Glück Auf von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling erschienen bei eggertspiele
Manchmal ist das so ein Problem mit dem Image. Hat man es ersteinmal weg, wird es schwer, es wieder los zu werden. Gutes Beispiel dafür ist das Ruhrgebiet. Denn die Realität hat mit den ersten Bildern im Kopf meist wenig zu tun – und so kann bspw. auch der VfL Bochum begeisternde Spiele zeigen 😉 . So gesehen hat die Themenwahl von GLÜCK AUF etwas von selbst erfüllender Prophezeiung. Denn GLÜCK AUF hat in der Brettspielwelt einen etwas zweifelhaften Ruf. Meist wird es als "grundsolide – aber mehr auch nicht" bezeichnet. Wie ist meine Meinung dazu?
Thema... spricht erstaunlich viele Mitspieler an. Oft höre ich "endlich mal kein Mittelalter". Stimmt, denn bei GLÜCK AUF ist man Ende des 19. Jahrhunderts in Essen. Als Minenbesitzer fördern die Mitspieler Kohle und verladen diese auf verschiedene Verkehrsmittel – und nach der Schicht geht es in die Kantine!
Illustrationen... sind von Dennis Lohausen und ein echtes Highlight. Völlig verdient wurde GLÜCK AUF mit dem Graf Ludo 2014 für die "Schönste Familienspielgrafik" ausgezeichnet. Es gibt so viele tolle Details zu betrachten, dass man sich manchmal wünscht, die Mitspieler würden längere Grübelpausen einlegen. Einzig die Unterscheidung zwischen "hellen" und "dunklen" Tunnelplättchen könnte besser sein. Ansonsten ist aber die Grafik und auch die Symbolik ein Musterbeispiel für die Einheit von Funktionalität und Schönheit.
Ausstattung... geht bekannte eggertspiele-Pfade. Als Spielerfarbe ist somit immer noch kein Grün vorhanden, was manche meiner Mitspieler vor ernste Probleme stellt. Doch ernsthaft: das beiliegende Material ist bei mir von bewährter Qualität. Es besteht aus vielen Holz- und Pappteilen, Karten und Papiergeld.
Letzeres ist jedoch suboptimal. Weniger, weil mir auf dem 5er die Autoren entgegen blicken, sondern weil hier leider vergessen wurde, den verschiedenen Werten unterschiedliche Papierfarben zuzuordnen. So muss man dauernd genau nachsehen, wie groß das aktuelle Einkommen ist. Auch fühlt sich das Papiergeld irgendwie nicht wertig an. Mein Fall ist es nicht – und so spiele lieber mit Münzen aus anderen Spielen. Von manchen Spielern hörte man, dass die Pappteile des Aufzugs verzogen waren, so dass dieser nur eingeschränkt nutzbar war (bzw. diese Teile mit einiger Geduld gerade gebogen werden mussten).
Aufzug? Ja, Aufzug! Genauer müsste man wohl aber "Förderanlage" schreiben. Denn unser Bergwerk muss doch irgendwie die abgebaute Kohle an die Oberfläche transportieren. Dies wird schön mit einem Förderkorb in einer Schachteinlage simuliert. Dieses Gimmick funktioniert bei mir tadellos und hat einen sehr hohen Aufforderungscharakter.
Ablauf... ist "Worker-Placement" in Reinform kombiniert mit "pick-up and delivery". Zu viel Denglisch? Dröseln wir das Ganze mal auf...
Der Spielplan sieht fünf Bereiche vor, in die man Arbeiter schicken kann. So erhält man dann Tunnelplättchen für das eigene Bergwerk, Aufträge um geförderte Kohle gegen Siegpunkte zu tauschen und Geld. Zusätzlich kann man die Auslieferung an ein Transportmittel starten und erwirbt Aktionspunkte zum Fördern der Kohle.
Das meiste ist geübten Spielern schon bekannt. Will man ein Tunnelplättchen erwerben, dann muss man diese je nach Wertigkeit bezahlen. Tunnel direkt unter der Oberfläche sind günstiger als in der Tiefe – und natürlich ist die günstige Kohle später weniger Siegpunkte wert als die teure Kohle. Im Spiel wird das über verschiedene Farben der Loren bzw. Kohlewürfel dargestellt. Außerdem wird noch nach "hellen" und "dunklen" Tunnelplättchen unterschieden. Die hellen werden links vom Schacht angelegt, die dunklen rechts davon. Am Spielende sollten sich die Anzahl der Plättchen dann die Waage halten, denn ansonsten bekommt man Minuspunkte. Das für den Tunnelausbau notwendige Geld erhält man übrigens zinslos direkt bei der Bank (scheinbar schickt man also Arbeiter dorthin, um die Bank zu überfallen).
