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kritisch gespielt: Mr. Jack

Mr. Jack von Bruno Cathala und Ludovic Maublanc – erschienen bei Hurrican

Mr. Jack - Cover
Foto: Hur­ri­can

In mei­nem Bei­trag zu HOLMES – SHERLOCK GEGEN MORIARTY erwähn­te ich kurz MR. JACK. Dabei fiel mir auf, dass MR. JACK mitt­ler­wei­le mehr als 10 Jah­re auf den Buckel hat und viel­leicht dem ein oder ande­ren Leser unbe­kannt ist. Das Schö­ne an einem eige­nen Blog ist, dass man nicht immer nur irgend­wel­chen Neu­hei­ten hin­ter­her het­zen muss, son­dern pro­blem­los auch mal älte­re Spie­le wie­der in den Fokus brin­gen kann.

The­ma... Jack the Rip­per treibt in Lod­nons Stadt­teil Whitecha­pel sein Unwe­sen. Aus die­sem Grund ist nun der berühm­te Sher­lock Hol­mes nebst Gehil­fen Dr. Wat­son gekom­men, um das Ver­bre­chen auf­zu­klä­ren. Auch ande­re Spür­na­sen haben sich ein­ge­fun­den – und unter Ihnen ist Mr. Jack per­sön­lich, da er geris­sen­haft eine fal­sche Rol­le spielt. So ver­sucht Mr. Jack die Poli­zei an der Nase her­um­zu­füh­ren, um recht­zei­tig ent­flie­hen zu können.

Mr. Jack - Charaktere
die bei­den Autoren in illus­trer Gesellschaft

Gra­fik... ist vom Comic­zeich­ner Pierô, der ger­ne in sei­nem Blog auch mal die Ent­wick­lung sei­ner Illus­tra­tio­nen doku­men­tiert (zumin­dest wenn er dafür Zeit fin­det). So weist auch MR. JACK Pierôs eige­nen Stil auf, der mir sehr gut gefällt. Außer­dem hat Pierô es sich neh­men las­sen, die bei­den Autoren auch bild­lich zu ver­ewi­gen: Sir Wil­liam Gul sieht Bru­no Catha­la sehr sehr ähn­lich und Jere­my Bert hat ver­blüf­fen­de Ähn­lich­keit mit Ludo­vic Maublanc.

Aus­stat­tung... schießt fast schon über das Ziel hin­aus. Der damals jun­ge Ver­lag Hur­ri­can woll­te bei sei­nem Erst­ling alles ganz beson­ders machen. Schö­ne Gra­fik, gro­ßes Spiel­brett, hand­li­che Holz­schei­ben mit gut durch­dach­ten Auf­kle­bern, gro­ße Kar­ten, die extra auf dicken Kar­ton auf­ge­zo­gen wurden...

Mr. Jack - Alibi-Karten
bei gutem Licht kann man die farb­li­chen Anschnit­te sehen...

...und genau damit hat man die Kar­ten sogar etwas ver­schlimm­bes­sert. Denn die­se Art Kar­ton-Kar­ten kann bei den Ali­bi­kar­ten dazu füh­ren, dass man nun am seit­li­chen Anschnitt die jewei­li­gen Far­ben erkennt. Ein extra Bei­blatt emp­fiehlt des­we­gen, die­se Kar­ten am Rand der Spiel­box abzu­le­gen, so dass man eben nicht die seit­li­chen Anschnit­te sieht.

Da acht Cha­rak­te­re im Spiel vor­kom­men, gibt es alles acht­mal: Holz­schei­ben, Per­so­nen­kar­ten und Ali­bi­kar­ten. Zusätz­lich gibt es noch Papp­lätt­chen für Stra­ßen­sper­ren, Gas­la­ter­nen und Kanal­bau­stel­len. Bei den sechs­ecki­gen Pappplätt­chen stimmt der Win­kel des Auf­drucks zwar nicht ganz, aber das ist Korin­then­ka­cke­rei. Ins­ge­samt hat man das woh­li­ge Gefühl, dass alles sehr gut durch­dacht ist (selbst der Rand des Spiel­bretts ist farb­lich unter­schie­den, damit man über die Sym­bol­spra­che den jewei­li­gen Spie­ler bestim­men kann).

