Humboldt’s Great Voyage von Remo Conzadori und Nestore Mangone – erschienen bei Huch!
Hmmm, was haben wir für ein Jahr? Also ich meine jetzt nicht 2019 oder 2020 – die Unterscheidung bekomme ich schon hin. Aber ist nun Luther-Jahr, Humboldt-Jahr oder Beethoven-Jahr? Wer legt das eigentlich nach welchen Kriterien fest? Geburtsjahr, Sterbejahr oder sonst was? Ich bin diesbezüglich immer maximal verwirrt. Zum Glück helfen uns manchmal die Verlage, in dem Spiele mit einem entsprechenden Thema auf den Markt kommen. 2019 war also Humboldt Jahr, da sich in diesem Jahr sein 250. Geburtstag jährte. Wie sehr das auch international gefeiert wurde, weiß ich nicht. Aber zumindest ist der Spiel-Titel ziemlich international: HUMBOLDT'S GREAT VOYAGE. Und in knapp 30 Jahren kann man dann das Spiel neu auflegen. Denn dann jährt sich zum 250. mal dessen große Reise zusammen mit dem französischen Botschafter und Botaniker Aimé Bonpland nach Venezuela, Kuba, Kolumbien, Ecuador, Peru und Mexiko.
Thema... genau diese große Reise ist das Thema von HUMBOLDT'S GREAT VOYAGE. Deswegen erkennen wir auf dem Spielplan auch viele bekannte Städte wieder. Außerdem werden uns "Fundstücke" und "Freundschaften" aufgetischt, auf dass wir ein Spiel vor uns haben, dass durch zahlreiche Begebenheiten von Humboldts großer Reise inspiriert sein soll. Allerdings erkennt man im Spiel dann lediglich eine andere Inspiration, die dann auch noch rein mechanischer Natur ist.
Illustrationen… sind von Dennis Lohausen und gefallen mir wieder ausgesprochen gut, auch wenn er dieses Mal seinen ihm eigenen Stil etwas reduziert hat (was für ihn spricht). Mich würde dabei sehr die Entwicklung hin zur finalen Optik interessieren. So kann ich mir bspw. sehr gut vorstellen, dass anfangs der Spielplan als Karte konzipiert war. Letztendlich war die Entscheidung darauf zu verzichten aber richtig, denn so ist sicherlich eine bessere Übersicht gegeben. Und die vielen liebevollen Details sorgen ohnehin für ein stimmiges Bild.
Ausstattung… kommt in der mittlerweile von Huch! gewohnten Qualität daher. Schöne individuelle Holzfiguren, viele Schiffskarten, noch mehr Pappplättchen (Frachtstücke und Kontaktpersonen), kleine eigene Spielertableaus, ein Spielbrett sowie wieder zu wenige Spielhilfen – es sei denn, die Mitspielenden sprechen vier unterschiedliche Sprachen. Dominiert wird aber alles von dem großen schwarzen Sack, in dem die kleinen farbigen Wissenssteine aus Holz verstaut werden.
Ablauf… ein Großteil dieser Wissenssteine wird anfangs zufällig auf die Orte auf dem Spielplan verteilt. Das ergibt Sinn, da HUMBOLDT'S GREAT VOYAGE den bekannten Mancala-Mechanismus benutzt. Dementsprechend beginnt ein Spielzug auch damit, dass ein Initial-Wissensstein aus dem Beutel gezogen wird. Dieser bestimmt die Farbe des Ortes, aus dem nachfolgend nun alle Steine in die Hand genommen und nach und nach der Pfeilrichtung folgend zu den anderen Orten dazu gelegt werden. Ist man übrigens mit dem Initial-Stein nicht zufrieden, darf man noch einen zweiten hinterher ziehen, den man dann aber auch nutzen muss.
So werden also neue Steine auf die Orte verteilt. Stimmen deren Farben mit den Orten überein, auf denen sie gelegt wurden, dann darf man sich dafür ein entsprechend farbiges Frachtplättchen nehmen (entweder auf der offenen Auslage oder verdeckt vom Stapel). Mit diesen Frachtplättchen werden Aufträge erfüllt (die sogenannten Schiffskarten) und letztendlich Siegpunkte generiert. Am Ende des Spielzugs wandern die beiden gezogenen Initial-Steine zusätzlich zu den bei der Auftragserfüllung abgegebenen Steine zu dem Ort, aus dem man anfangs die Steine genommen hat. So ist also sichergestellt, dass zu keiner Zeit leere Orte auftreten.