Zusätzlich will man Aufträge besitzen und erfüllen, damit man die geförderte Kohle gegen Siegpunkte tauscht. Hier sind für die interne Logistik die Verkehrsmittel von Belang. Denn es reicht später aus, einen Arbeiter zum Laster zu schicken, damit alle gefüllten Laster auch losfahren. Besitzt man viele verschiedene Verkehrsmittel auf den Aufträgen, dann muss man auch viele Arbeiter zum Ausliefern einsetzen.
Die Kohle gelangt über den Schritt Fördern auf die Verkehrsmittel. Hierzu erwirbt man über entsprechende Arbeitereinsetzfelder "Arbeitsschritte" (bzw. Aktionspunkte). Ähnlich wie bei TIKAL der beiden Autoren kann man diese nun auf verschiedene Unteraktionen verteilen:
- Verladen der Kohlewürfel von den Loren in den Förderkorb
- Bewegen des Förderkorbs
- Ausladen der Kohlewürfel auf das farbgleiche Abladefeld eines Auftrages (bzw. Zwischenlagern und später dann Verladen)
Das waren schon alle möglichen Aktionen. Der besondere Worker-Placement-Clou von GLÜCK AUF ist, dass schon besetze Einsetzfelder nicht für die nachfolgenden Spieler gesperrt sind, sondern dass man lediglich einen Arbeiter mehr als schon dort stehend einsetzen muss. Stehen auf einem Feld also zwei Arbeiter, dann muss der nachfolgende Spieler drei einsetzen, wenn er das Feld nutzen will. Die bisherigen Arbeiter sind fertig mit ihrer Schicht und wandern in die Kantine.
Gespielt wird über drei Runden (=Schichten). Am Ende einer jeden Runde werden verschiedene Kriterien mehrheitengemäß abgerechnet. Also wer bspw. die meisten schwarzen Ablagefelder auf seinen ausgelieferten Aufträgen hat, der bekommt 5 Siegpunkte (der Spieler mit den zweitmeisten 2 Siegpunkte). Dabei werden die ersten vier Wertungskriterien während einer Partie dreimal ausgewertet, die nächsten vier nur zweimal und die letzten Kriterien nur einmal.
Das gefällt mir nicht so gut: Dieser Wertungsmechanismus klingt erst einmal ganz harmlos, ist aber eher als knallhart zu bezeichnen. Denn ein Aufholen von Rückständen ist fast aussichtslos. Zu solchen Rückständen kann es kommen, wenn am Ende der Runde keine Arbeiter mehr übrig sind, um die aufgeladenen Kohlewürfel auch noch abzutransportieren. Man sollte also durchaus einen guten Plan haben, was man in einer Schicht alles machen will und auch kann. Dabei sind die Mitspieler unbedingt mit einzukalkulieren, denn diese geben maßgeblich die Kosten für das Einsetzen der Arbeiter vor. Aus diesem Grund verorte ich GLÜCK AUF auch in den Kennerspiel-Bereich. Von den eigentlichen Mechanismen her könnte es auch als Familienspiel herhalten, die Wertung ist aber eher anspruchvoll (also in Relation). So kann GLÜCK AUF für manche Mitspieler äußerst frustrierend verlaufen, wenn diese in der Anfangsphase nicht optimal gespielt haben.
Die drei zu spielenden Runden sind sich größtenteils sehr ähnlich. Natürlich kommen neue Wertungskriterien am Ende einer Runde hinzu, aber trotzdem macht man eigentlich immer das Gleiche in ähnlicher Reihenfolge: Tunnelplättchen erwerben, Aufträge holen, Kohle fördern und verteilen sowie final Aufträge abtransportieren. Das Ganze ist recht repetitiv. Die Aufträge werden also nicht wertvoller oder es öffnen sich neue Einsetzfelder. Dadurch verläuft die Spannungskurve auch verhältnismäßig flach.
Manche Spieler haben sich über einen etwas zu hohen Glücksanteil beschwert. Das sehe ich persönlich aber nicht so. Natürlich liegen immer mal Tunnelplättchen oder Aufträge aus, die nicht optimal sind. Aber einerseits ist meiner Meinung nach die Auswahl an sich groß genug. Andererseits kann man, bei unbefriedigender Auslage, auch über spezielle Einsetzfelder sich aus dem Nachschub eines von den nächsten fünf Tunnelplättchen bzw. Aufträgen aussuchen. Hat man hier Pech, dann kann man es nochmals versuchen – oder man schwenkt eben ein wenig um. Das Spiel lässt diese Freiheiten zu.
