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Natives von der Autorengruppe Trehgrannik (Anatoly Shklyarov, Alexey Paltsev und Alexey Konnov) – erschienen im KOSMOS Verlag

Natives - Box
Foto: KOSMOS Verlag

In mei­nem letz­ten Bei­trag habe ich die Fra­ge gestellt, wann ist ein Knei­pen­spiel ein Knei­pen­spiel? Ähn­lich könn­te ich nun bei NATIVES machen: ab wann ist ein Wes­tern­spiel ein Wes­tern­spiel? Denn auch wenn in NATIVES offen­kun­dig (und platt gespro­chen) India­ner­stäm­me auf­tre­ten, dann feh­len einem die wei­te­ren klas­si­schen Ele­men­te eines Wes­tern­spiels: Cow­boys, Duel­le, Whis­ky... Iro­ni­scher­wei­se trifft aber NATIVES sicher­lich eher die his­to­ri­sche Wirk­lich­keit – ins­be­son­de­re für eine Zeit, in der noch nicht mas­sen­haft wei­ße Ein­wan­de­rer den nord­ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nent bevöl­kert haben.

The­ma... der Win­ter naht – obwohl NATIVES nichts mit Game of Thro­nes zu tun hat. Viel­mehr müs­sen sich die ein­zel­nen Stäm­me auf die­se ent­beh­rungs­rei­che Jah­res­zeit vor­be­rei­ten und ent­spre­chen­de Vor­keh­run­gen tref­fen. In ers­ter Linie gilt es, Nah­rung ein­zu­sam­meln – und dabei auch den ein oder ande­ren geg­ne­ri­schen Krie­ger gefan­gen zu neh­men. Damit das erfolg­reich gelingt, soll­te man auch den eige­nen Stamm ver­grö­ßern und cle­ver über die Scha­ma­nen bestimm­te Totem nutzen.

Grafikstil
schon ein eige­ner Stil: aber mir gefällt er sehr gut!

Illus­tra­tio­nen… sind von Vic­tor Zabur­daev und der Fio­re GmbH. Von die­sen wird ein sehr eige­ner Stil gepflegt, der mir aber außer­or­dent­lich gut gefällt. Da ich kunst­wis­sen­schaft­lich nicht bewan­dert bin, kann ich nicht dar­über phi­lo­so­phie­ren, inwie­weit die­ser Stil india­ni­sche Kul­tur cle­ver auf­greift oder eher platt imi­tiert. Mir als Kon­su­ment kann die­se Fra­ge jedoch glück­li­cher­wei­se egal sein. Ich fin­de die Gestal­tung näm­lich stim­mig. Und so freue ich mich, dass NATIVES mutig etwas anders daher kommt.

Aus­stat­tung… kann man leicht zusam­men­fas­sen: Kar­ten über Kar­ten! Neben Kar­ten für das Grund­spiel, sind auch von vorn­her­ein drei zusätz­li­che Erwei­te­run­gen in der Box enthalten.

Die Kar­ten im Grund­spiel unter­schei­den sich in Stam­mes­mit­glie­der, Totems und Nah­rung. Bei den Stam­mes­mit­glie­der besteht noch die Beson­der­heit, dass man­che zwei Stäm­men zuge­ord­net sind (frü­her hät­te man dazu "Wen­de­häl­se" gesagt).

Natives - Grundspiel
die Kar­ten­ty­pen des Grundspiels

Bevor die­se gan­zen Kar­ten im Spiel­ver­lauf ver­teilt wer­den, gilt es zuerst sei­nen eige­nen Stamm aus­zu­le­gen. Die­ser besteht aus 7 ein­zel­nen Mit­glie­dern, die der Rei­he nach aus­ge­legt wer­den und jeweils Spe­zia­lis­ten für eine Funk­ti­on sind. Der Far­mer küm­mert sich um den Mais, der Jäger dahin­ge­gen um die Bisonjagd.

Startstamm
der Stamm der Wölfe

Schö­nes Detail dabei: die Stäm­me sind nur nur jeweils einer Far­be zuge­ord­net, son­dern auch immer einem Tier. Das hat manch einen mei­ner jün­ge­ren Mit­spie­ler in die Zwick­müh­le gebracht: spie­le ich nun mei­ne Lieb­lings­far­be oder lie­ber mein Lieblingstier?

Natives - Auslage
in der "Prä­rie" (=Aus­la­ge) fin­den sich die Kar­ten, die wir auf­neh­men können

Ablauf… aus den Kar­ten wird eine offe­ne Aus­la­ge gebil­det. Ist man an der Rei­he, darf man sich von einem Kar­ten­typ so vie­le Kar­ten neh­men, wie sie der eige­nen Anzahl der ent­spre­chen­den Stam­mes­mit­glie­der ent­spricht. Alles klar? Wenn nicht, kann ich es ver­ste­hen. Die Mecha­nik auf einen Satz kom­pri­miert, ist nicht gera­de erhel­lend. Ich zei­ge es an einem Bei­spiel: hat man nur den anfäng­li­chen Fischer, dann darf man sich nur einen Lachs aus der Aus­la­ge neh­men. Hat man aber drei Fischer, dann kann man sich auch drei Lach­se aus der Mit­te nehmen.

