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Hadrian's Wall von Bobby Hill – erschienen bei Garphill Games

Hadrian's Wall - Box
Bild: Gar­phill Games

Mit HADRIAN'S WALL been­de ich nun mei­ne klei­ne Flip-and-Wri­te Tri­lo­gie. Das Spiel ist hier im Blog kein unbe­kann­tes, da es sich schon einen Platz in mei­ner Top-Lis­te mit Schott­land­be­zug erkämpft hat. In mei­nen Run­den wur­de es aber immer recht über­rascht auf­ge­nom­men. Mitt­ler­wei­le soll­te das Spiel aller­dings etwas mehr in der deutsch­spra­chi­gen Brett­spiel-Sze­ne ange­kom­men sein, da es nun auch auf deutsch im Schwer­kraft-Ver­lag als HADRIANSWALL erschie­nen ist. 

The­ma... als römi­sche Befehls­ha­ber bau­en wir unser Kas­tell am Hadri­ans­wall aus. Da wir "zivi­li­sier­te" Römer sind, wer­den im Umfeld sogar Bäder und Thea­ter errich­tet. Außer­dem wird auch der Han­del gestärkt und den Göt­tern gehul­digt. Aber da wir dum­mer­wei­se immer wie­der von den Pik­ten angrei­fen wer­den, ist es genau­so wich­tig, den Wall zu ver­stär­ken und mit genü­gend Sol­da­ten zu bestücken. 

Illus­tra­tio­nen… stam­men aus der Feder von Sam Phil­lips, der doch einen ziem­lich eige­nen Stil pflegt. Schon bei RAIDERS OF SCYTHIA hat mir die­ser sehr gut gefal­len – auch, weil die­ser Stil eine neue Note dar­stellt. Ich möch­te jetzt nicht jedes Spiel der­art illus­triert wis­sen, aber ab und zu stellt die­se Art der Gestal­tung eine Erfri­schung dar. Da auch die gewähl­te Sym­bol­spra­che gut funk­tio­niert, kann man nur fest­stel­len, dass in die­sem Fall jemand sein Hand­werk beherrscht.

Hadrians Wall - Inhalt
viel Flair, wenig Air

Aus­stat­tung… Die erfreu­lich kom­pak­te Box ist schwer und voll. Haupt­säch­lich des­we­gen, weil dort zwei rich­tig dicke Blö­cke mit zwei zusam­men­hän­gen­den Spiel­plä­nen drin ste­cken. Zusätz­lich kom­men die Res­sour­cen und das ver­schie­den­far­bi­ge Per­so­nal in Holz daher. Und natür­lich dür­fen bei einem Flip-and-Wri­te auch die Kar­ten nicht feh­len. Die­se unter­tei­len sich in die all­ge­mei­nen Schick­sals­kar­ten und ein per­sön­li­ches Kar­ten­deck. Ärger­li­cher­wei­se feh­len aller­dings Stif­te. Die hät­ten schon noch in die Box gepasst...

Ablauf… über sechs Run­den ver­bes­sert man durch unzäh­li­ge Kreu­ze und Krin­gel das eige­ne Kas­tell, um am Ende die meis­ten Sieg­punk­te zu besit­zen. Zu Beginn einer Run­de erhal­ten alle Mit­spie­len­den über eine Schick­sals­kar­te Res­sour­cen und ver­schie­de­ne Arbei­ter-Figu­ren. Zusätz­lich decken alle nun zwei ihrer per­sön­li­chen Kar­ten auf. Eine davon legt man erst ein­mal zu Sei­te, um damit am Ende Sieg­punk­te zu gene­rie­ren. Für die ande­re Kar­te erhält man wei­te­res Mate­ri­al. Durch frei­ge­schal­te­te Boni auf dem Spiel­plan erhöht sich zusätz­lich noch das indi­vi­du­el­le Einkommen.

Hadrians Wall - Setup
rea­dy to rumble

Nun beginnt die wil­de Tau­sche­rei. Man gibt Mate­ri­al ab, um damit auf ver­schie­de­nen Leis­ten Kreu­ze zu machen, für die man wie­der neu­es Mate­ri­al bekommt. Das machen alle Betei­lig­ten simul­tan so lan­ge, bis alle ihr gesam­tes Mate­ri­al für die Run­de auf­ge­braucht haben. Nun grei­fen durch das Auf­de­cken einer bestimm­ten Anzahl von Schick­sals­kar­te die Pik­ten an. Jede Kar­te zeigt dabei an, ob der lin­ke, mitt­le­re oder rech­te Mau­er­ab­schnit­te atta­ckiert wird. Habe ich die­sen genü­gend gesi­chert, erhal­te ich eine klei­ne Beloh­nung – wenn nicht, gibt es einen Sieg­punkt-Malus für das Ende.

