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kritisch gespielt: Living Forest

Living Forest von Aske Christiansen – erschienen bei Pegasus Spiele

Living Forest - Box
Bild: Pega­sus Spiele

Als Kind der 80er-Jah­re sind mir noch sehr die Begrif­fe "Wald­ster­ben" und "Sau­rer Regen" prä­sent. Auch wenn die­se heut­zu­ta­ge weni­ger in den Medi­en genannt wer­den, so muss man lei­der kon­sta­tie­ren: den Wäl­dern geht es nicht gut! Sei es die kon­stan­te Tro­cken­heit oder die immer klei­ner wer­den­den Flä­chen: auch in die­sem Bereich müss­ten wir viel mehr tun, damit wir auch in Zukunft noch halb­wegs vor Ort einen leben­di­gen Wald erle­ben kön­nen. Ich möch­te mich jeden­falls nicht damit abfin­den müs­sen, als Ersatz dafür ledig­lich LIVING FOREST auf den Tisch brin­gen zu können.

The­ma... ist spe­zi­ell. So spe­zi­ell, dass ich zur Abwechs­lung die Anlei­tung zitiere:

Seit vie­len Jah­ren dient der präch­ti­ge, mys­ti­sche Wald als Quell der Ruhe und des Frie­dens. Doch nun wird der Geweih­te Baum des Wal­des von den ver­hee­ren­den Flam­men des Oni­bi bedroht und benö­tigt die Hil­fe von vier mäch­ti­gen Natur­geis­tern: Früh­ling, Som­mer, Herbst und Winter.

Du spielst einen die­ser Natur­geis­ter. Die Tie­re des Wal­des hel­fen dir dabei, den Wald zu beschüt­zen. Lösche die Brän­de, pflan­ze schüt­zen­de Bäu­me oder erwe­cke San­ki, den alt­ehr­wür­di­gen Wäch­ter des Wal­des, um den Kampf gegen den schreck­li­chen Oni­bi zu gewin­nen. Wäh­le die bes­te Tak­tik, um den Wald zu ret­ten und selbst zu einer Legen­de zu werden!

Spiel­an­lei­tung LIVING FOREST

Da stel­len sich bei mir ganz vie­le Fra­gen, obwohl in die­sem Text noch gar nicht von den Magie-Frag­men­ten und den Hei­li­gen Blu­men die Rede ist. Man erkennt: LIVING FOREST ist kein Kind der 80er-Jah­re-Umwelt­be­we­gung son­dern eher das einer kind­lich geblie­be­nen Fan­ta­sie – und das ist nicht abwer­tend gemeint.

Living Forest - Tierkarten
mys­ti­sche Tie­re sind im Wald

Illus­tra­tio­nen... sind zumin­dest bei der Cover-Gestal­tung ähn­lich spe­zi­ell. Denn dort thront erha­ben der Geweih­te Baum, aller­dings wird die­ser von so komi­schen Din­gern umschwirrt, die ich eher in einer schlecht ani­mier­ten Kin­der­trick-Serie in einem Möbel­haus-Kinos erwar­tet hät­te. Weni­ger befremd­lich ist aber das Spiel­ma­te­ri­al gestal­tet und vor allem bei den vie­len span­nend gestal­te­ten Tier­kar­ten durf­te sich Apol­li­ne Eti­en­ne ausleben.

Living Forest - Übersicht
ganz schön klein­tei­lig so ein Wald...

Aus­stat­tung... hat den ein oder ande­ren Blick­fang zu bie­ten. Die Spiel­fi­gu­ren sind klei­ne 3D-Papp­fi­gu­ren und auch die Hal­ter für die vie­len Baum­plätt­chen brin­gen eine Drei­di­men­sio­na­li­tät ins Spiel. Der eigent­li­che Motor des Spiels sind aber die vie­len Tier­kar­ten, die sich in die per­sön­li­chen Start-Tie­re, Feu­er-Wara­ne und Tie­re der Stu­fen 1 bis 3 unter­tei­len. Alle Mit­spie­len­den erhal­ten dann noch eige­ne Wald-Spiel­plä­ne nebst Start-Bäu­me und Bonus-Plätt­chen. Für die All­ge­mein­heit gibt es einen Stein­kreis-Spiel­plan und einen Tier-Spiel­plan, auf dem auch die Plätt­chen für unter­schied­li­che Flam­men­wer­ten gesam­melt wer­den. Außer­dem gibt es noch eine klei­ne Abla­ge für die Waran-Kar­ten und die Magie-Frag­men­te, die bei uns aber immer nur Bana­nen genannt werden.