Doch wie bekommt man mehr als einen Fischer? Das pas­siert über die Stam­mes­mit­glie­der. Nimmt man sich wel­che aus der Mit­te, dann ord­net man die­se sofort einem Spe­zia­lis­ten zu, so dass man ab der nächs­ten Run­de mehr von die­sen zur Ver­fü­gung hat. Dabei darf man auch "frem­de" Stam­mes­mit­glie­der (also mit einer ande­ren Far­be) zum eige­nen Stamm hin­zu­fü­gen. Das wird aller­dings bei der End­ab­rech­nung mit Minus­punk­ten bedacht. Da kann es loh­nen­der sein, die­se durch die eige­nen Krie­ger gefan­gen zu neh­men (um den Mit­spie­lern Punk­te und auch Mög­lich­kei­ten zur Stam­mes­er­wei­te­rung zu nehmen).

Am Spie­len­de erhält man ganz vie­le Punk­te. Haupt­säch­lich für gesam­mel­te Nah­rung, aber auch für Gefan­ge­ne und über­all aus­lie­gen­de Stam­mes­mit­glie­der. Zusätz­lich wer­den nun noch Totems aus­ge­wer­tet, die Zusatz­punk­te für bestimm­te ande­re Kate­go­rien gene­rie­ren (bspw. einen Punkt mehr für jeden Mais).

Neben die­sem Grund­spiel lie­gen in der Box auch Kar­ten für gleich drei Erwei­te­run­gen bei. Mal gibt es Ritua­le oder beson­de­re Stam­mes­mit­glie­der, mal wird der Ablauf in Jah­res­zei­ten unter­teilt, die dann beson­de­re Eigen­schaf­ten in die­ser Zeit ein­füh­ren. Die­se Erwei­te­run­gen kann man ein­zeln hin­zu­fü­gen oder auch alle mit­ein­an­der kombinieren.

Totem des Zorns
NATIVES ist zwar kein Lega­cy-Spiel, die Kar­te soll­te aber trotz­dem ent­fernt werden

Das gefällt mir nicht so gut: wie mir auf Nach­fra­ge das Redak­ti­ons­team von KOSMOS beim Blog­bis­tro zäh­ne­knir­schend berich­te­te, ist ihnen ein Lap­sus unter­lau­fen, den man auch deut­lich im Spiel spürt. Das "Totem des Zorns" rut­sche aus einer Erwei­te­rung in das Grund­spiel – und ist dort viel zu mäch­tig! Ins­be­son­de­re im 2‑Per­so­nen-Spiel ist die­se Kar­te über­haupt nicht aus­ge­wo­gen, da man dort erfah­rungs­ge­mäß mehr Gefan­ge­ne macht als im 4‑Per­so­nen-Spiel. Des­we­gen mein Rat (und auch der Redak­ti­on): nehmt die­se Kar­te kom­plett aus dem Grund­spiel raus! Wer sie aber im Spiel las­sen will, der soll­te zumin­dest die Beloh­nung auf 1 Sieg­punkt pro Gefan­ge­nen reduzieren.

Ein wei­te­rer Tipp: vor Beginn jeder Par­tie sehr gut mischen! Da man im Spiel­ver­lauf immer glei­che Kar­ten sam­melt, kom­men die­se dann am Ende auch gebün­delt wie­der in den Kar­ten­sta­pel. Mischt man die­sen zur nächs­ten Par­tie nicht aus­rei­chend, dann erschei­nen die Kar­ten immer block­wei­se in der Aus­la­ge (erst ver­mehrt grü­ne Stam­mes­mit­glie­der, dann Mais, dann Lachs usw.) Somit kann also die Aus­la­ge sehr ein­sei­tig bestückt sein, was dann auch ein recht ein­tö­ni­ges Spiel­erleb­nis ergibt. NATIVES ist ohne­hin schon nicht das spek­ta­ku­lärs­te Spiel, mit einer mono­to­nen Aus­wahl wird es sehr zäh. Wenn die Aus­la­ge aber genü­gend ver­schie­den ist, dann kann man aber nor­ma­ler­wei­se gut unter­schied­li­che Tak­ti­ken anwen­den und NATIVES spielt sich interessant. 

Wie so oft bei die­ser Art Kar­ten­spiel müs­sen am Ende irgend­wie Punk­te zusam­men gerech­net wer­den. Das geht am bes­ten mit Stift und Papier, zumal man durch die beson­de­re Zähl­wei­se der unter­schied­li­chen Stam­mes­mit­glie­der auch nicht ein­fach die Kar­ten sam­meln kann. Aus die­sem Grund hät­te ich es sehr schön gefun­den, wenn noch ein ent­spre­chen­der Wer­tungs­block in der Box bei­gele­gen hät­te. Mal schau­en, ob ich da noch einen schö­nen selbst gestal­te und dann hier im Blog als Down­load anbie­ten kann (wie bspw. für TYBOR DER BAUMEISTER).

