Pocket Detective: Mord auf dem Campus von Yury Yamshchikov – erschienen bei Schmidt Spiele
Ich weiß ja nicht, mit was für Taschen Detektive gewöhnlich unterwegs sind. Aber ein wenig Fassungsvermögen müssen diese schon haben, wenn man dort ein POCKET DETECTIVE: MORD AUF DEM CAMPUS verstauen will. Wer nur Hosentaschen im Angebot hat, dem empfehle ich daher schon zu Beginn lieber die SHERLOCK-Fälle, denn die haben wirkliches Pocket-Format.
Thema... gerne stellt man sich Universitäten als Hort der Glückseligkeit vor. Professoren hausen in ihren Elfenbeintürmen und lassen sich manchmal dazu überreden, ihr Wissen mit der Welt zu teilen. Das ist natürlich hoffnungslos naiv und weltfremd – so auch auch bei diesem Fall. Denn MORD AUF DEM CAMPUS würde nicht so heißen, wenn nicht selbiges dort geschehen wäre. Wir müssen somit also den definitiv unnatürlichen Tod eines angesehen Professors klären – und dürfen uns dabei an einer Schar von Verdächtigen abarbeiten.
Gestaltung… stammt von Leon Schiffer und schafft eine stimmungsvolle Atmosphäre. Wenn ich mir die Illustrationen genauer anschaue, dann muss der Fall übrigens in den 1980er-Jahren spielen. Denn gelbe Notizzettel werden noch mit Klebestreifen befestigt und bei den vertraulichen Umschlägen lugt noch die gute alte Diskette hervor. Das waren noch Zeiten...
Ansonsten funktioniert die Symbolik ganz gut, wenn auch manchmal einiges doch arg fuddelig klein daher kommt. Das ist auch der Größe der Karten geschuldet, die gerne etwas üppiger hätten ausfallen können (womit dann auch wieder die schönen Illustrationen besser zur Geltung kämen).
Ausstattung… der Inhalt hätte problemlos auch in eine reine Kartenbox gepasst, zumal die Regelerklärung ebenfalls über die Karten erfolgt. Lediglich ein unnötiges Gimmick erklärt das gewählte Schachtelformat: ein Zusatzblatt stellt eine Art Pinnwand dar, bei denen man Beziehungen zwischen einzelnen Personen eintragen kann und welches zusätzlich als Zeitzähler fungiert.
Ablauf… aus dem großen Kartenpool werden kleine Stapel gebildet, die verschiedene Orte repräsentieren (die Uni, das Wohnhaus der Professors, die Polizeistation...). Im Spielverlauf hangelt man sich von Karte zu Karte, in dem die dortigen Texte vorgelesen werden und man sich am Ende entscheidet, welche Karte man als nächstes abhandeln will. Dabei muss man für das Ansehen der Karten mit der Währung "Zeit" bezahlen. Am Spielende gibt dann die verbrauchte Zeit an, wie clever oder trottelig wir uns beim Lösen des Falles angestellt haben.
Das gefällt mir nicht so gut: Wie auch bei CRIME STORY MUNICH fühle ich mich durch das Kartensystem etwas zu sehr an die Hand genommen. Man hat nicht wirklich den Eindruck, etwas zu ermitteln. Stattdessen geht man Karte für Karte die einzelnen Erzählstränge durch. Dabei hat man durchaus gewisse Freiheiten, in welcher Reihenfolge man agieren möchte. Allerdings kann das dann zu Problemen führen, wenn man auf einmal vor Entscheidungen steht, die man so noch gar nicht richtig beurteilen kann. Insgesamt war mir das dann doch alles ein wenig zu willkürlich und so haben mir vergleichbare lineare Erzählsysteme wie bei CRIME STORY MUNICH oder noch mehr wie bei DECKTECTIVE besser gefallen.
Außerdem braucht es auch erst einmal eine Partie, um dieses Zeitsystem und deren Auswirkung auf die finale Abrechnung (die ich ohnehin nie benötige) zu durchschauen. Denn die Karte, die versucht den Wert der Zeit zu erklären, lässt einen recht ratlos zurück. Man benötigt mindestens 10 Zeit, das beste Ergebnis kann aber auch noch mit 15 verbrauchte Zeit erreicht werden. Aber Vorsicht, es gibt auch noch Stressmarker, die das Ergebnis beeinflussen können – und außerdem sind die Angaben auf den Karten ohnehin nur Schätzungen. Warum so kompliziert für eine Sache, bei der eigentlich das Tüfteln an einem Kriminalfall im Vordergrund stehen sollte und nicht die Frage, was später vielleicht wie gewertet wird? In meinen Augen hat sich somit bei dem gewählten System der Fokus in die falsche Richtung verschoben.
Das gefällt mir gut: Der Fall als solches ist schon ganz unterhaltsam. Es gibt zwei-drei Ermittlungsstränge, die auch eine gewisse Zeit parallel verlaufen. Die unterschiedlichen Kartenstapel zeigen dabei gut an, wo man aktuell ermittelt. Das Hilfsblatt hat übrigens durchaus seine Berechtigung. Denn bei den ganzen Karten und den Querbeziehungen dazu, kann man leicht einmal die Übersicht verlieren. Es ist schon eine Kunst, die Karten so zu sortieren, dass man einen Überblick behält. Wie so oft gilt auch bei MORD AUF DEM CAMPUS: wer schreibt, der bleibt (am Ball).
Gut gefallen haben mir die alternativen Story-Enden. Ich persönlich empfand die Herausforderung zwar nicht all zu hoch, aber da mag ich mich auch täuschen. Es ist jedenfalls liebevoll dafür gesorgt, dass die Geschichte unterschiedlich enden kann. Neben der überzeugenden Gestaltung ist das ein echter Pluspunkt.
Fazit: So richtig hat mich POCKET DETECTIVE: MORD AUF DEM CAMPUS nicht überzeugt. Meiner Meinung nach gibt es überzeugendere Krimi-Systeme auf dem Markt. Trotzdem würde ich einen zweiten Fall der Reihe nochmals auf den Tisch bringen. Bei DECKTECTIVE war ich anfangs auch nicht überzeugt und der zweite Fall war dann deutlich besser. Eine Chance werde ich POCKET DETECTIVE wohl noch geben. Vielleicht ist dann der Fall etwas raffinierter konstruiert.
Titel | Pocket Detective: Mord auf dem Campus |
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Autor | Yury Yamshchikov |
Gestaltung | Leon Schiffer |
Dauer | 60 bis 90 Minuten |
Personenanzahl | 1 bis 6 Personen |
Zielgruppe | Krimi-Familienspielrunden |
Verlag | Schmidt Spiele |
Jahr | 2020 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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