Neom von Paul Sottosanti – erschienen bei Lookout Spiele
Ha, da haben wir wieder das Standard-Cover: ein bärtiger Mann mit Bauplan in der Hand schaut auf eine wachsende Stadt. Und da NEOM die Stadt der Zukunft ist, befindet sich der Bauplan ganz zukunftskompatibel auf einem futuristischen Tablet. Wer jetzt allerdings den Machern Einfallslosigkeit vorwirft, der sollte sich das Cover mal genauer ansehen.*
Thema... wird schon durch den Untertitel gut zusammengefasst. Denn mal wieder sind wir Spieler als Stadtplaner gefragt. Dabei ist es auch in der Zukunft eher ungünstig, Schwerindustrie direkt neben Wohnviertel anzuordnen. Allerdings verfügt man in der Zukunft über bessere Prognoseverfahren. So wissen wir schon vorher, dass mit Überschwemmungen, Großbränden und Gewaltwellen zu rechnen sind. Na, ist Vorfreude geweckt?
Illustrationen… sind von Christian Opperer und haben mich auf dem ersten Blick überhaupt nicht gefangen. Ich weiß noch, wie ich auf der SPIEL in Essen einen großen Bogen um NEOM gemacht habe, da ich es schlicht als potthässlich empfand. Ich hatte überhaupt keine Lust, mich näher mit dem Spiel zu befassen, da ich von den ganzen Farben erschlagen wurde.
Aber zum Glück bin ich in solchen Sachen nicht all zu engstirnig. Denn in einer ruhigeren Umgebung habe ich dann festgestellt, dass ich mich geirrt habe. Weiterhin würde ich NEOM nicht als Schönheit bezeichnen, aber wenn man sich mal die Zeit nimmt, dann fallen einem schon viele schöne Sachen auf. Zusätzlich weiß die gewählte Symbolsprache vollauf zu überzeugen, auch wenn nicht alle Plättchen-Funktionen ohne Vorwissen selbsterklärend sind.
Ausstattung… wird dominiert von den 150 Plättchen, auf denen die zukünftigen Gebäude abgebildet sind. Die Plättchen können dabei anhand der Rückseiten drei Generationen zugeordnet werden. Außerdem haben sie alle eine individuelle Nummer, die für das Spiel allerdings irrelevant ist (vielleicht ist das wichtig für eine spätere Erweiterung – oder die Nummer ist schlicht eine Art Hausnummer). Wichtiger ist eher, dass manche Plättchen bei kleinerer Spieleranzahl aussortiert werden, wofür auch ein Hinweis auf dem Plättchen zu sehen ist. Zusätzlich gibt es mit den "Ankergebäuden" noch eine besondere Art von Plättchen. Diese sind Generationen unabhängig und stellen eine Art Vision der Baumeister dar (sie geben den Spielern individuelle Spielziele vor).
Da im Spiel die Plättchen aber auch abgelegt werden sollen, sind noch entsprechende Stadtpläne in der Box zu finden. Außerdem wird scheinbar auch in Zukunft noch nicht-virtuelles Geld vonnöten sein – zumindest liegen Pappmünzen bei. Zusätzlich sind noch Warenmarker im Angebot, die später besser verdeutlichen, welcher Spieler welche Waren produziert. Zu guter Letzt findet man auch noch einen Wertungsblock, wofür ich immer sehr dankbar bin.
Ablauf… kann ich eigentlich sehr kurz halten: es wird gedraftet, dann ein Plättchen gelegt, dann gedraften, dann ein Plättchen gelegt, dann...
Das geht so über 3 Generationen, bei denen aus einem Anfangspool von 8 Plättchen jeweils 7 gelegt werden (das letzte ist Ausschuss). Um Plättchen ablegen zu dürfen, benötigt man entweder Geld oder Waren, die man aber auch bei den Mitspielern einkaufen kann. Zusätzlich muss eine Straßenverbindung zum Zentrum der Stadt bestehen.
Wem das jetzt alles bekannt vorkommt, der liegt nicht falsch: 7 WONDERS lässt ziemlich grüßen! Das geht sogar noch weiter. Anfangs gibt es eine kleine Draftrunde, bei denen sich jeder Spieler mit 3 Ankergebäuden eindeckt (aka Weltwunder) die er nach und nach bauen kann.
