Meister der Renaissance von Simone Luciani und Nestore Mangone – erschienen bei Cranio Creations (bzw. HeidelBär Games)
Danke, dass die Verlage ein Einsehen mit uns Medienschaffenden haben. Denn es ist viel leichter von MEISTER DER RENAISSANCE zu schreiben, als etwa von LORENZO DER PRÄCHTIGE: DAS KARTENSPIEL. Zumal noch hinzukommt, dass das so im Untertitel bezeichnete Spiel mit weniger Karten daher kommt als das ursprüngliche Brettspiel. Und wollen wir nicht alle einmal im Leben Meister sein? Wobei ich als FC-Fan schon schon lange nicht mehr daran glaube, dies noch erleben zu dürfen – und habe dabei mit den Wise Guys auch prominente Leidgenossen.
Thema... als Bestandteil der Bürgerschaft von Florenz versuchen wir mal wieder Ansehen zu häufen und den eigenen Einfluss zu vergrößern. Das macht man scheinbar am einfachsten, in dem man Waren einsammelt, diese clever in andere umtauscht, um damit ... Karten zu erwerben, die das wiederum vereinfachen. Okay, genau so habe ich mir ein Leben als Patrizier vorgestellt. Dabei helfen uns dann noch wichtige Persönlichkeiten, die allerdings namenlos sind – obwohl uns der Großteil aus LORENZO DER PRÄCHTIGE wohl bekannt ist. Thematisch gut gefällt mir dahingegen die Rolle des Papstes. Dieser agiert nur im Hintergrund, ist dafür aber ziemlich einflussreich.
Illustrationen… sind von Klemens Franz und Roberto Grasso. Dabei fällt natürlich die Verwandtschaft zu LORENZO DER PRÄCHTIGE auf. Jedoch überzeugt mich dieses Mal die grafische Gestaltung nicht. Die Komposition des Cover-Bildes empfinde ich als hässlich und irgendwie auch als nichts sagend. Gut, Geschmackssache eben! Aber fernab davon schüttelt es mich immer, wenn sich durch die einzelnen Karten die Perspektiven aus den Fenstern meines Tableaus ändern. Diese grafische Entscheidung verstehe ich auch bei gutem Willen nicht. Allerdings muss man dagegen halten, dass die sehr deutliche Symbol-Sprache keine solchen Böcke schießt und somit die eigentliche Spielbarkeit nicht unter solchen Kapriolen leidet.
Ausstattung… überraschte mich ein wenig, weil ich beim Öffnen des Deckels nicht mit so vielen bunten Plastikkugeln gerechnet habe. Diese Marktkugeln symbolisieren die verschiedenen Ressourcen und werden in einer passenden Schale aufbewahrt – wobei eine Kugel keinen Platz findet, was aber durchaus einen Sinn ergibt. Auch das Insert für die Ressourcen hat mich positiv überrascht. Das ist zwar aus recht dünnem Plastik, aber man kann es aus der Box herausnehmen und hat somit all die vielen kleinen Holzteile gut geordnet auf dem Tisch liegen. Ansonsten ist der Rest aber erwartbar klassisch. Die Karten sind aufgeteilt in Anführerkaren und Entwicklungskarten. Letztere gibt es in vier Farben und je drei Wertigkeitsstufen, so dass man diese zu Beginn einer Partie wohlgeordnet in ein 4*3‑Raster auslegen kann. Alle Mitspielenden erhalten ein eigenes Tableau und dafür noch ein paar Marker. Und wenn man nur alleine zu Hause ist, dann kann man sich mit Hilfe der Solo-Aktionsmarker trotzdem noch mit MEISTER DER RENAISSANCE beschäftigen.
Ablauf… ist äußerst einfach und zugänglich, da nur drei Aktionsmöglichkeiten bestehen. Entweder man erhält neue Ressourcen, tauscht diese in andere um oder kauft damit neue Entwicklungskarten.