Die Mitspielenden werden übrigens auch auch noch beteiligt. Denn diese können sich von der aktivierten Route mit jeweils einem Wissensstein versorgen, der ebenfalls auf die Schiffskarten gelegt wird. Erfüllt man später einen Auftrag, dann kann man diese Steine gegen Kontaktpersonen eintauchen. Diese wiederum können später als zusätzliche Joker-Wissenssteine für die Reise genutzt werden. Oder aber man sammelt sie bis zum Ende der Partie, da man sie dann in recht viele Siegpunkte umtauschen kann. Das Ende erfolgt übrigens dann, wenn keine Wissenssteine mehr im Beutel vorhanden sind – was insbesondere im 4‑Personen-Spiel gefühlt recht schnell der Fall ist.
Das gefällt mir nicht so gut: So gerne ich HUMBOLDT'S GREAT VOYAGE aufgrund des interessanten Themas und der tollen Optik gemocht hätte, musste ich leider immer wieder feststellen, wie sehr mich doch einige Dinge stören. Fangen wir mit dem nicht wirklich existenten Thema an. HUMBOLDT'S GREAT VOYAGE muss jetzt keine Verspielung des Romans DIE VERMESSUNG DES WELT von Daniel Kehlmann sein – aber zumindest ein wenig Abenteuergefühl hätte bei der spielerischen Umsetzung von Humboldts großer Reise schon auftreten dürfen. Im Endeffekt werden farbige Waren und Personen eingesammelt. Da wird nichts entdeckt, da passiert nichts überraschendes – alles ist rein mechanisch, die einzelnen Spielzüge werden rein schematisch abgehandelt.

Das wäre jetzt weniger ein Problem, wenn das Spielsystem genügend Freiräume geben würde. Vom Autor Nestore Mangone kennen wir NEWTON, was jetzt auch nicht unbedingt aufgrund des aufgesetzten Themas glänzt. Aber bei diesem Spiel hat man immer interessante Entscheidungen zu treffen. Eine solche Entscheidungstiefe fehlt bei HUMBOLDT'S GREAT VOYAGE. So werden mir die Wege auf dem Spielplan größtenteils vorgeben. Das mag vielleicht historisch ansatzweise korrekt sein, aber dann dürfte ich mir auch nicht den Startpunkt aussuchen dürfen. Wobei, selbst diesen gibt das Spiel mir mehr oder weniger vor. Ich ziehe aus dem Beutel einen Stein für die Startfarbe und nun darf ich mir entweder einen der wenigen Orte aussuchen oder entscheiden, ob ich vielleicht nochmals mein Glück versuchen will. Denn nichts anderes ist es. Bspw. benötige ich zur Erfüllung meines größten Auftrags noch unbedingt diese braunen Zigarren, die dankenswerterweise auch noch gerade offen ausliegen. Also benötige ich eine Route, bei der ich einen braunen Wissensstein an einer braunen Stadt ablegen kann. Wenn ich Pech habe, ermöglicht mir der erste Stein dieses aber nicht. Also ziehe ich einen zweiten Stein – und der ist für mich noch viel ungünstiger, aber diesen muss ich jetzt nutzen. Und in der nächsten Runde sind dann meine braunen Zigarren auch wieder weg und ich habe massig Probleme, meinen Auftrag zu erfüllen. Denn dafür muss man teilweise sehr genaue Vorgaben erfüllen, was bei der sehr begrenzten offenen Auswahl schwierig werden kann. So viel zum Thema Entscheidungsfreiheit.