Mr. Jack - Startaufstellung
Start­auf­stel­lung – noch aus­rei­chend hell beginnt die nächt­li­che Mörderjagd

Ablauf... ist sehr ein­präg­sam und wird auch noch­mals über eine seit­li­che Spiel­leis­te illus­triert. Eine Par­tie dau­ert höchs­tens acht Run­den. Ein Spie­ler spielt die Poli­zei, ein ande­rer ist Mr. Jack. Die­ser Jack-Spie­ler zieht anfangs eine Ali­bi­kar­te, womit bestimmt wird, hin­ter wel­cher Iden­ti­tät er sich im Spiel­ver­lauf ver­birgt. Enden kann MR. JACK auf drei Arten:

  1. Die Poli­zei ergreift Mr. Jack und der Poli­zei-Spie­ler hat gewon­nen – aller­dings hat der Poli­zei-Spie­ler nur einen Ankla­ge-Ver­such! Ist die Ankla­ge falsch, gewinnt der Jack-Spie­ler, weil ihm das Durch­ein­an­der die­ses Jus­tiz­irr­tums die Flucht ermög­licht hat.
  2. Nach acht Run­den wur­de Mr. Jack nicht ver­haf­tet und somit hat der Jack-Spie­ler gewonnen.
  3. Dem Jack-Spie­ler gelingt die Flucht mit sei­nem zuge­ord­ne­ten Cha­rak­ter aus dem Stadt­teil und gewinnt.

Am Anfang einer Run­de wer­den vier der acht mög­li­chen Per­so­nen­kar­ten auf­ge­deckt. Bei unge­ra­der Run­den­an­zahl beginnt der Poli­zei-Spie­ler, sich eine Per­son aus­zu­su­chen und aus­zu­füh­ren (die ent­spre­chen­de Holz­schei­be auf dem Plan bewe­gen und eine per­so­nen­spe­zi­fi­sche Son­der­fä­hig­keit nut­zen). Danach darf der Jack-Spie­ler zwei Per­so­nen­kar­ten spie­len, bevor wie­der der Poli­zei-Spie­ler die ver­blei­ben­de letz­te Per­so­nen­kar­te aus­führt. Bei gera­den Run­den wech­selt die­ser Per­so­nen-Akti­vie­rungs-Mecha­nis­mus und außer­dem wer­den nun die ver­blei­ben­den vier Per­so­nen­kar­ten aus­ge­legt. Erst dann wer­den die­se wie­der gemischt und zwei neue 4er-Päck­chen gebildet.

Nach­dem die jeweils vier Per­so­nen­kar­ten gespielt wur­den, geschieht eine Zeu­gen­be­fra­gung. Nun muss der Jack-Spie­ler mit­tei­len, ob sei­ne Iden­ti­tät sicht­bar ist oder nicht. Was bedeu­tet das? Liegt sei­ne Holz­schei­be neben einer Later­ne oder einer ande­ren Schei­be, dann ist sie sicht­bar – ansons­ten eben nicht. Ziel des Jack-Spie­ler ist es dem­nach, ent­we­der vie­le Schei­ben im Licht oder in der Dun­kel­heit zu haben. Der Poli­zei-Spie­ler ver­sucht dahin­ge­gen durch das Aus­schluss­ver­fah­ren Hin­wei­se über die Iden­ti­tät von Mr. Jack zu bekommen.

Mr. Jack - Halbzeit
schon sind die ers­ten Gas­la­ter­nen erlo­schen – aber die Poli­zei hat auch schon eini­ge Ver­däch­ti­ge aus­schlie­ßen können

Das wird immer schwe­rer, da die Gas­la­ter­nen die dum­me Ange­wohn­heit haben, nicht die gan­ze Nacht durch­zu­bren­nen. Run­de für Run­de erlischt eine und es wird immer dunk­ler (wobei zwei Later­nen durch­ge­hend bren­nen). Das ist ins­be­son­de­re für den Jack-Spie­ler wich­tig, da er nur dann das Vier­tel ver­las­sen darf, wenn bei der vor­he­ri­gen Zeu­gen­be­fra­gung Jack nicht sicht­bar war.

Das Salz in der Sup­pe brin­gen aber die ver­schie­de­nen Per­so­nen­kar­ten. Denn jede aus­ge­spiel­te Per­son hat eine Son­der­fä­hig­keit, die es opti­mal zu nut­zen gilt. So kann sich Sher­lock Hol­mes bspw. Ali­bi­kar­ten anse­hen, um damit Iden­ti­tä­ten aus­zu­schlie­ßen. Oder Wat­son hat eine Taschen­lam­pe dabei, mit der er ande­re Per­so­nen sicht­bar machen kann.

