Harry Potter: Verteidigung gegen die Dunklen Künste von Kami Mandell – erschienen im KOSMOS Verlag
Kooperative Spiele sind sicherlich kein aktueller Trend mehr, sondern haben sich in den letzten Jahren etabliert. Meistens ist es auch ganz nett, gemeinsam die Welt zu retten oder das Böse zu besiegen. Aber manchmal möchte man auch gerne egoistisch sein und nur an sich denken – und dabei die Anderen den Staub des Verlierens schlucken lassen. Für Gruppen, die gerne mal mehr, mal weniger harmonisch Voldemort besiegen wollen ist HARRY POTTER: KAMPF UM HOGWARTS eine gute Wahl. Wenn man aber mehr auf reinrassige Duelle steht, dann sollte man ein Blick auf HARRY POTTER: VERTEIDIGUNG GEGEN DIE DUNKLEN KÜNSTE werfen. Das wurde aus KAMPF UM HOGWARTS abgeleitet und ist ebenfalls ein klassischer Deckbuilder, der doch ziemlich an das geniale STAR REALMS erinnert.
Thema... wie es sich für einen effektiven Unterricht in 'Verteidigung gegen die Dunklen Künste' gehört, hauen wir uns dabei nur so die Zaubersprüche um die Ohren. Ziel ist es, in einem Duell mein Gegenüber dreimal auf die Bretter der Enttäuschung zu schicken. Da hilft es ungemein, dass man während der Unterrichtsstunde nach und nach genügend Zaubersprüche angesammelt – und zur Not auch auf besondere Gegenstände und gar Verbündete zurückgreifen kann.
Illustrationen… sind leider von unerwähnter Hand. Diese Nicht-Nennung ist schade, liegt aber wohl auch darin begründet, dass die Karten von den vielen Fotos aus den Verfilmungen dominiert werden. Ich gehe ein wenig davon aus, dass die restlichen Illustrationen direkt aus HARRY POTTER: KAMPF UM HOGWARTS entnommen wurden, wofür Joe Van Wetering verantwortlich war. Zumindest ist auch bei VERTEIDIGUNG GEGEN DIE DUNKLEN KÜNSTE die grafische Gestaltung stimmig und trägt viel zu der guten Immersion bei.
Ausstattung… ist deutlich kompakter als HARRY POTTER: KAMPF UM HOGWARTS. Trotzdem finden sich viele Parallelen zum großen Bruder. Am Augenscheinlichsten sind die Marker für das Geld, die Angriffsblitze, die Lebensenergie-Herzen sowie die tollen kleinen Metall-Totenköpfe. Aber auch ein Großteil der Karten sieht auf den ersten Blick ähnlich aus, auch wenn in VERTEIDIGUNG GEGEN DIE DUNKLEN KÜNSTE leichte Anpassungen vorgenommen wurden. So kommen die Verbündeten nun im Querformat daher und sind dabei teilweise den einzelnen Häusern Hogwarts zugeordnet. Außerdem gibt es zwei neue Arten von Karten: mit den Fluchkarten vermüllt man das gegnerische Deck und die dauerhaft ausliegenden Buchkarten sind eine kostengünstige Alternative beim Kauf neuer Karten.
Ablauf… statt das Böse zu bekämpfen, erproben wir erst einmal unsere Zauberkünste an unserer Mitschülerschaft. Wie im klassischen Duell wird sich gegenüber aufgestellt und man versucht die gegnerische Lebensenergie auf 0 zu senken. Passiert dies, hat man eine von drei notwendigen Runden gewonnen.
Mechanisch funktioniert das folgendermaßen: nacheinander spielen wir unsere fünf Handkarten aus. Damit erhalten wir Geld, um neue Karten zu kaufen. Oder wir erschaffen Blitze, um die gegnerische Lebensenergie zu senken. Man kann stattdessen aber auch Herzen bekommen, um die eigene Energie aufzuladen. Hat man einen Fluch auf der Hand, muss man diese Karten leider zu erst ausspielen, was immer mit negativen Folgen verbunden ist. Dahingegen spielt man Verbündete deutlich lieber aus, da diese nicht am Ende des eigenen Zuges wieder abgeräumt werden, sondern dauerhaft Vorteile bringen. Zusätzlich können sie neben ihren eigenen Fähigkeiten auch noch bestimmte "Haus-Zauber" verstärken.
