Orléans: Handel & Intrige von Reiner Stockhausen erschienen bei dlp games
ORLEANS kann ich problemlos als eines meiner Lieblingsspiele bezeichnen. Jetzt könnte man meinen, dass dann die Erweiterung für mich ein Must-Have ist. Aber ganz so einfach bekommen mich die Verlage nicht mehr, da ich Erweiterungen mittlerweile sehr kritisch betrachte. Nicht jede Erweiterung eines guten Spieles wandert automatisch in mein Spieleregal – die muss mich schon überzeugen! DER GROSSE TRAUM von ROLL FOR THE GALAXY hat es geschafft. Doch wie sieht es mit HANDEL & INTRIGE aus?
Thema... ist weiterhin eher aufgesetzt. ORLEANS glänzt sicherlich nicht durch ein originelles Thema bzw. durch eine perfekten thematischen Umsetzung. Vielmehr ist es die Spielmechanik die bei ORLEANS zu überzeugen weiß. Allerdings ist es jetzt auch nicht so, dass bei ORLEANS thematisch etwas hanebüchen ist. Man kann schon über das Thema gut das Spiel erklären – man muss dabei nur manche Volte schlagen.
Grafik... ist wieder von Klemens Franz und ebenfalls wie das Grundspiel großartig. Denn ORLEANS ist nicht nur spielerisch eines meiner Lieblingsspiele, sondern auch graphisch. Mir gefällt der gewählte ikonenhafte Stil einfach sehr sehr gut.
Ausstattung... ist wie die ganze Erweiterung modulartig. Neben einem neuen Spielplan "Segensreiche Werke" liegt auch ein weiterer alternativer Spielplan bei, der nicht ohne Grund "Intrige" genannt wird. Damit diese Spielpläne nun mit der Spieleranzahl skaliert werden können, sind zusätzlich noch Abdeckplättchen in der Box enthalten. Weiterhin stehen nun drei neue Ortskarten sowie 34 neue Ereignisse (= Stundenglaskarten) zur Verfügung. Zu guter Letzt liegen für ein weiteres Modul nun noch Auftragskarten in der Box. Das ganz Material passt bei mir gerade so noch in die Box des Grundspiels.
Ablauf... verändert sich nicht im Vergleich zum Grundspiel. Die Erweiterung besteht aus mehreren Modulen, die nach eigenem Gutdünken hinzugefügt werden können. Diese sind...
Modul 1 = Aufträge: Es liegen immer fünf Auftragskarten offen aus. Die Auftragskarten geben eine Stadt als Ziel an sowie Waren, die dort abgegeben werden sollen. Befindet sich der Händler eines Spielers in der angegebenen Stadt, kann er sofort die entsprechende Auftragskarte erfüllen. Das generiert am Ende des Spiels mehr Siegpunkte, als die einzelnen Waren am Ende wert wären.
Modul 2 = neue Ereignisse: Statt der bisherigen Stundenglaskarten werden nun die neuen Ereigniskarten benutzt. Diese unterscheiden sich alle voneinander und sind in vier Phasen unterteilt. Die "harmloseren" Ereignisse kommen am Spielanfang ins Spiel, die "heftigeren" erst am Ende. Da fast doppelt so vielen Ereigniskarten vorhanden sind wie eigentlich gebraucht werden, kann man nun nicht vorhersehen, welche Ereignisse noch eintreffen werden. Das Spiel bietet somit mehr Überraschungen.
Modul 3 = neue segensreiche Werke: Statt des bisherigen Spielplans "Segensreiche Werke" stehen nun zwei Alternativen parat. Beide können dabei an die teilnehmenden Spieler angepasst werden, so dass nun auch bspw. im 2‑Personen-Spiel mehr Konkurrenz entsteht bzw. eher die Boni freigeschaltet werden. Die beiden zur Verfügung stehenden Spielpläne unterscheiden sich deutlich. Der Plan "Intrige" wurde nicht ohne Grund so benannt, da nun sehr aktiv in das Spielgeschehen der Mitspieler eingegriffen wird. Der alternative Spielplan "Segensreiche Werke" folgt mehr den bekannten Wegen.
Modul 4 = neue Ortskarten: Es stehen nun drei weitere neue Ortskarten zur Verfügung. Diese rücken die Waren mehr in den Fokus.