Das gefällt mir nicht so gut: Gera­de in den ers­ten Par­tien hat man das Gefühl, dass man als Jack-Spie­ler kein Land sieht. Mit mehr Spiel­erfah­rung ist die­se Unaus­ge­wo­gen­heit nicht mehr so stark, trotz­dem habe ich das Gefühl, dass es sich als Poli­zist leich­ter gewin­nen lässt.

Um als Jack-Spie­ler erfolg­reich zu sein, kann man eigent­lich kaum aus dem Bauch her­aus spie­len. Man muss sich schon sehr genau Gedan­ken machen, was für Optio­nen man in der aktu­el­len aber auch in der fol­gen­den Run­de hat. Einen halb­wegs ver­nünf­ti­gen Plan soll­te man also schon ver­fol­gen. Nur kann dann durch eine Akti­on des Poli­zei-Spie­lers der bis­he­ri­ge Plan halt­los gewor­den sein und man muss schnell umden­ken. Nicht jedem Mit­spie­ler hat das gefal­len – auch weil dadurch das Spiel anfäl­lig für lan­ge Denk­pau­sen ist. Zusätz­lich soll­te man als Jack-Spie­ler bluf­fen kön­nen. Wem das nicht liegt, der hat sicher­lich auch kei­nen Spaß an die­ser Rolle.

Mr. Jack - Alibis
vie­le Ali­bis kön­nen der Poli­zei sehr helfen

Das gefällt mir gut: Das Spiel­ge­fühl ist toll! Als Jack-Spie­ler wird man rich­tig gehetzt – und wenn es unglück­lich läuft, dann ist die Iden­ti­tät schon früh ziem­lich offen­sicht­lich. Trotz­dem ist dann das Spiel noch nicht vor­bei, denn nun kann man dafür sor­gen, dass der Poil­zei-Spie­ler einen inner­halb der Run­den­an­zahl nicht ein­fängt – das hat etwas von SCOTLAND YARD, fühlt sich aber viel dich­ter an.

Als Poli­zei-Spie­ler hin­ge­gen ver­mu­tet man hin­ter jeder Akti­on des Jack-Spie­lers einen Bluff. Durch die Regel, dass man nur ein­mal Ankla­ge erhe­ben darf, will man sich dabei eigent­lich zu hun­dert Pro­zent abge­si­chert füh­len. Aber auf­grund der nur acht Spiel­run­den, darf man damit auch nicht zu lan­ge war­ten, sonst ist Mr. Jack nicht mehr greifbar.

So ist MR. JACK ein asyn­chro­nes Spiel, was mich nach­hal­tig begeis­tert. Hier ist sowohl Deduk­ti­on gefragt aber auch cle­ve­res Bewe­gungs­ma­nage­ment. Die ein­zel­nen Son­der­fä­hig­kei­ten der Per­so­nen sind in mei­nen Augen gut auf­ein­an­der abge­stimmt – und wer­den durch die ein­zel­nen Cha­rak­te­re auch the­ma­tisch gut ein­ge­bun­den. Ohne­hin fin­de ich die gan­ze Umset­zung und the­ma­ti­sche Ein­bet­tung sehr stim­mig, was dem posi­ti­ven Spiel­ge­fühl sehr zuträg­lich ist.

Mr. Jack - Detail
Fin­det Sher­lock Hol­mes den Mör­der? Oder ist er gar selbst Mr. Jack?

Fazit: Eine Par­tie MR. JACK ist span­nend und ner­ven­auf­rei­bend. Gelingt mir als Mr. Jack der gro­ße Bluff und kann ich mich ret­ten? Kann ich als Geset­zes­hü­ter den schänd­li­chen Tun des Mör­ders ein Ende set­zen? Hier wird im immer dunk­ler wer­den­den Lon­don der ent­spre­chen­de Show­down aus­ge­spielt. Natür­lich ist dabei auch eine Quänt­chen Glück im Spiel. So kann die Fähig­keit von Sher­lock Hol­mes dem Poli­zei-Spie­ler viel­leicht den ent­schei­den­den Hin­weis geben (und der Jack-Spie­ler weiß es nicht, da die Ali­bi­kar­ten geheim ange­se­hen wer­den). Auch die Ver­tei­lung der Per­so­nen­kar­te in der letz­ten Run­de kann über Sieg oder Nie­der­la­ge ent­schei­den. Auf­grund der kur­zen Spiel­zeit von etwa 15 Minu­ten ist das aber ver­kraft­bar (wenn es zu kei­nen Denk­or­gi­en kommt). Außer­dem reicht dann meist die Zeit, um eine Revan­che mit ver­tausch­ten Rol­len zu spielen.

 

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