Aber auch im Detail wird es nicht wesentlich komplizierter. Die Ressourcen erhält man über die Marktkugeln. Dafür wählt man eine Zeile oder Spalte aus und nimmt sich das entsprechende Material. Anschließend schiebt man dann die freie Kugel in die entsprechende Rinne, verdrängt damit die äußere Kugel und die nachfolgende Person hat nun eine veränderte Marktauslage zur Auswahl. Allerdings sind dabei zwei Details zu beachten. Für die rote Kugel gibt es kein Material, sondern stattdessen darf man seinen Glaubensmarker auf der entsprechenden Leiste fortbewegen. Zusätzlich ist das eigene Lager für Ressourcen beschränkt. In die erste Depot-Reihe passt nur ein Holzteil, in die zweite Reihe zwei und in die dritte Reihe drei – und dann muss man auch noch sortenrein lagern!
Da man für die teuren Entwicklungskarten teilweise aber bis zu sieben Ressourcen einer Art abgeben muss, gibt es noch ein Hintertürchen für die Lagerung. Wobei das keine Kammer ist, sondern eine Truhe, die unbegrenzt gefüllt werden kann. Der Haken daran ist, dass man nur umgewandelte Ressourcen dort lagern kann. Somit hat nun die zweite Aktionsmöglichkeit ihren Auftritt. Über die erworbenen Entwicklungskarten tauscht man bspw. einen Stein in zwei Münzen. Oder man wandelt einen Diener in zwei Glaubenspunkte um (wahrscheinlich, weil man diesen zum Beten in die Kirche schickt).
Auch beim Kauf der Entwicklungskarten gibt es ein wenig was zu beachten. Denn man kann nur Karten der Stufe 2 erwerben, wenn man vorher eine Karte der Stufe 1 besitzt. Diese wird dann überdeckt – und natürlich kann man deren Funktion dann nicht mehr benutzen. Die Maschinerie dieses Engine-Builders ist somit ständigem Wandel unterworfen.
Zu guter Letzt muss ich noch ein paar Worte zur Glaubensleiste verlieren. Je weiter man auf dieser vorangeschritten ist, umso mehr Punkte erhält man am Spielende. Zusätzlich gibt es drei Schwellenwerte. Erreicht eine Person diesen Schwellenwert, dann bekommen alle einen Boni, wenn deren Marker sich noch in einer vorgegebenen Reichweite dieses Werts befinden. Da man diese Punkte gerne mit nimmt, fühlt man sich somit permanent unter Druck gesetzt.
Das gefällt mir nicht so gut: Die thematische Zuordnung zu LORENZO DER PRÄCHTIGE empfinde ich als stark aufgesetzt und im Endeffekt auch schädlich. Denn somit wird eine Erwartungshaltung aufgebaut, die MEISTER DER RENAISSANCE kaum erfüllen kann. Fans von LORENZO DER PRÄCHTIGE werden recht sicher enttäuscht werden, denn man findet kaum etwas von dem eigentlichen Basisspiel wieder. Die Illustrationen und die Bezeichnung der Ressourcen sind fast die einzigen Übereinstimmungen, die Papst-Leiste erinnert zumindest ein wenig an die Glaubensleiste aus LORENZO (wobei diesbezüglich die Kaiserleiste von GRAND AUSTRIA HOTEL dieses Element deutlicher kopiert). Aber diese Problematik besteht auch in gegenteiliger Richtung. Wurde ich mit LORENZO nicht warm, warum sollte ich dann MEISTER DER RENAISSANCE eine Chance geben? Auch wenn das Spiel deutlich leichtgewichtiger und zugänglicher ist? Zusätzlich ist die thematische Einbettung für sich alleine stehend auch nicht wirklich stimmig. In meinen Augen wurde also die Chance vertan, MEISTER DER RENAISSANCE als eigenständiges Spiel zu positionieren. Die Betonung der Verwandtschaft zu LORENZO mag kurzfristig von Erfolg gekrönt gewesen sein, da somit grundsätzliches Interesse geweckt wurde. Langfristig hat man sich aber dadurch keinen Gefallen getan, da MEISTER DER RENAISSANCE in diesem zwangsläufigen Vergleich eigentlich nur verlieren kann.