Das gefällt mir nicht so gut: Der Intrigen-Spielplan hat es in sich. Hier kann teilweise schon sehr den Mitspielern in die Suppe gespuckt werden ohne dass er sich wehren kann. Dafür muss man der Typ sein – ich bin es bei ORLEANS nicht. Durch diese direkte Interaktion verändert sich in meinen Augen der Charakter des Grundspiels zu stark, so dass dieser Spielplan bei uns nicht mehr verwendet wird.
Die Auftragskarten spielen zwar zukünftig mit, aber konsequent seine Strategie darauf auslegen sollte man lieber nicht. Es ist einfach zu zufällig, welche Aufträge wann ausliegen. So versucht man eher diese en passant zu erfüllen. Bin ich gerade in der Nähe einer Zielstadt und habe einen Großteil der geforderten Waren schon vor mir liegen, dann kann ich die nächsten eins-zwei Züge vielleicht darauf ausrichten. Aber konsequent auf diese Aufträge zu spielen hat bei meinen Versuchen immer zu viel Zeit und Ressourcen benötigt – nur um dann durch die neu aufgedeckten Karten ans andere Ende des Spielfelds geschickt zu werden. Mit den Auftragskarten wird aber das Reisen an sich gestärkt, was ein schöne Nebeneffekt ist. Aber mehr als ein Nebeneffekt sind die Auftragskarten eben auch nicht.
Das gefällt mir gut: Die neuen Ereignisse sind super! Bisher konnte man insbesondere am Ende des Spiels ausrechnen, welche Ereignisse noch eintreffen werden und sich darauf vorbereiten. Das ist nun nicht mehr möglich. Außerdem ist der Einfluss dieser Ereignisse nicht zu unterschätzen, da nun teilweise direkter in das Spielgeschehen eingegriffen wird. Damit werden auch die Ortskarten, die ein Ereignis abwenden können, wertvoller und somit interessanter. Ich jedenfalls will nie mehr ohne die neuen Ereignisse spielen!
Der neue Spielplan der segensreiche Werke ist besonders dann eine lohnende Angelegenheit, wenn man zu zweit oder zu dritt spielt. Denn dann wird durch die Abdeckplättchen der Raum verdichtet – es findet also eine weitere Anpassung an die Spieleranzahl statt, was sehr zu begrüßen ist. Natürlich muss man etwas anders spielen als im Grundspiel – aber auch nicht so sehr, dass sich das Spielgefühl nun gravierend ändern würde (im Gegensatz also zur "Intrige").
Die neuen Ortskarten sind unauffällig, können aber durchaus wirkungsvoll sein. Schön finde ich dabei auch, dass die Waren etwas gestärkt werden, die im Grundspiel meist eher nur ein Nebeneffekt sind. Mit diesen (und auch den weiteren zusätzlichen Ortskarten) werden aber neue kleine Nebenstrategien möglich.
Fazit: Bis auf den Intrigen-Spielplan kommen alle Module bei mir zum Einsatz – das eine gute Quote! Der Vorteil ist, dass durch die Module das Spiel nicht aufgebläht wird. Die Auftragskarten sind nachvollziehbar und schnell erfasst. Die zusätzlichen Ortskarten sowieso und die segensreiche Werke machen das Spiel auch nicht komplexer.
Der ganz große Zugewinn dieser Erweiterung ergibt sich aber durch die neuen Ereignisse. Mit diesen wird aus einem sehr guten Spiel ein noch besseres! Ich würde ORLEANS also nur noch mit Neueinsteigern ohne diese neuen Ereignisse spielen – in "normalen" Partien sind sie in meinen Augen ein Muss. Das Spiel wird nicht nur abwechslungsreicher, sondern auch noch ein Stück thematischer.
Insgesamt also "Daumen hoch!" für diese interessante Erweiterung, die vieles – wenn nicht sogar alles – richtig macht. Denn die "Intrige" kann für andere Spielertypen vielleicht genau die Prise Pfeffer ins Spiel bringen, die ihnen bisher gefehlt hat.
Titel | Orléans: Handel & Intrige |
Autor | Reiner Stockhausen |
Illustrationen | Klemens Franz |
Dauer | 60 bis 90 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 5 Spieler |
Zielgruppe | Kennerspiel |
Verlag | dlp games |
Jahr | 2016 |
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