Der Ablauf, um an die Plättchen zu gelangen, erinnert also stark an 7 WONDERS. Das Einbauen der Plättchen hingegen an SUBURBIA (wie auch die Farbgebung). Denn beim Legen muss man auf die einzelnen Funktionen der Gebäude achten. Wirtschaftsgebäude generieren Einkommen, Wohngebäude hauptsächlich Siegpunkte. Über Abbaugebiete kommt man an Rohstoffe, die man später durch Industriegebäude veredeln kann. Dabei gilt es immer die Augen offen zu halten. Am Spielende muss man bspw. Siegpunkte abgeben, wenn zu wenig Wohngebäude gebaut wurden oder diese in der Nähe von Industriegebäuden stehen. Auch auf eine Energiequelle ist während des Spiel zu achten.
Zusätzlich gibt es noch ein kleines fieses Element: die Katastrophen. In jeder Generation ist eine Katastrophe vorhanden (Überschwemmung, Großbrand und Gewaltwelle). Wer diese aktiviert, legt kein Plättchen an, ist aber selbst vor den negativen Auswirkungen dieser Katastrophe geschützt. Die betroffenen Mitspieler müssen nun entweder Geld oder schon gebaute Plättchen abgeben. Allerdings kann man auch noch Gebäude errichten (Feuerwehren und Polizeireviere), die davor zusätzlichen Schutz geben.
Das gefällt mir nicht so gut: Die Katastrophen sind ein Element, dass nicht wirklich von allen Mitspielern geliebt wird. Ich selbst bin da auch ein wenig zwiegespalten. Ich erkenne zwar den spielerischen Nutzen dahinter, sie fühlen sich aber trotzdem doof an. Denn dadurch wird die heimelige Harmonie beim Städteaufbau doch ziemlich gestört. Dauernd muss man sich mit der stressigen Frage herumärgern, ob man sich nicht besser schützen oder gar selbst die Katastrophe auslösen soll. Durch das Auslösen verliert man zwar selbst ein wenig an Tempo beim Ausbau, muss aber auch keine Strafabgabe durchführen. Spielerisch ist das Ganze also durchaus reizvoll. Allerdings bin ich eher der friedfertige Spieler, so dass mich die negativen Auswirkungen schon ein wenig stören.
So schnell eine Partie NEOM auch zu spielen ist, die Auswahl der Ankergebäude am Anfang kann sich ziemlich in die Länge ziehen. Mit ein wenig Übung kann man sich die Symbolik zwar zusammen reimen, aber trotzdem schaut man gerne nochmals in den Index der Plättchen, um auf Nummer sicher zu gehen. Da das aber gerne alle Spieler machen wollen, wartet man ziemlich lange, bis der Index zur Verfügung steht. Möglicherweise wäre es besser gewesen, lediglich einen kleinen Index nur für die Ankergebäude zu erstellen – diesen aber mehrfach zur Verfügung zu stellen. Wir sind am Ende jedenfalls meist dazu übergegangen, die Ankergebäude nicht verdeckt auszusuchen. Insbesondere wenn Neulinge dabei waren, wurde gemeinsam offen nachgeschlagen, welche Gebäude in der Partie zur Auswahl stehen. So ging dann das Drafting wesentlich schneller. Außerdem schadet es dem Spielgefühl kaum, wenn man weiß, welche Gebäude möglicherweise bei den anderen Mitspielern liegen. Bei geübten Runden können aber gerne die Ankergebäude auch verdeckt gedraftet werden.
Ach ja, die 1er-Münzen sind schon etwas fuddelig klein – wenn auch nicht zu klein. Also keinesfalls ein so großes Ärgernis wie bei der ersten Auflage von NUSFJORD. Ein wenig größer hätten sie aber für mich Grobmotoriker schon sein dürfen.
Das gefällt mir gut: Mit dem Thema Städtebau trifft NEOM bei mir genau den richtigen Nerv. Denn ich liebe dieses Austüfteln, wo man den nun am besten die Stadtvilla hinsetzt und wo die Autofabrik. Durch die zu berücksichtigenden Straßenverbindungen kommt bei NEOM aber noch ein zusätzliches Element hinzu, was beachtet werden muss. Es reicht nämlich nicht mehr aus, lediglich zu verhindern, dass Industrie neben Wohngebieten entwickelt wird. Nun muss man auch immer darauf achten, dass man sich nicht all zu sehr in Sackgassen manövriert. Bei dieser Sache ist natürlich derjenige im Vorteil, der mehr Erfahrung besitzt. So hilft es zu wissen, dass bspw. der Autohändler nur aus einer Richtung angeschlossen werden kann. Spiele ich also auf dieses Plättchen hin, sollte ich in meiner Stadt dafür immer schön die Option frei halten. Vor allem Neulinge unterschätzen die Straßenverbindungen, was am Ende für einige Flüche sorgen wird, weil man die schönen Gebäude nicht mehr anbauen kann.

