Ishtar von Bruno Cathala und Evan Singh – erschienen bei iello
Ich weiß nicht, in wie vielen Einleitungen ich schon die These untermauert habe, dass Spielen bildet. Das langweilt sicher in gewisser Hinsicht, aber andererseits trifft diese These auch immer wieder zu. Beispiel ISHTAR: Ich kultureller Banause hatte natürlich mal wieder überhaupt keine Ahnung, was ISHTAR ist – geschweige denn, dass es dieses Wort überhaupt gibt. Ein paar Klicks später und schon kenne ich mich aus. Da gibt es eine Göttin des Kriegs und der geschlechtlichen Liebe, eine belgische Folkband und auch ein Stadttor in Babylon. Und bestimmt hießen die Gärten in Babylon auch so.
Thema... es gibt mal wieder einen ominösen königlichen Auftrag. Dieses Mal sollen inmitten der Wüste Gärten hergestellt werden. Dass dabei nebenbei ein paar Juwelen gefunden werden, ist ein schöner Nebeneffekt. Denn damit lassen sich gut schon fertig gezüchtete Bäume aus einem nahen Gartenbaufachbetrieb einkaufen, die dann den Gärten den besonderen Pfiff geben.
Illustrationen… sind von Biboun und gefallen mir wieder sehr gut. Über den besonderen Stil kann man sicherlich streiten, denn der ist wie so oft Geschmackssache – mich spricht er allerdings an. Darüber hinaus ist die gewählte Symbolsprache eindeutig und alle Komponenten können gut voneinander unterschieden werden. Zusätzlich wurde noch Wert auf kleine Details gelegt, die dann sogar teilweise ihren Nutzen haben. Und die Gestaltung des Vorratsteppichs ist so gut gelungen, dass ich mich immer wieder dabei ertappe, mit den Fingern darüber streichen zu wollen, weil ich immer noch der Meinung bin, dass dies ein echter Teppich sein könnte.
Ausstattung… folgt der Firmenphilosophie von iello: zur Sicherheit lieber noch ein bisschen mehr für den Augenschmaus! Die verschiedenen Spielplanteile und Tableaus kommen noch recht gewöhnlich daher, ebenso die einzelnen Pflanzenplättchen. Aber das restliche Material hätte sicherlich auch weniger aufwändig daher kommen können. So erfreuen wir uns aber glücklicherweise an schön modellierten Holz- und Plastikminiaturen sowie einigen farbigen Juwelen. Das alles wird sehr komfortabel in einem durchdachten Inlay präsentiert, das sogar dafür sorgt, dass die Plättchen nicht wild durch die Box fliegen. Chapeau!
Ablauf… nach und nach nimmt man sich ein Pflanzplättchen aus der offenen Auslage und legt dieses auf dem Spielplan ab. Dabei gilt es bestimmte Bauregeln einzuhalten, die vor allem für Neulinge etwas unübersichtlich sind. Überdeckt man damit Juwelen, so darf man diese behalten. Ziel ist es dabei, eine möglichst große Pflanzenansammlung zu bilden. Zusätzlich wird man noch belohnt, wenn man an den einzelnen Brunnen eine Mehrheit an bepflanzten Plättchenteilen besitzt.
Mit den Juwelen kann man nun Bäume einkaufen, die natürlich später ebenfalls Siegpunkte einbringen. Zusätzlich kann man sich aber auch im Laufe der Partie Fähigkeiten bzw. andere Siegpunktgeneratoren freischalten, was über die eigenen Spieler-Tableaus dokumentiert wird.
Das gefällt mir nicht so gut: Die verschiedenen Fähigkeiten locken zum Ausprobieren anderer Strategien. Allerdings hatte ich nicht das Gefühl, dass diese fünf unterschiedlichen Wege halbwegs gleichwertig sind. Diese Unausgeglichenheit erweckt bei mir den Eindruck, dass hier eine Vielzahl an Möglichkeiten suggeriert werden soll, die es faktisch aber gar nicht gibt. Ohnehin habe ich die ganze Zeit unterschwellig das Gefühl, dass ISHTAR noch der ein oder andere redaktionelle Feinschliff gut getan hätte. So stößt bspw. die unterschiedliche Wertigkeit der Brunnen erst einmal komisch auf, da diese rein zufällig auf dem Spielplan eingesetzt werden. Es ist also nicht so, dass der wertvollere Brunnen mit einer schwierigeren Umgebung ausgestattet ist. Am Ende merkt man allerdings recht schnell, dass der Punkteunterschied der Brunnen kaum von Bedeutung sind, weswegen man sich erneut fragt, warum diese dann mit unterschiedliche Wertungen versehen wurden.