Ablauf... Zu Beginn einer Par­tie erhal­ten alle ihr per­sön­li­ches Mate­ri­al. Dann wird aus jeweils vier Kar­ten einer Tier-Stu­fe eine offe­ne Aus­la­ge gebil­det und auf dem Stein­kreis wer­den die Spiel­fi­gu­ren in glei­chen Abstän­den aufgestellt.

Living Forest - Startaufstellung
alles vor­be­rei­tet

Nun decken wir alle gleich­zei­tig nach und nach Tier­kar­ten auf. Das mache ich so lan­ge, bis bei mir min­des­tens zwei "Einzelgänger-Symbole"auf den Kar­ten auf­tau­chen. Höre ich nun mit dem Auf­de­cken auf, dann ste­hen mir spä­ter zwei unter­schied­li­che Akti­ons­mög­lich­kei­ten zur Ver­fü­gung. Decke ich aber wei­ter Kar­ten auf und erscheint dann das drit­te Ein­zel­gän­ger-Sym­bol, dann muss ich auf­hö­ren und kann danach nur noch eine Akti­on durchführen.

Living Forest - Starttableaus
mein Tableau will mit Bäu­men bepflanzt werden

Die ein­zel­nen Aktio­nen sind schnell erklärt. Für Son­nen­punk­te kann ich neue Tier­kar­ten kau­fen, für Was­ser­punk­te kann ich Flam­men löschen und für Baum­punk­te neue Bäu­me erwer­ben, die ich dann auf mein Tableau lege. Dort bekom­me ich noch Boni für manch gefüll­te Zei­le oder Spal­te sowie für über­deck­te Eck­fel­der. Eine vier­te Akti­ons­mög­lich­keit ist das Vor­an­schrei­ten mei­ner Figur auf dem Stein­pfad. Dort sind wie­der­um Fel­der, die die eben beschrie­be­nen Aktio­nen aus­lö­sen sowie Ein­nah­me­quel­len für Magie-Frag­men­te. Über­sprin­ge ich auf dem Stein­pfad ande­re Figu­ren, dann darf ich mir von die­sem Geist ein dort offen aus­lie­gen­des Bonus-Plätt­chen klauen.

Das mache ich ger­ne, denn am Ende einer Run­de wird über­prüft, ob eine Per­son 12 unter­schied­li­che Bäu­me oder 12 Flam­men besitzt – und da zäh­len die Sym­bo­le auf den Bonus-Plätt­chen mit. Eben­falls wird noch geprüft, ob bei einer Per­son auf den auf­ge­deck­ten Kar­ten und in der Aus­la­ge 12 Hei­li­ge Blu­men zu sehen sind. Tritt einer die­ser drei Sieg­be­din­gun­gen nur bei mir auf, habe ich die Par­tie gewon­nen. Ansons­ten ver­glei­chen alle Mit­spie­len­den mit einer erfüll­ten Sieg­be­din­gung ihre Gesamt­sum­me aus unter­schied­li­chen Bäu­men, Flam­men und Hei­li­gen Blumen.

Der Ver­lag hat übri­gens noch eine Solo-Vari­an­te zum down­load ange­bo­ten. Da ich an LIVING FOREST aber vor allem das inter­ak­ti­ve Spiel­ge­fühl so sehr mag, habe ich die­se Vari­an­te nicht aus­pro­bie­ren wollen.