Natives - Spielsituation
ein sehr krie­ge­ri­scher Stamm

Das gefällt mir gut: NATIVES wird nicht ohne Grund ger­ne als "Engi­ne Buil­der" bezeich­net. Man ent­schei­det sich dafür, einen Bereich "aus­zu­bau­en" und die­sen kon­ti­nu­ier­lich zu nut­zen. Habe ich vie­le Stam­mes­mit­glie­der als Jäger aus­ge­bil­det, dann will ich natür­lich auch ger­ne vie­le Bisons auf ein­mal erle­gen. Dumm nur, dass genau das mei­ne Mit­spie­ler ver­hin­dern wol­len. Dar­aus wird dann der Reiz von NATIVES erzeugt. Dau­ernd hof­fe ich, dass bestimm­te Kar­ten in die Aus­la­ge gelan­gen – und auch noch dort lie­gen, wenn ich am Zug bin. Aller­dings pas­siert es dann oft, dass in der Aus­la­ge auf ein­mal meh­re­re attrak­ti­ve Optio­nen lie­gen. Und schon muss ich abwä­gen und zwi­schen ver­schie­de­nen Wegen wäh­len. Zusätz­lich will man natür­lich auch nichts sei­nen Kon­kur­ren­ten gön­nen. So muss man dau­ernd vie­le klei­ne Ent­schei­dun­gen tref­fen, ohne dass jetzt alles in einer rie­si­gen Grü­be­lei ausartet.

Dabei wei­sen einem die ein­zel­nen Totem bei den tak­ti­schen Ent­schei­dun­gen den Weg. Mit ein wenig Spiel­kennt­nis kann man auch ger­ne ein wenig auf die­se zocken. Also anfangs viel Lachs anhäu­fen – in der Hoff­nung, dass einem dann das ent­spre­chen­de Totem gelas­sen wird (und es über­haupt ins Spiel kommt). Für erfah­re­ne Spie­ler von NATIVES bie­ten sich dann auch recht schnell die sinn­vol­len Erwei­te­run­gen an. Die­se bie­ten eine höhe­re spie­le­ri­sche Vari­anz und kön­nen noch­mals die Inter­ak­ti­vi­tät zwi­schen den Spie­lern erhö­hen. In die­sem Zusam­men­hang lobe ich mir das Kon­zept, die­se zusätz­li­chen Mög­lich­kei­ten erst nach und nach hin­zu­zie­hen zu können.

Natives - Stämme
wel­ches Tier­lein hätten's gern?

Trick­reich fin­de ich auch den spie­le­ri­schen Kniff, dass man frem­de Stam­mes­mit­glie­der für sich selbst anheu­ern kann. Das min­dert doch deut­lich die Glücks­las­tig­keit der anfäng­li­chen Aus­la­ge und schürt zusätz­lich Emo­tio­nen, wenn sicher geglaub­tes Per­so­nal auf ein­mal nicht mehr zur Ver­fü­gung steht. Neben der gra­fi­schen Gestal­tung gefal­len mir in die­sem Zusam­men­hang auch die Namen der Stam­mes­mit­glie­der. Hier kann man ger­ne mal beim Able­gen der Kar­ten ins Erzäh­le­ri­sche abglei­ten ("Brei­ter Rücken wird nun von Lis­ti­ger Luchs in die Kunst des Fischens ein­ge­führt"). Natür­lich bleibt NATIVES ein abs­trak­tes Spiel, aber das The­ma ist trotz­dem halb­wegs prä­sent und ver­mit­telt gut, war­um man was macht.

Natives - Detail

Fazit: NATIVES hat mich posi­tiv über­rascht. Wie auch bei GAME OF TRAINS von der glei­chen Autoren­grup­pe wird ein ein­fa­cher Mecha­nis­mus benutzt, um dau­er­haft vie­le klei­ne Ent­schei­dun­gen tref­fen zu müs­sen. Hin­zu kom­men eine muti­ge (und in mei­nen Augen schö­ne) gra­fi­sche Auf­ma­chung und ein The­ma, was die­ses eigent­li­che abs­trak­te Spiel gut unter­stützt. NATIVES ist jetzt nicht das auf­re­gends­te Spiel der Sai­son, aber vor allem in den Fami­li­en­spiel­grup­pen wuss­te es voll­auf zu überzeugen.

TitelNati­ves
AutorTreh­gran­nik
(Ana­to­ly Shkly­arov, Ale­xey Palts­ev und Ale­xey Konnov)
Illus­tra­tio­nenVic­tor Zabur­daev und Fio­re GmbH
Dau­erca. 30 Minuten
Per­so­nen­an­zahl2 bis 4 Spieler
Ziel­grup­pesam­meln­de Familienspielrunden
Ver­lagKOSMOS
Jahr2019

Ich bedan­ke mich bei KOSMOS für die Bereit­stel­lung eines Rezen­si­ons­exem­plars. Ich bin mir sicher, dass durch die­se Bereit­stel­lung mei­ne Mei­nung nicht beein­flusst wur­de. Die Bespre­chung spie­gelt mei­ne gemach­te Erfah­rung wider.

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