Das gefällt mir nicht so gut: Im Idealfall dauert eine Partie VERTEIDIGUNG GEGEN DIE DUNKLEN KÜNSTE etwa eine halbe Stunde, bei der es wild hin uns her wogt. Im Idealfall verhindert man gerade so noch den eigenen K.O., setzt zum Gegenschlag an und macht vorher den wichtigen Punkt. Allerdings verlaufen die meisten Partien nicht wie im Idealfall. Weniger schlimm finde ich dabei Abreibungen, bei denen man sich mit einem 0:3 eine blutige Nase abholt. Das kann mal passieren, es gibt so Tage. Das kenne ich noch von früher im Sport. Nerviger finde ich, wenn eine Partie unheimlich lange und zäh ist. Wenn beide nicht wirklich in die Gänge kommen, man sich einen Fluch nach dem anderen an den Kopf wirft und man das Gefühl hat, dass nichts voran geht. Solche Partien sind bei einer unglücklichen Kartenverteilung möglich. Das ist nicht die Regel, aber auch leider keine echte Ausnahme. Somit verhindert das Wissen um diesen Umstand, dass das Spiel öfter auf den Tisch gebracht wird. Wenn ich mit meinen Kindern noch schnell ein Spiel vor dem Abendessen spielen will, dann möchte ich das auch sicher beenden können. Denn nichts ist unbefriedigender, als mittendrin abbrechen zu müssen. Ein solches "Überbrückungsspiel" ist VERTEIDIGUNG GEGEN DIE DUNKLEN KÜNSTE nicht – zumindest nicht sicher.
Die Verbündeten finde ich an für sich eine feine Sache. Sie erinnern mich stark an die Basen aus STAR REALMS. Allerdings sind diese dort weniger starr als nun die Verbündeten in VERTEIDIGUNG GEGEN DIE DUNKLEN KÜNSTE. Wenn eine Verbündeten-Karte ausgespielt wird, dann bleibt diese im Regelfall bis zum Rundenende auch liegen und ist wirksam. Es gibt kaum Möglichkeiten für mich, diese zu bekämpfen. Bei STAR REALMS hat man hier eine schönere Entscheidungsebene. Soll ich Kampfkraft darauf verwenden, die Basen zu zerstören oder greife ich direkt an? Bei VERTEIDIGUNG GEGEN DIE DUNKLEN KÜNSTE muss ich die Verbündeten als gegeben akzeptieren und kann nur hoffen, schneller den K.O. auszulösen als selbst das Opfer zu werden. Zumindest zieht somit die Spielgeschwindigkeit deutlich an.
Glück ist ein wichtiger Faktor! Bekommt man früh eine Karte, um damit Flüche zu verteilen, wird es zu einer unrunden Partie kommen, wenn auf der anderen Seite keine Gegenkarte existiert. Doch welche Karte wann ins Angebot kommt, ist reiner Zufall. Das macht sich besonders bei den Flüchen bemerkbar. Diese sind so stark, dass sie einem die Lust am Spielen nehmen können. Vor allem bei Neulingen bin ich mittlerweile dazu übergegangen, alle Flüche und deren Karten zu eliminieren, um davon unbedarft spielen zu können. Somit wird auch die Spieldauer etwas planbarer.