Das gefällt mir nicht so gut: LIVING FOREST hat ein klein wenig das Pro­blem, dass es im Grenz­be­reich zwi­schen Fami­li­en­spiel und Ken­ner­spiel ein­zu­ord­nen ist. Anfangs hat es Pega­sus selbst als Fami­li­en­spiel ein­ge­ord­net, mitt­ler­wei­le ver­kün­det der Bal­ken auf dem Cover aber "Ken­ner". Wahr­schein­lich wur­de das durch die Nomi­nie­rung zum Ken­ner­spiel des Jah­res not­wen­dig, um die Leu­te da drau­ßen nicht zu ver­wir­ren. Doch die Kate­go­rie des "geho­be­nen Fami­li­en­spiels" hat es erfah­rungs­ge­mäß nicht so leicht. Selbst­er­nann­ten Ken­ner­run­den, die ich eher mit einen Exper­ten­sta­tus ver­se­hen wür­de, ist das Spiel im Erst­kon­takt wahr­schein­lich zu leicht, zu belang­los. Auch ich bewer­te­te es nach mei­ner ers­ten Par­tie mit dem berühmt-berüch­tig­te "ganz nett". Erst nach wei­te­ren Par­tien habe ich dann fest­ge­stellt, dass es deut­lich mehr zu bie­ten hat. Doch die­se Hür­de, des nicht auf dem ers­ten Blick zu erken­nen­den Wie­der­spiel­reiz, muss LIVING FOREST erst ein­mal über­sprin­gen, bis es sei­nen Reiz ent­fal­ten kann.

Living Forest - Starthand
ich füh­le mich unan­ge­nehm beobachtet

Dabei steht sich das Spiel durch das obsku­re The­ma und auch die spe­zi­el­le Optik selbst ein wenig im Weg. Bei mir in den Grup­pen haben eini­ge einen Bogen um das Spiel gemacht, weil ihnen alles zu kind­lich und auch zu wenig hübsch aus­sah. In gewis­ser Wei­se kann ich das nach­voll­zie­hen. Die Tie­re emp­fin­de ich vor allem durch ihre leuch­ten­den Augen auch als selt­sam. Zusätz­lich hät­te man gra­fisch noch etwas mehr auf Klei­nig­kei­ten ach­ten kön­nen. So zeigt bspw. die Rich­tung der Akti­ons­pfei­le auf dem Stein­pfad ent­ge­gen der Lauf­rich­tung der Figu­ren. Schluss­end­lich ist es lei­der schwie­rig, das Spiel über das The­ma zu erklä­ren. Die­ses ver­wirrt meist mehr, als dass es hilft. Auch wenn ich im Nor­mal­fall lie­ber den ande­ren Weg gehe, erklä­re ich LIVING FOREST mitt­ler­wei­le nur über die Sym­bo­le und die Mecha­nik, den gan­zen the­ma­ti­schen Unter­bau las­se ich bei­sei­te. Noch zugäng­li­cher wäre LIVING FOREST übri­gens, wenn es per­sön­li­che Zug­über­sich­ten mit dem Ablauf, den mög­li­chen Aktio­nen und der fina­len Wer­tung gäbe.

Zu guter Letzt hät­te mir ger­ne noch etwas Abwechs­lung bei den Beloh­nun­gen der Baum-Tableaus gewünscht. Ich ertap­pe mich zumin­dest dabei, dass ich dort mitt­ler­wei­le immer einem bestimm­ten Mus­ter fol­ge und damit auch ziem­lich erfolg­reich bin. Also ein wenig mehr Vari­anz in die­sem Bereich wäre vorteilhaft.

Living Forest - Tableau
mein Wald wächst

Das gefällt mir gut: Die gro­ße Stär­ke von LIVING FOREST ist die Viel­zahl von tak­ti­schen Mög­lich­kei­ten. Ein Bei­spiel? Nor­ma­ler­wei­se ver­sucht man bei Push-your-Luck-Spie­len den gro­ßen Knall zu ver­hin­dern, weil die­ser nur Nach­tei­le mit sich bringt. Bei LIVING FOREST ist das anders. Wenn ich abschät­zen kann, dass ich ohne­hin nur eine der mög­li­chen Aktio­nen nut­zen will, dann kann ich auch beden­ken­los mein Glück her­aus­for­dern. Immer stumpf und sofort bei zwei Ein­zel­gän­ger-Sym­bo­len auf­zu­hö­ren ist nicht unbe­dingt die erfolg­reichs­te Strategie.

Living Forest - Steinkreis
Fang mich doch, wenn du kannst!

