Holmes – Sherlock gegen Moriarty von Diego Ibáñez – erschienen im KOSMOS Verlag

Holmes gegen Moriarty – was wie eine logische Verbindung daher kommt, ist erstaunlicherweise lediglich eine Weiterverarbeitung des Titels HOLMES – SHERLOCK & MYCROFT aus dem Hause Devir. Auf der einen Seite also ein Kampf gegen den größten Widersacher – auf der anderen Seite ein Kampf mit seinem Bruder (hier habe ich mir den Witz verkniffen, nun Moriarty zu schreiben). Der KOSMOS-Verlag hat somit in seiner Neuauflage das Thema weg von einem Wettstreit unter Brüdern zu einem Kampf zwischen Gut und Böse verändert.
Thema... Sherlock Holmes muss innerhalb einer Woche seinen neuesten Fall aufklären. Dafür sammelt er Hinweise, um darüber einen Anschlag auf das Parlament aufzuklären – den Moriarty durchgeführt hat. Dieser versucht ebenfalls Hinweise zu sammeln, um diese dann aber zu vernichten! Beide besuchen zu diesem Zweck einflussreiche Personen, die ihnen bei der Suche nach Hinweisen helfen können.

Illustrationen... sind von Pedro Soto und müssen sich in keinster Weise von Arbeiten anderer Grafiker verstecken. Alles wirkt schön dicht und auch die Symbolsprache ist eindeutig und lässt nach kurzer Eingewöhnung keine Fragen offen. Herrn Soto kann man sich gerne merken.
Ausstattung... wartet mit liebevollen Details auf. Die bedruckte Rückseite des Spielplans als Buchumschlag finde ich genial – auch wenn diese Gestaltung natürlich völlig unnötig für das eigentliche Spiel ist. Trotzdem will ich so etwas gerne öfters sehen.

Das Spielbrett dient aber nur als Rundenanzeiger, denn den eigentlichen Motor des Spiels stellen die Karten dar. So gibt es 10 Personenkarten und 52 Hinweiskarten. Die Hinweiskarten gibt es in 7 verschiedenen Arten mit unterschiedlicher Anzahl an Karten entsprechend ihrem Wert (also 9er-Hinweise gibt es bspw. 9mal). Zusätzlich liegen noch kleine Papp-Lupen als sogenannte Einflussmarker bei. Nicht ganz glücklich bin ich mit den Aktionsmarkern. Diese besitzen die gleiche Form wie die Figuren aus TARGI – allerdings in den Farben grau und schwarz. Zusammen mit der eher düsteren grafischen Gestaltung kann man gerne mal seine Figuren auf den Karten suchen. Hier hätte ich mir mehr Mut zu kontrastreicheren Farben gewünscht.

Dem Spiel liegen übrigens noch zwei Mycroft-Karten für eine kleine Variante bei. Ganz außen vor ist das (un)geliebte Bruderherz also in der Kosmos-Ausgabe auch nicht.
Ablauf... ist klassisches Worker-Placement. In jeder der sieben Spielrunden beginnt der Sherlock-Spieler damit, mit einer seiner Aktionsmarkern eine Person zu besuchen. Aufgrund dieses Besuchs wird dann eine personenspezifische Aktion durchgeführt. Dabei stehen immer drei Basis-Aktionen in Form der Personen Dr. Watson, Mrs. Hudson und Inspektor Lestrade zur Verfügung. Die weiteren Personenkarten kommen zufällig ins Spiel (und zwei Personen gar nicht). Man weiß also nicht, welche Personen überhaupt ins Spiel kommen und wann.
Die Aktionen sind zwar alle unterschiedlich, im Kern aber folgende:
- man bekommt Einflussmarker (also die kleinen Lupen)
- man kann Hinweiskarten aus einer Auslage von 4 Karten ziehen
- man kann Hinweiskarten verdeckt vom Talon ziehen
Meistens legt man die ausgesuchten Hinweiskarten sortenrein offen in eine persönliche Auslage. Allerdings kann man die verdeckt gezogenen Hinweise auch erst einmal geheim halten. Diese geheimen Karten werden dann am Ende des Spiels offen in die Auslage gelegt.