Das gefällt mir gut: Eine gelungene Partie VERTEIDIGUNG GEGEN DIE DUNKLEN KÜNSTE beginnt langsam und steigert sich dann immer mehr. Ich vergleiche das gerne mit einem Fechtkampf – zumindest so, wie mir diese aus stundenlangen Übertragungen der Olympischen Spiele in Erinnerung geblieben sind. Es beginnt mit einem leichten Abstasten. Es wird mal ein Angriff gesetzt, es wird sich zurück gezogen und man beobachtet dabei sein Gegenüber. Nach diesem gemächlichen Einstieg zieht dann aber auf einmal das Tempo an und man spielt einen Angriff nach dem anderen aus. Man stößt vor, pariert geschickt und hofft, als erstes den wichtigen Treffer zu setzen. Dann gibt es eine kleine Pause, man sortiert sich wieder und dieses Spielchen beginnt von vorne. Ich finde das äußerst reizvoll!
Bei VERTEIDIGUNG GEGEN DIE DUNKLEN KÜNSTE hat man gut auf die Kritiken zu KAMPF UM HOGWARTS gehört und einige bestehende Schwachstellen ausgemerzt. Am deutlichsten wird das mit den Büchern. Diese liegen nun dauerhaft als zusätzliches Kauf-Angebot aus und können dann in späteren Zügen als wirksame Finanzspritze wieder ausgegeben werden. Auch dieses Element erinnert deutlich an STAR REALMS und die dortigen Entdecker. Aber dieser einfache Kniff ist auch genial! Sind mir die Karten in der Auslage zu teuer, kann ich für die Zukunft vorsorgen. Ist mein Deck gut genug, kann ich die Bücher aber auch problemlos wieder entsorgen.
Mit den verschiedenen Haus-Verbündeten kommt nun ein neues strategisches Element hinzu. Ich kann mich einerseits versuchen zu spezialisieren oder ich versuche mich sehr breit aufzustellen. Im Spielverlauf merkt man dann: mal wäre das eine besser gewesen, mal das andere. Das kann man im Vorfeld nicht wissen. Welche Karten wann in der Auslage erscheinen ist dem Zufall überlassen und somit ein wenig Zockerei. Aber mir gefällt das, da somit die einzelnen Partien spannend bleiben. Man kann sich eben nicht vom Vorfeld vornehmen, dass man nun diese oder jene Strategie fährt. Man muss immer taktisch auf die ausliegenden Karten reagieren. Die einzelnen Haus-Eigenschaften gefallen mir aber auch thematisch sehr gut, vermitteln diese doch ein typisches Harry-Potter-Gefühl. Gut finde ich aber auch, dass durchaus beide Duellanten dem gleichen Haus angehören können.
Somit kann ich also die Ausstattung nochmals loben. Die Hobby-Spielenden können sicherlich auf den Großteil der Marker verzichten. Aber für Gelegenheitsspielende und auch Kinder sind diese sehr hilfreich, um den eigenen Spielzug strukturieren zu können. Die vielen Fotos aus den bekannten Filmen sind ebenfalls hilfreich, um Neugier zu erwecken – zumal auch nicht das Gefühl vermittelt wird, dass diese nur künstlich auf diverse Karten drauf geklatscht wurden. Man kann schon nachvollziehen warum Charakter X diese Funktion hat und Charakter Y jene. Das Thema bleibt also immer präsent. Somit bilden Mechanik, Thema und Gestaltung eine erfreuliche Einheit.
Fazit: HARRY POTTER: VERTEIDIGUNG GEGEN DIE DUNKLEN KÜNSTE erinnert mich stark an STAR REALMS, welches ich spielmechanisch aber noch deutlich besser finde. Jedoch weist VERTEIDIGUNG GEGEN DIE DUNKLEN KÜNSTE das präsentere Thema auf – und dieses ist auch äußerst überzeugend umgesetzt. Vor allem mit Neulingen und interessierten Kindern wird man somit eher Gryffindor gegen Slytherin in den Ring schicken wollen als Blobs die Handelskonföderation angreifen zu lassen.
Titel | Harry Potter: Verteidigung gegen die Dunklen Künste |
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Autor | Kami Mandell |
Illustrationen | ? |
Dauer | 30 bis 60 Minuten |
Personenanzahl | 2 Personen |
Zielgruppe | duellierende Familienspielrunden |
Verlag | KOSMOS |
Jahr | 2021 |
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