Hadrians Wall - Schicksalskarten
die Pik­ten als Geg­ner rei­chen aus

Das gefällt mir nicht so gut: Es gibt eini­ge Spie­le, die man ger­ne flap­sig als Mulit­play­er-Soli­tär Spiel bezeich­net. Die­ser Begriff ist für HADRIAN'S WALL aller­dings eine Unter­trei­bung. Denn eigent­lich gibt es kei­nen Grund, war­um man die­ses Spiel mit ande­ren Leu­ten spie­len soll­te. Bei vie­len Roll-and-Wri­te Spie­len hat man das Gefühl, dass man eher neben­ein­an­der als mit­ein­an­der spielt. Auf­grund der kur­zen Spiel­zü­ge wird das meist aber nicht nega­tiv wahr­ge­nom­men – wahr­schein­lich auch des­we­gen, weil alle gemein­sam etwas zu tun haben. Bei HADRIAN'S WALL ist die­ses Gefühl des Neben­ein­an­der-Spie­lens aber extrem. Denn zwi­schen dem Auf­de­cken der Schick­als­kar­te am Anfang der Run­de und dem abschlie­ßen­dem Pik­ten-Über­fall lie­gen schon mal fünf bis zehn Minu­ten, in dem alle wie wild ihr Mate­ri­al tau­schen und ihre Spiel­plä­ne bear­bei­ten. Da man sich dabei kon­zen­triert muss, will man bit­te auch nicht in die­ser Pha­se gestört wer­den. Natür­lich könn­te man auch nach­ein­an­der jeweils immer einen der vie­len klei­nen Spiel­zü­ge machen. Aber ers­tens dau­ert dann eine Par­tie HADRIAN'S WALL recht lan­ge, und zwei­tens will man auf­grund der vie­len Ket­ten-Effek­te ungern war­ten, bis man selbst wei­ter machen kann. Am Ende ist bis dahin viel­leicht der glor­rei­che Plan auf­grund der vie­len Mög­lich­kei­ten wie­der ver­ges­sen wor­den. Außer­dem ist man doch gera­de so schön im Flow. Bei HADRIAN'S WALL hat man oft­mals das Gefühl, dass die Mit­spie­len­den eher stö­ren als hel­fen. Es gibt zwar ein paar klei­ne inter­ak­ti­ve Spiel­ele­men­te, aber die ver­än­dern nicht das soli­tä­re Spielgefühl.

Das Spiel strotzt vor Mög­lich­kei­ten und es gibt eine Men­ge dabei zu ent­de­cken. Ger­ne habe ich dabei auch ande­ren über die Schul­ter geschaut. Wel­che Rich­tung wird dort ein­ge­schla­gen? Wel­che Wege wer­den bevor­zugt? Was dabei auf­fiel: kaum jemand spielt auf die Gla­dia­to­ren – ich übri­gens auch nicht. Viel­leicht habe ich deren Wir­ken noch zu wenig durch­drun­gen, aber ich fin­de die­ses Ele­ment im Ver­gleich zu all den ande­ren als deut­lich unattraktiver.

Hadrians Wall - Minispiel
Tetris-Mini­spiel im Spiel

Das gefällt mir gut: Ähn­lich wie GANZ SCHÖN CLEVER ist der Spiel­me­cha­nis­mus von HADRIAN'S WALL sehr beloh­nend. Dabei ist es ein­fach ein befrie­di­gen­des Gefühl, wie man immer wie­der geschickt die Spiel­run­de ver­län­gern kann, um am Ende die Mau­er noch bes­ser schüt­zen zu kön­nen – und dann atta­ckie­ren die Pik­ten aus­ge­rech­net die schwach besetz­te Flan­ke. Vor allem die­se Angrif­fe am Run­den­en­de zie­hen immer wie­der den Span­nungs­bo­gen an, so dass eine Par­tie in ange­neh­men Wel­len ver­läuft. Man lässt sich zu Beginn über­ra­schen, wel­ches Mate­ri­al zur Ver­fü­gung steht. Beginnt dann lang­sam mit der Pla­nung, kommt meist in einen Flow, der schließ­lich mit dem fina­len Angriff endet. Dann wird kurz durch­ge­at­met und man beginnt wie­der von vor­ne. Aller­dings wer­den nun die Aktio­nen wer­ti­ger, da schließ­lich das Kas­tell in der Zwi­schen­zeit wei­ter aus­ge­baut wur­de. Außer­dem weiß man immer mehr, auf wel­che Zie­le man in die­ser Par­tie nun über­haupt spielt.

Hadrians Wall - Personenkarten
Wel­che Kar­ten tref­fen die­ses Mal aufeinander?