Natürlich gibt es ein paar Hilfen, die man nutzen kann. Wenn einem dauernd die dringend benötigte braune Fracht weggenommen wird, dann kann man zur Not auch 3 zu 1 tauschen. Aber natürlich ist das nur eine Notaktion und mäßig befriedigend. Auch das Sammeln der Kontaktpersonen ist irgendwie nichts halbes und ganzes. Aufgrund der üppigen Siegpunkte am Ende, werden diese eigentlich nie als Joker-Wissenssteine benutzt, denn dafür sind sie zu wertvoll. Aber warum werden dann nur 4er-Sets mit der höchsten Punktzahl belohnt, wo es doch 6 verschiedene Farben gibt. Hier hätte man gerne noch mehr diejenigen belohnen können, die wirklich alle unterschiedlichen Personengruppen sammeln konnten.
Mit der gewählten Farbgebung bin ich auch unglücklich. So langsam sollte man doch wissen, wie schwierig die Farben Rot und Grün für manche Mitspielenden zu unterscheiden sind. In deren Interesse würde ich mir bei der Farbwahl mehr Fingerspitzengefühl wünschen – insbesondere in einem Spiel, dass maßgeblich über Farben gesteuert wird, da keine korrespondierenden Symbole benutzt werden. Die Welt hat doch mehr als die vier (sechs) Standardfarben zu bieten. Und dabei rede ich noch nicht einmal davon, wie unglücklich es ist, gleiche Farben für die Spieler wie auch für allgemeine Komponenten zu verwenden. Denn das verwirrt zusätzlich und produziert unnötige Fragen.
Zu guter Letzt ist das Spiel auch verhältnismäßig kurz. Spielt man zu viert, dann kommt man lediglich viermal in den Genuss, den Mancala-Mechanismus ausführen und somit Aufträge erfüllen zu können. Im Spiel zu zweit oder dritt ist man zumindest sechsmal selbst aktiv. Aber selbst das empfinde ich als zu wenig für das ganze Drumherum welches stattfindet. Zusätzlich zeigt dieses "lediglich viermal an der Reihe sein" auch, wie groß die Glücksabhängigkeit beim Ziehen der Wissenssteine ist. Wenn man hierbei Pech hat, wie soll man das noch vernünftig wieder ausgleichen können? Ich habe nichts gegen einen gewissen Glücksanteil in Spielen (insbesondere in Familienspielen). Aber dieser sollte immer in einem nachvollziehbaren Verhältnis zu den eigenen Entscheidungen liegen.
Das gefällt mir gut: Das alles ärgert mich, weil das Spielgefühl ansonsten eigentlich schön ist. Der Mancala-Mechanismus ist gut umgesetzt und an sich auch durchaus fordernd. Denn dieser Mechanismus ist an für sich reizvoll, macht es doch Spaß, den Plan und die ausliegenden Möglichkeiten zu lesen und dann entsprechend zu handeln.
Gut gefällt mir auch die Einbindung der Mitspielenden und der clevere Auffüllmechanismus der einzelnen Orte. Das Spielprinzip ist dynamisch genug, damit nicht nach der Hälfte der Zeit eine Farbansammlung in einer Ecke stattfindet.
Zusätzlich gefällt mir auch die Aufmachung. Okay, das viersprachige Regelheft könnte immer noch in einem größeren Format daher kommen und die Tatsache, dass pro Sprache nur eine Spielhilfe vorhanden ist, fühlt sich ebenfalls unbefriedigend an. Aber das Material als solches ist wertig und die grafische Gestaltung weiß ebenso zu überzeugen.
Fazit: Leider kann HUMBOLDT'S GREAT VOYAGE nicht die Erwartung erfüllen, die sich bei mir aufgrund des Themas und der Cover-Gestaltung aufgebaut hat. Das Spiel ist rein mechanisch und besitzt nur eine sehr geringe Entscheidungstiefe. Zusätzlich muss es mit dem Makel leben, dass der klassische Mancala-Mechanismus auch in jüngerer Zeit besser in anderen Brettspielen umgesetzt wurde (bspw. im aktuellen A FISTFUL OF MEEPLES).
Titel | Humboldt’s Great Voyage |
Autor | Remo Conzadori und Nestore Mangone |
Illustrationen | Dennis Lohausen |
Dauer | 30 bis 45 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | Familienspieler |
Verlag | Huch! |
Jahr | 2019 |
Ich bedanke mich bei Huch! für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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