Die Anleitung ist recht ausufernd geschrieben und vergisst dabei, auf den Punkt zu kommen. Stattdessen wird alles ziemlich überbordend dargestellt und man muss dabei Begriffe wie Blumenbeete und Blumenfelder voneinander unterscheiden. Die einzelnen Spielregeln sind dabei schlecht intuitiv zu erfassen, was wohl auch an der etwas unglücklichen Themenwahl liegt. Denn das aufgesetzte Thema hilft nicht beim Spielen! So muss man für das Spielkonzept den Unterschied zwischen einem Beet und einem Garten verstehen. Ständig wird beim Spielen (auch mit einer gewissen Spielerfahrung) nachgefragt, ob man jetzt das Plättchen dort noch anlegen darf oder nicht. Allerdings diese Kritik bitte nicht falsch verstehen: das System ist schon logisch und in sich schlüssig. Es ist aber auch hakelig, so dass bei vielen Mitspielenden eine stete Unsicherheit vorhanden war.
Die Interaktion ist überschaubar. Denn ein begonnenes Beet kann von keinem Mitspielenden streitig gemacht werden. Die Kunst liegt also darin, sich Bereiche zu sichern, damit man diese später in Ruhe für sich ausbeuten kann. Allerdings kommt man sich dabei doch recht selten in die Quere, so dass jeder für sich hinbosselt. Denn nur um den Gegner zu schaden auf eigene Punkte verzichten, das lohnt sich normalerweise nicht. Natürlich kann man den Fehler machen, sich ein Beet vorzubereiten, welches sich dann ein anderer Mitspieler schnappt. Aber das ist eher ein Anfängerfehler, der in geübten Runden nicht mehr vorkommt.
Die Downtime ist bei ISHTAR nicht zu unterschätzen. Durch den Auswahlmechanismus der Plättchen kann man sich nie sicher sein, welches Plättchen man erhalten wird. So wartet man den Spielzug der Mitspielenden ab, bevor man selbst plant. Durch die unterschiedlichen Formen der Plättchen und die Anordnung der Pflanzen sind aber viele unterschiedliche Optionen möglich, so dass manche Mitspielende ersteinmal in Ruhe nachdenken möchten. Vor allem am Ende einer Partie kann sich diese Auswahl ziehen, da dann auch nicht mehr überall problemlos gebaut werden kann.
Das gefällt mir gut: ISHTAR ist im Grunde genommen ein abstraktes Legespiel, welches aber durch das Thema eine tolle Ausstattung spendiert bekommen hat. Die kann sich wirklich sehen lassen und macht ISHTAR zu einem Augenschmaus. Leider kann der Spielreiz mit dem optischen Reiz nicht vollständig mithalten. Die Suche nach dem besten Platz für sein Plättchen weiß zwar durchaus zu gefallen, allerdings wird die durch die Optik erzeugte Erwartungshaltung nicht vollständig erfüllt.
Aber es ist sicherlich auch nicht alles schlecht. ISHTAR skaliert bspw. gut zwischen den unterschiedlichen Personenanzahlen, da der Spielplan modular zusammen gestellt wird und auch die Plättchenanzahl angepasst wird. Auch die unterschiedliche Wertigkeit der Juwelen hat mir gut gefallen. Investiert man in Bäume, dann sollte man lieber weiße als lila Juwelen einsammeln. Mit der entsprechend freigeschalteten Fähigkeit, wird aber deren Wertigkeit gespiegelt, so dass man nun lieber lila Juwelen sein eigen nennt. Das ist schon ganz clever und fördert somit unterschiedliche Interessen.
ISHTAR bietet auch seinen Reiz, wenn man das Knobelige an Legespielen mag. Wo ist der beste Platz? Wie kann ich meine Gärten vorbereiten, damit ich später davon profitieren kann. Das kennt man von anderen Legespielen und dieses Spielgefühl ruft auch ISHTAR ab.
Fazit: Mich lässt ISHTAR etwas ratlos zurück. Für mich hat es etwas vom bösartigen Crowdfunding-Virus in sich. Es sieht phänomenal toll aus, hätte aber gerne noch etwas Arbeit in den Redaktionsräumen vertragen können. Die grundlegenden Mechaniken funktionieren, aber mich emotionalisiert das Spiel nicht.
Titel | Ishtar: Die Gärten von Babylon |
Autor | Bruno Cathala und Evan Singh |
Illustrationen | Biboun |
Dauer | ca. 45 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | gärtnernde Familienspieler |
Verlag | iello (im Vertrieb von Hutter Trade) |
Jahr | 2019 |
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