Bei MEISTER DER RENAISSANCE benötigt man teilweise eine ausgeprägte Frust-Resistenz. So hat man eine bestimmte Entwicklungskarte im Blick und sammelt entsprechend die Ressourcen – was durch die beschränkte Lagerhaltung mit einem gewissen planerischen Aufwand verbunden ist. Kaum hat man endlich alle benötigten Dinge zusammen, schnappt sich aber eine andere Person diese Karte. Zu meinem Pech verlangt die darunter zum Vorschein kommende Karte aber nun eine unwesentlich andere Ressourcen-Verteilung, die ich nur unter großem Aufwand wieder zusammen bekomme – ohne Garantie, dass ich zumindest diese neue Karte nun endlich bauen kann. Die Konsequenz ist vor allem Zeitverlust, den es aber tunlichst zu vermeiden gilt. Denn das Spiel ist beendet, wenn jemand sieben Entwicklungskarten gekauft oder das letzte Feld der Papst-Leiste erreicht hat. Wenn es unglücklich läuft, hinkt man also hinterher und langsam aber sicher geht eine Schere auf, da höhere Entwicklungskarten einem meist auch bessere Tauschverhältnisse verschaffen. So hat man kaum noch die Möglichkeit, einen so erlitten Zeitverlust punktemäßig wieder aufzuholen und es wird recht früh deutlich, wer um den Sieg mitspielt und wer nicht. Dieses Element des Karten-Wegschnappens wäre halb so wild, wenn es nicht solch eine eingeschränkte Lagerhaltung gäbe. Andererseits ist diese an sich auch sehr reizvoll, so dass ich dieses Element durchaus zu schätzen weiß. Man hätte meiner Meinung nach also noch mehr redaktionelle Arbeit in dieses Problemfeld einfließen lassen sollen. Warum nicht eine vierte Aktionsmöglichkeit einführen, bei der man sich Karten reservieren kann? Dann müsste man abwägen, ob man dieses Zeitverlust hinnimmt, um das Risiko des Totalverlustes zu minimieren (so wie SPLENDOR es macht). Oder warum hat man nicht einen kleinen Pool von Entwicklungskarten sicher auf der Hand? Also so, wie das bei den Anführerkarten der Fall ist. Davon hat man zwei auf der Hand und kann die eigene Strategie darauf auslegen.
Bei diesen Anführerkarten gehen die Meinungen übrigens auch etwas auseinander. Manche halten diese für unausgewogen, andere weisen zurecht darauf hin, dass man sich anfangs selbst aus vier möglichen Karten zwei aussuchen kann und da doch immer etwas dabei ist, was man gut gebrauchen kann. Ich vertrete dabei auch eher die zweite Meinung. Ein wenig mehr Varianz bei den Effekten wäre schön gewesen, aber im Endeffekt passt das schon ganz gut zusammen. Und wenn darüber Uneinigkeit herrscht, kann man diese Karten als Hausregel zu Beginn auch einem Drafting unterwerfen.
Der beigefügt Solo-Modus ist in meinen Augen übrigens relativ Spaß befreit. Zu Beginn einer Runde deckt man einen Marker auf und bewegt dann einen konkurrierenden Papst-Marker oder nimmt bestimmte Karten heraus. Das ist nur leidlich spannend, auch wenn es zum Glück keine reine High-Score-Jagd ist. Aber irgendwie atmet dieser Modus nicht den Geist des Spiels, da sich bspw auch nicht die Situation der Kugeln ändert – was für mich aber einen großen Reiz ausmacht.
Das gefällt mir gut: Wenn man meine letzten Absätze so liest, dann könnte man meinen, bei mir wäre MEISTER DER RENAISSANCE vollends durchgefallen – ist es aber nicht. Sogar eher das Gegenteil ist der Fall. Ich mag die Leichtigkeit und die Schnelligkeit dieser Komposition. Natürlich kann es etwas unglücklich laufen, aber aufgrund der Kürze der Spielzeit ist das in meinen Augen vertretbar. Und selbst wenn ich nicht um den Spielsieg mitspielen sollte, dann erfreue ich mich am tollen Schiebemechanismus der Aktionskugeln.