Das gefällt mir gut: GLÜCK AUF ist sehr eingängig und man kann problemlos mit Neulingen spielen, wenn man ihnen gut die abschließende Rundenwertung und die damit verbundenen Fallen erklärt. Durch die vielen kleinen Entscheidungen ist man ständig eingebunden. Die Interaktion ist über das Besetzen von Feldern aber auch über das Wegschnappen von Tunnelplättchen und Aufträgen einigermaßen hoch – zumal auch die Mehrheiten berücksichtigt werden wollen.
Die Förderanlage ist mehr als nur ein netter Gimmick. Natürlich muss man schon seine Förderschritte berechnen können, aber durch die zusätzliche Haptik, fällt das vielen Menschen leichter. Es macht einfach Spaß, seine Kohlewürfel in den Förderkorb zu legen und mit diesem rauf und runter zu fahren.
Zusätzlich besitzt GLÜCK AUF einige unscheinbare Stellschrauben, die jedoch ihren Sinn ergeben. So wird der Startspieler bspw. geschickt darüber bestimmt, wer in der aktuellen Runde die meisten Arbeiter für die Tunnelplättchenbeschaffung eingesetzt hat – und Startspieler sein, kann enorme Vorteile bieten. Auch kann man einen unbedingt benötigten Kohlewürfel durch zwei anders farbige ersetzen. Solche kleinen Regeldetails werden dann abfälligerweise manchmal als "weich gespült" bezeichnet. Allerdings garantieren sie einen reibungsarmen Ablauf und weniger Frustationen bei den Spielern. Insbesondere in der aktuellen Zeit, wo viele Kickstarter-Spiele mit einigen Ecken und Kanten veröffentlicht werden, merkt man GLÜCK AUF die aufmerksame Arbeit der Autoren und der Redaktion an.
Die gute redaktionelle Betreuung macht sich an vielen kleinen Details bemerkbar. So finde ich die Skalierung der Spieleranzahl gut gelungen. Auch dass die eigenen Tableaus mit den Spielerfarben versehen sind, ist ein nettes kleines Detail (insbesondere deswegen, weil man so die Farbe von dem Mitspieler angezeigt bekommt, der sonst immer grün spielt 😉 ). Oder auch, dass nicht erfüllte Aufträge am Ende Minuspunkte verursachen. Man kann also nicht einfach mal Aufträge horten und schauen, welche man dann erfüllen kann. In diesem Zusammenhang ist auch die Regel ausdrücklich zu loben (sehr gut strukturiert und optimal erklärt).
Auch wenn die Mechanik nicht immer ganz zum Thema passt ("Gleichgewicht der Stollen"), so freue ich mich trotzdem über das gewählte Thema. Erstens ist es einfach mal etwas anderes und zweitens wirkt es größtenteils auch nicht wahllos über die Mechanik gestülpt. Großen Anteil daran hat sicherlich die großartige Grafik von Dennis Lohausen.
Fazit: Bei GLÜCK AUF habe ich immer das Gefühl, dass Potenzial verschenkt wurde. Ähnlich wie bspw. bei ASARA wird ein toller Grundmechanismus (hier: bereits besetze Felder können durch mehr Arbeiter trotzdem genutzt werden) in ein Spiel überführt, dass einen nicht wirklich emotional berührt. Alles flutscht, alles ist rund, aber irgendwie fehlt der entscheidende Funken. Ich würde GLÜCK AUF jederzeit gerne mitspielen, aber selbst vorschlagen würde ich es wohl eher selten (so bevorzuge ich bspw. STONE AGE, wenn ich Neueinsteigern mit Worker-Placement konfrontieren will). Einen festen Platz in meinem Spielezimmer hat es aber sicher, da ich durch die Holzbox einem bei mir seltenen Sammeltrieb folge.
Mmmh – so komme also auch ich zu dem Urteil: grundsolide! Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wenn es also mal nicht das Drei-Sterne-Menü sein soll, sondern eher die Currywurst, dann kann man bedenkenlos zu GLÜCK AUF greifen.
Titel | Glück Auf |
Autor | Wolfgang Kramer und Michael Kiesling |
Illustrationen | Dennis Lohausen |
Dauer | 60 – 75 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | Kennerspiel |
Verlag | eggertspiele (Pegasus) |
Jahr | 2013 |
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