Sehr gut gefällt mir auch, wie die Übersichtlichkeit gewahrt wird. Die Grafik ist am Anfang etwas verwirrend. Allerdings findet man doch glücklicherweise sehr schnell in die Symbolsprache rein. Die Warenmarker wiederum sorgen dafür, dass man immer recht schnell und leicht erkennt, wer welche Waren herstellt. Denn wie bei 7 WONDERS auch, darf ich meinen Mitspielern Waren abkaufen, um sie selbst zu nutzen. Dabei ist man nun glücklicherweise nicht mehr auf die direkten Nachbarn angewiesen, was auch die Abhängigkeit von deren Spielweise verringert. Allerdings wird der Preis teurer, je weiter weg die Waren von mir liegen – was durchaus logisch nachzuvollziehen ist.
Das Drafting wiederum ist kein Selbstzweck, sondern sorgt dafür, dass eine halbwegs vernünftige Verteilung der einzelnen Gebäude stattfindet. Bei SUBURBIA brauchte man manchmal das Glück, dass das richtige Plättchen zur richtigen Zeit erscheint (und man es sich dann leisten kann). Das ist bei NEOM durch das Drafting besser gelöst. Wie auch bei 7 WONDERS wird dadurch auch ein sehr schnelles Spiel gefördert. Es entstehen kaum Pausen und man ist eigentlich dauernd involviert. Ob man nun zu dritt oder zu fünft spielt, macht sich bei der Spieldauer kaum bemerkbar.

Im Gegensatz zu 7 WONDERS kann man NEOM aber auch sehr gut zu zweit spielen. Durch eine pfiffige Aufteilung der Plättchenstapel entsteht hier durchaus ein vergleichbares Drafting-Gefühl. Die 2‑Personen-Version ist somit wesentlich besser gelungen als bei 7 WONDERS.

Selbst das Solo-Spiel von NEOM funktioniert erstaunlich gut. Auch für dieses wurde eine spezielle Aufteilung der Plättchen entwickelt, bei der das Spielgefühl des eigentlichen Spiels erhalten bleibt. Natürlich ist hierbei der Glückseinfluss größer, aber es ist trotzdem eine ernstzunehmende Variante und mehr als bloß ein hingeklatschtes Angebot.
Fazit: Man kann NEOM auf die Kurzformel herunterbrechen: man kombiniere das Beste aus zwei erfolgreichen Spielen (7 WONDERS und SUBURBIA) und erhält dadurch ein sehr gutes neues Spiel. Diese Formel klappt nicht immer, bei NEOM geht sie aber voll auf! Und bitte nicht den Fehler machen, den ich anfangs begangen habe. Also sich bitte nicht von der Optik abschrecken lassen, denn an die kann man sich gewöhnen.
Titel | Neom |
Autor | Paul Sottosanti |
Illustrationen | Christian Opperer |
Dauer | 30 – 45 Minuten |
Spieleranzahl | 1 bis 5 Spieler |
Zielgruppe | stadtplanerische Kennerspieler |
Verlag | Lookout Spiele |
Jahr | 2018 |
* = ganz Ungeduldige können aber auch bei BoardGameGeek fündig werden
Ich bedanke mich bei Lookout Spiele für die Möglichkeit, das Spiel zu einem vergünstigten Preis zu erwerben. Ich bin mir sicher, dass durch diesen Rabatt meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
Danke für die interessante Rezi!
Obwohl ich ähnlich wie Du das Thema und die Grundmechanismen mag, finde ich Neon ebenfalls total hässlich und grafisch extrem unatmosphärisch (und auch etwas unübersichtlich, oder?), so dass ich mir derzeit noch nicht vorstellen kann, mir das Spiel anzuschaffen. Wenn, dann erstmal probespielen.. 🙂
LG, Daniel
Hallo Daniel,
also "unübersichtlich" fand ich die Grafik nie. Wenn man weiß, auf was man achten muss, geht das eigentlich immer ganz gut (auch bei den Mitspielern). Aber "schön" ist nach meinem Empfinden eben etwas anderes.
Aber eine Probepartie solltest du unbedingt mal machen. Es lohnt sich!
Gruß,
Tobias