Das Erkun­den der vie­len Mög­lich­kei­ten macht dabei den größ­ten Reiz von HADRIAN'S WALL aus. Hin­zu kommt, dass man im Vor­feld nicht sagen kann, wel­che Stra­te­gie erfolg­reich sein wird. Denn man ist einer­seits abhän­gig von den auf­ge­deck­ten Schick­sals­kar­ten und ande­rer­seits auch von den per­sön­li­chen Kar­ten. Bei Letz­te­ren hat man bald sei­ne Lieb­lin­ge – aber wenn die­se gleich­zei­tig auf­ge­deckt wer­den, muss man sich für eine der bei­den Kar­ten ent­schei­den. Ähn­lich schlimm ist es, wenn die Kar­te, auf die man ins­ge­heim opti­miert hat, für die Mate­ri­al­be­schaf­fung genutzt wer­den muss, weil man bspw. unbe­dingt noch die­sen einen zusätz­li­chen Sol­da­ten benö­tigt. Dan­kens­wer­ter­wei­se ist der Zufalls-Anteil aber über­schau­bar und man hat nicht das Gefühl, dass man dem Glück oder Pech aus­ge­lie­fert ist. Viel­mehr wird durch die Kar­ten eine Rich­tung vor­ge­ge­ben und man muss dar­aus dann das Bes­te machen. Dar­über hin­aus gibt es noch klei­ne Ele­men­te, bei denen man ein wenig zocken kann. Aber die­se lockern das ansons­ten von Stra­te­gie gepräg­te Spiel auf und ver­hin­dert ein Spie­len nach vor­ge­ge­be­nem Drehbuch. 

HADRIAN'S WALL ist vom Cha­rak­ter ein Solo-Spiel. Trotz­dem spie­le ich es ger­ne mit ande­ren Leu­ten. Ers­tens flucht es sich in der Grup­pe schö­ner, wenn die Pik­ten kon­zen­triert eine Flan­ke angrei­fen. Zwei­tens macht es mir mehr Spaß, den fina­len Punk­te­wert mit ande­ren als mit einer Tabel­le zu ver­glei­chen. Rei­ne Solo-Spie­ler kom­men aber spä­tes­tens mit der zusätz­lich als Down­load ange­bo­te­nen Solo-Kam­pa­gne voll auf ihre Kos­ten. Dabei müs­sen ent­lang des Hadri­ans­walls 16 Kas­tel­le erfolg­reich gebaut wer­den – und das ist wirk­lich her­aus­for­dernd schwer.

Hadrians Wall - Rundenanzeiger

Mich über­zeugt an HADRIAN'S WALL ins­be­son­de­re auch die the­ma­ti­sche Ein­bet­tung. Vie­les, was man macht, ergibt einen Sinn aus der Bedeu­tung der ein­zel­nen Arbei­ter-Figu­ren. Alle Berei­che sind mit­ein­an­der ver­zahnt, denn schließ­lich bestand eine sol­che Ansied­lung nicht nur aus Sol­da­ten. Löb­lich ist in die­sem Kon­text, dass in der Anlei­tung auch expli­zit auf das The­ma Skla­ve­rei ein­ge­gan­gen wird. Zusam­men mit der gelun­ge­nen gra­phi­schen Gestal­tung wird somit aus HADRIAN'S WALL eine abso­lut run­de Sache. Die ein­zel­nen Spiel­ele­men­te sind dabei sehr durch­dacht und wir­ken har­mo­nisch. Viel­leicht ist dabei der ein oder ande­re Schnör­kel zu viel im Ange­bot. Aber die­se kann man dann beden­ken­los igno­rie­ren und sich auf ande­re Sachen konzentrieren.

Hadrians Wall - Ressourcen
bit­te anfassen!

Als gro­ßen Vor­teil sehe ich übri­gens an, dass die ein­zel­nen Mate­ria­li­en auch als sol­che tat­säch­lich zur Ver­fü­gung ste­hen. In letz­ter Zeit wird man immer wie­der mit "vir­tu­el­len" Res­sour­cen kon­fron­tiert und ins­be­son­de­re bei einem Roll-and-Wri­te kann man schnell auf die Idee kom­men, die­se ledig­lich mit Hil­fe einer Strich­lis­te Haus­halt fest­zu­hal­ten. Aber es hilft bei der Pla­nung unge­mein, wenn man benö­tig­te Mate­ria­li­en in Grup­pen zusam­men­fü­gen kann. Zusätz­lich macht das Hap­ti­sche ein­fach mehr Spaß!

Fazit: HADRIAN'S WALL ist ein anspruchs­vol­les Flip-and-Wri­te Spiel. Die vie­len Mög­lich­kei­ten wer­den erst durch vie­le klei­nen Regeln und Mini­spiel­chen ermög­licht, so dass es schon einen gewis­sen Lern­auf­wand erfor­dert. Hat man die gan­zen Mög­lich­kei­ten aber ver­in­ner­licht, dann wird man mit einem the­ma­tisch stim­mi­gen und span­nen­den Spiel im unge­wohn­ten Set­ting belohnt.

TitelHadrian's Wall
AutorBob­by Hill
Illus­tra­tio­nenSam Phil­lips
Dau­er30 bis 60 Minuten 
Per­so­nen­an­zahl1 bis 6 Personen
Ziel­grup­pesolis­ti­sche Kennerspielrunden
Ver­lagGar­phill Games
Jahr2021

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