut: Die eigenwillige Aktionswahl ist sehr reizvoll. Es gilt dabei, einen passenden Rhythmus zu finden und effizient zu sein. Wenn ich schon die Aktion Einstellung durchführe, dann soll sich das lohnen, weil ansonsten ist es ein Zeitverlust. Damit ich dort mehr als meine Standardaktion machen kann, benötige ich ein passendes Aktionsplättchen, welches ich mir vorher im Einkauf besorgen muss. das kostet aber Geld, weswegen ich erst Waren produzieren und verkaufen muss – und das ebenfalls, ohne unnötige Aktionsschritte zu vergeuden. Ihr seht, worin die Herausforderung liegt.
Dabei ist man mit erstaunlich viel Freiheiten ausgestattet, so dass es Spaß macht, das Spiel auszuloten. Ein wenig wird man dabei durch die Bauwerkkarten an die Hand genommen, was ich aber nicht als hinderlich wahrgenommen habe, sondern viel mehr als helfende Leitlinie. Ich erhalte kleine Zwischenziele, an die ich mein Spiel ausrichten kann. Welche ich davon erfülle, hängt von den jeweiligen Boni ab – und auch von der Zeit, in der wir uns befinden.
Denn ein kleines reizvolles Element habe ich noch gar nicht vorgestellt: den Rabattmarker. Dieser wird immer eine Zeiteinheit Richtung Gegenwart geschoben, wenn ein neues Bauwerk erstellt wird. Damit bekommen alle Bauwerke einen Rabatt auf die Baukosten, wenn deren Baujahr älter und gleich dieser angezeigten Jahreszahl ist. Mit diesem Element wird ein zusätzliches Angebot für meine Entscheidungsfindung gemacht und mein Spielrhythmus muss vielleicht neu justiert werden.
Somit wird übrigens deutlich, dass man keine Simulation spielt. Denn im Gegensatz zur realen Geschichte kann ich erst die "Freischule Regensburger" vor der "Geldschule Herbst" bauen. Diese Freiheit von der historischen Wahrheit wird uns gegeben. Trotzdem hat man sehr wohl das Gefühl, ein Stück Stadtgeschichte nachzuspielen. Das wird hauptsächlich durch den Torfmarkt erreicht. In der ersten Phase der wachsenden Stadt herrscht Mangel daran. Doch mit einem ersten ausgebauten Gleis und der technischen Fortentwicklung wendet sich das Blatt und auf einmal herrscht Torf im Überfluss.
Über die Optik lässt sich bei 2F-Spielen immer streiten. Ja, der Spielplan hätte gerne etwas mehr Farbe vertragen können, auch wenn dadurch die bunten Plättchen der gebauten Bauwerke schön hervorstechen können. Trotzdem mag ich den Stil. Und wahrscheinlich bestehen auch ganz viele Anspielungen auf reale Begebenheiten und Personen, die ich als Außenstehender nur nicht verstehe.
Fazit: FINDORFF ist ein schnell gespielter Engine-Builder mit ganz eigenem Spielgefühl. Ob das nun unbedingt massenkompatibel ist, mag ich nicht einschätzen wollen. Doch auch ohne den zwangsläufigen Lokalkolorit weiß es spielerisch zu überzeugen. Und da ich ohnehin eine Vorliebe für Rondell-Spiele habe, habe ich mit FINDORFF definitiff ffiel Ffreude.
Titel | Findorff |
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Autor | Friedemann Friese |
Illustrationen | Lars-Arne „Maura“ Kalusky |
Dauer | 90 Minuten |
Personenanzahl | 1 bis 5 Personen |
Zielgruppe | nostalgische Kennerspielrunden |
Verlag | 2F-Spiele |
Jahr | 2022 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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