Das Wort Stra­te­gie ist übri­gens nicht unüber­legt genutzt. Die drei unter­schied­li­chen Sieg­be­din­gun­gen zei­gen das gut auf. Aller­dings pas­siert es sel­ten, dass man sich zu Beginn schon auf eine die­ser Bedin­gun­gen fest­legt. Denn schließ­lich ist eini­ges nicht plan­bar: Wann erschei­nen wel­che Sym­bo­le? Wel­che neu­en Kar­ten kom­men in die Aus­la­ge? Und ganz wich­tig: Was machen die Mit­spie­len­den? Denn LIVING FOREST ist über­ra­schend inter­ak­tiv, wenn man bedenkt, dass alle gleich­zei­tig ihre Kar­ten auf­de­cken und somit erst ein­mal nur mit sich selbst beschäf­tigt sind. Aller­dings schafft die­ses Auf­de­cken der Kar­ten nur die Start­be­din­gun­gen für die fol­gen­den Aktio­nen. Es hilft mir nicht wei­ter, vie­le Was­ser­punk­te zu besit­zen, wenn kei­ne Flam­men mehr zum Löschen da sind. Oder ich wür­de ger­ne den Blu­men-Baum pflan­zen, der aber eben dum­mer­wei­se schon von einer ande­ren Per­son weg­ge­schnappt wur­de. Spä­tes­tens beim Stein­kreis wird die Inter­ak­ti­vi­tät deut­lich, wenn dort wild die Bonus­plätt­chen hin und her getauscht wer­den. Wobei es auch eine gän­gi­ge Stra­te­gie ist, dort auf dem Stein­kreis Fel­der besetzt zu las­sen, die die ande­ren ger­ne für deren Stra­te­gie nut­zen würden.

Living Forest - Feuer
Feu­er­teu­fel im Wald – schließ­lich will ich auch löschen!

Alles hängt irgend­wie mit allem zusam­men. Neue Flam­men ent­ste­hen, wenn Kar­ten aus der Aus­la­ge gekauft wer­den. Kon­zen­trie­re ich mich auf Flam­men, soll­te ich also vie­le neue Kar­ten kau­fen, wenn ich in der nächs­ten Run­de star­te und somit als ers­ter Zugriff dar­auf habe. Das heißt im Umkehr­schluss aber auch, dass ich auf das Kau­fen neu­er Kar­ten ver­zich­ten soll­te, wenn die ande­ren schon recht fort­ge­schrit­ten mit der Flam­menstra­te­gie sind. Bäu­me dop­pelt zu neh­men wider­spricht etwas dem Ziel, 12 unter­schied­li­che Bäu­me zu neh­men. Grei­fe ich aller­dings dop­pelt bei den Blü­ten-Bäu­men zu, kom­me ich mei­nem Ziel von 12 Blü­ten deut­lich schnel­ler näher – ins­be­son­de­re, wenn ich mir dadurch noch den Blü­ten-Bonus auf dem Tableau frei­schal­te. Es gibt eini­ges in LIVING FOREST zu beden­ken und das Spiel gewinnt mit jeder Par­tie an Tiefe.

Es gab übri­gens immer mal wie­der einen Punkt, an dem ich glaub­te, den Schlüs­sel zum Sieg gefun­den zu haben – um dann bei der fol­gen­den Par­tie fest­zu­stel­len, dass ande­re Wege auch zum Ziel füh­ren und dabei sogar schnel­ler sind. LIVING FOREST wirkt über­schau­bar, durch sei­ne beson­de­re Raf­fi­nes­se über­rascht es einen aber doch immer wieder.

Living Forest - Naturgeister
Geis­ter sind zum Ver­zau­bern gar nicht notwendig

Fazit: LIVING FOREST will wie ein ver­wil­der­ter Wald ent­deckt wer­den. Auf den ers­ten Blick sieht alles alt­be­kannt, ein­tö­nig und gleich aus. Aber wenn man sich in den Wald hin­ein­wagt, erkennt man die vie­len unter­schied­li­chen Ecken und wie in die­sem Bio­top alles mit­ein­an­der zusam­men­hängt. So gese­hen ist das The­ma schon ganz gut gewählt. Die auf­ge­setz­te Geschich­te mit den Wald­geis­tern hät­te aber nicht sein müssen.

TitelLiving Forest
AutorAske Chris­ti­an­sen
Illus­tra­tio­nenApol­li­ne Etienne
Dau­er30 bis 60 Minuten 
Per­so­nen­an­zahl(1) 2 bis 4 Personen
Ziel­grup­peKar­ten auf­de­cken­de Kennerspielrunden
Ver­lagPega­sus Spiele
Jahr2022
Hin­weisfür die Bespre­chung wur­de vom Ver­lag ein
Rezen­si­ons­exem­plar zur Ver­fü­gung gestellt

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