Ein kleiner Worker-Placement-Clou ist noch dabei. Am Ende der Runde werden die Figuren nicht etwas eingesammelt, sondern bleiben auf den Karten stehen. Ist man dann am Zug, muss man also eine Figur umsetzen. Das darf dann aber nicht die Personenkarte sein, auf der man eben stand – und auch keine Personenkarte, auf der sich schon eine eigene Figur befindet. Man muss demnach einen eigenen Rhythmus finden. Zusätzlich stehen Personenkarten in der nächsten Runde nicht zur Verfügung, die von beiden Spielern in einer Runde besucht wurden. Um zu verdeutlichen, welche Figur in der aktuellen Runde schon benutzt wurde, werden diese hingelegt (sie sind also müde vom Arbeiten).

Am Ende des Spiels werden nun die einzelnen Hinweisarten miteinander verglichen. Hat man die Mehrheit eines Hinweises, dann erhält man den Wert der Hinweisart minus die Anzahl an Hinweisen, die der Gegenspieler von dieser Art gesammelt hat. Man muss also nicht ganz viele Karten einer Hinweisart haben, sondern lediglich die Mehrheit! Es sei denn, man kann alle ausgespielten Karten einer Art sammeln, denn dann bekommt man noch Bonuspunkte. Joker-Karten können das Gleichgewicht bei den Kartenarten etwas ändern, auch wenn man pro Hinweisart nur einen Joker hinzulegen darf. Außerdem gibt es noch die fünf sogenannten Kartenfragmente, die den Grundriss des Parlaments darstellen. Je mehr Kartenfragmente ein Spieler besitzt, umso mehr Punkte erhält man. Tja, und wer am Ende die meisten Punkte aufweist, hat natürlich gewonnen.

Im Spiel sind noch zwei kleine Varianten enthalten, die das Spielgefühl aber nicht entscheiden ändern. So können die beiden Mycroft-Karten mit in den Personenstapel gemischt werden. Wird eine solche Karte zu Rundenbeginn aufgedeckt, dann verlieren die Spieler entweder Hinweiskarten oder einen Aktionsmarker in der aktuellen Runde. Eine andere Möglichkeit ist es, die Rollenkarten der Spieler zu aktivieren. Dabei hat erst Moriarty ein einmaliges Zugriffsrecht auf die aktuelle Auslage (dieser kann sich also zusätzlich eine Hinweiskarte reservieren). Sobald der Moriarty-Spieler einen Hinweis reserviert hat, dreht er seine Rollenkarte auf die Rückseite. Gleichzeitig deckt der Sherlock-Spieler seine Rollenkarte auf und kann nun seinerseits zu einem beliebigen Zeitpunkt im eigenen Zug einen Hinweis reservieren. Man darf aber nur maximal eine reservierte Karte besitzen. Ausspielen kann man diese reservierten Karten dann, wenn man eine Aktion gewählt hat, bei der man einen Hinweis aus der allgemeinen Auslage bekommt.
Das gefällt mir nicht so gut: Zuerst war ich ein wenig vom eigentlichen Spielablauf enttäuscht. Ich hatte mir bei diesem Titel etwas deduktives erhofft. Ich stellte mir vor, dass Sherlock Hinweise sammeln muss, um ein Verbrechen aufzuklären. Gleichzeitig wird man von Moriarty aktiv daran gehindert. Ich habe also eher ein asynchrones Spiel im düsteren London erwartet (ähnlich wie bei MR. JACK). Stattdessen liegt ein Farbsammelspiel vor! Das musste ersteinmal ein wenig verdaut werden, aber der Fehler lag natürlich bei mir und der falschen Erwartung.