Dieser erinnert mich ein wenig an ULM. Allerdings gefällt er mir in MEISTER DER RENAISSANCE deutlich besser. So besteht hier bspw. diese Asymmetrie, bei der man im ersten Moment nur denkt: Warum sollte ich mich jemals nur mit drei Kugeln begnügen, wenn ich doch auch vier nehmen kann? Weil man dann im Spielverlauf schnell merkt, dass das eigene Lager schon recht gut gefüllt ist und man gar keine neuen Ressourcen mehr nehmen möchte. Denn wenn man zu viele Ressourcen erhalten würde, bekommen die Mitspielenden stattdessen einen zusätzlichen Schritt auf der Papstleiste – was es zu vermeiden gilt. Glücklicherweise sind also noch die weißen Nieten-Kugeln im Spiel, die man anfangs meidet wie der Teufel das Weihwasser. Mit einem entsprechenden Anführer erhält man aber dadurch auf einmal zusätzliche Ressourcen, was natürlich toll ist. Es sei denn, das Lager ist schon voll – dann ist es gar nicht toll! Auf einmal will man sogar keine weißen Kugeln mehr nutzen. Dieser Mechanismus ist einfach grandios, zumal er auch sehr gut zu verstehen und zu handhaben ist.
Wie schon beschrieben, ist die Papst-Leiste ein wichtiges Kalibrierungsrädchen dieses Mechanismus, weil man deswegen nicht wahllos Ressourcen nehmen will. Darüber hinaus hat die Papstleiste auch noch die wichtige Funktion, einen zweiten Weg zum Spielsieg aufzuzeigen. Gäbe es diese Leiste nicht, wäre MEISTER DER RENAISSANCE zu einseitig. Alle würden nur so schnell wie möglich Karten kaufen und hoffen, damit die meisten Punkte zu machen. Nun kommt aber noch ein Gegenpol ins Spiel. Denn dieses Wettrennen auf der Papstleiste ist von der Bedeutung nicht zu unterschätzen. Prescht hier eine Person voran, übt sie Druck auf die anderen aus, folgen zu wollen. Denn wer verzichtet schon gerne auf Boni? Zusätzlich wird über die Papstleiste auch Druck bezüglich des Spiel-Endes ausgelöst und erinnert so ein wenig an die Hut-Leiste von NO SIESTA!
Auch die beschränkte Lagerhaltung empfinde ich als reizvolles Element. Das Nehmen der Ressourcen muss somit zielführend sein und artet nicht in Raffgier aus. In Kombination mit der Truhen-Lagerung und den Umtauschvorgängen sind ständig kleine Entscheidungen zu treffen. Dabei ist man gezwungen, die Funktionen der Entwicklungskarten geschickt miteinander zu verknüpfen. Idealerweise kann ich dadurch Ressourcen erzeugen, die ich im zweiten Durchlauf wieder als Glaubenspunkte verarbeiten kann. Hier gilt es sich einen Motor zu bauen, der allerdings auch nicht zu starr werden darf. Denn schließlich will ich irgendwann die Entwicklungskarten überbauen. Und passt dann noch alles gut zusammen? Diese Vergänglichkeit ist in meinen Augen ziemlich reizvoll, da es nicht darum geht, eine Kombination aufzubauen und diese stumpf immer und immer wieder zu wiederholen. Außerdem sorgt auch die Knackigkeit der Spielzeit dafür, dass es nicht zu langweiligen Wiederholungen der immer gleichen Produktionsketten kommt.
Fazit: Gefühlt wird MEISTER DER RENAISSANCE ein wenig stiefmütterlich wahrgenommen. Dabei leidet es meiner Meinung nach etwas unter der Last, zwangsläufig mit LORENZO DER PRÄCHTIGE verglichen zu werden. In der Spielentwicklung wurde dabei etwas zu sehr auf diese mögliche Verwandtschaft geachtet, anstatt dem Spiel die Eigenständigkeit zu geben, die es durch einige interessante Elemente durchaus aufweisen könnte. Mit einem etwas anderen Schwerpunkt bei der Entwicklung hätte hier durchaus ein Hit entstehen können. So fliegt es leider etwas unter dem Radar. Schade, denn auch das pfiffige Material weiß zu überzeugen.
Titel | Meister der Renaissance |
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Autoren | Simone Luciani und Nestore Mangone |
Illustrationen | Klemens Franz und Roberto Grasso |
Dauer | 60 Minuten |
Personenanzahl | 1 bis 4 Personen |
Zielgruppe | rollende Familienspielrunden |
Verlag | Cranio Creations (bzw. HeidelBär Games) |
Jahr | 2020 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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