Nicht ganz glücklich bin ich damit, dass fast immer alle Hinweiskarten im Spiel sind. Natürlich kommt es auch zu Partien, bei denen der Kartenstapel nicht ganz aufgebraucht wird (wenn wenig Lupen verteilt werden). Aber beim Großteil meiner Partien kamen schon immer alle Hinweiskarten ins Spiel. Somit wird allerdings der Effekt der verdeckten Hinweise am Ende etwas verwässert, weil man sich dann schon ausrechnen kann, was der Spieler auf der Hand hat. Am Anfang des Spiels ist diese Ungewissheit viel ausgeprägter und macht das Spiel prickelnd. Hier hätte ich mir also gewünscht, dass eben nicht alle Hinweiskarten ins Spiel kommen um dieses Prickeln so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Wahrscheinlich hat man sich vom Verlag dagegen ausgesprochen, weil ansonsten natürlich der Glücksanteil steigt – ich könnte damit aber gut leben. Denn Glück ist natürlich ein gewichtiger Bestandteil des Spiels, kann es doch äußerst ungünstig laufen, wenn bspw. immer die Kartenfragmente nach meinem Zug aufgedeckt werden und mein Gegenspieler nun die vermeintlich bessere Auswahl hat.
Ach ja, wie schon bei der Ausstattung geschrieben, hätte ich mir gerne andere Spielerfarben gewünscht. Ist natürlich kein Mangel, aber man müsste manchmal weniger seine eigene Figuren suchen.

Das gefällt mir gut: Ganz sicher die schöne Gestaltung. Aber auch die Spielmechanik gefällt mir sehr gut – insbesondere die Regel, dass die Personenkarten zu Rundenbeginn nicht gelehrt werden und man seine Figuren nur auf freie Karten platzieren kann. Somit muss man schon recht genau planen, was man in der Runde machen will und in welcher Reihenfolge. Außerdem lohnt es sich, seinen Mitspieler im Auge zu behalten, Denn dann kann man vielleicht eine Person besuchen, für deren Aktivierung der Mitspieler keine Lupen mehr hat, und somit deren Vorteil alleine nutzen.
Mit größerer Erfahrung bekommt man auch das pfiffige Wertungssystem gut in den Griff. Es geht eben nicht darum, stumpf viel von einer Farbe zu sammeln. Sondern eigentlich will man immer nur knapp die Mehrheit haben – oder eben alle ausgespielten Karten der unteren Wertigkeit (aufgrund des Bonus). Das ist spannend, weil man immer sehr genau die Auslage des Mitspielers im Blick haben muss. Da sind gerade am Anfang der Partie die verdeckten Karten natürlich das Salz in der Suppe. Zusätzlich kann man mit Spielerfahrung am Ende natürlich auch noch auf die restlichen Personenkarten spekulieren und die aktuelle Runde darauf aufbauen, dass in der nächsten Runde Person X ins Spiel kommt. Passiert das dann auch, fühlt man sich großartig. Ohnehin ist der variable Spielaufbau positiv hervorzuheben, weil somit keine Partie der anderen gleicht und man immer gespannt darauf ist, welche Person in der nächsten Runde zur Verfügung stehen wird.

Fazit: Hat man sich ersteinmal damit abgefunden, dass die eigene Erwartung bezüglich der Spielmechanik falsch war, wird man mit einem sehr guten leichtgewichtigen Worker-Placement-Spiel belohnt. HOLMES ist dabei deutlich weniger komplex als z.B. TARGI oder JÄGER + SPÄHER (um mal aktuelle Kosmos 2‑Personen-Spiele als Vergleich zu nennen), was ein fluffiges Spielgefühl auslöst. Von mir aus hätte der Glücksanteil ruhig noch höher sein können, weil somit auch die Spannung um die Auflösung der verdeckten Karten größer wäre. Durch den variablen Spielaufbau wird der Langzeitspaß jedenfalls hochgehalten, zumal die beiden kleinen Varianten weitere Abwechslung bringen.
Titel | Holmes – Sherlock gegen Moriarty |
Autor | Diego Ibáñez |
Illustrationen | Pedro Soto |
Dauer | 20 bis 30 Minuten |
Spieleranzahl | 2 Spieler |
Zielgruppe | Gelegenheitsspieler |
Verlag | Kosmos |
Jahr | 2017 |
Ich bedanke mich beim KOSMOS Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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