Orléans Stories 3 & 4 (Erweiterung) von Reiner Stockhausen – erschienen bei dlp games
Da ich schon so schön im Thema "Erweiterungen" eingearbeitet bin, mache ich auch gleich mit den ORLEANS STORIES 3 & 4 weiter. Das passt auch gut zur nun anstehenden SPIEL in Essen. Denn im Vorfeld der SPIEL 2019 war das Grundspiel mein absoluter Vorfreude-Favorit. Aber wie das immer mal wieder mit der Vorfreude so ist: manchmal ist diese größer als das fertige Endprodukt. Aber auch wenn ich mit ORLEANS STORIES nicht hundertprozentig glücklich war, so blieb mein Spaß an diesem überragenden Spielprinzip ungebrochen. Entsprechend neugierig war ich nun auf die ORLEANS STORIES 3 & 4 mit den griffigen Namen Die Siedler und England vs. Frankreich.
Themen... Die Siedler sind mehr oder weniger die Vorgeschichte zu Story 1 Das erste Königreich. In dieser Geschichte spielen wir die Anfänge der Besiedelung an dem Gebiet entlang der Loire nach. Dabei wird man schnell größer, reicher und mächtiger, so dass bald auch Ritter und Festungen ein Thema werden. Bei Story 4 England vs. Frankreich sind wir dagegen schon deutlich weiter entwickelt – was sich auch dadurch zeigt, dass zu Beginn zwei Städte auf dem Spielplan bestehen, von denen aus wir uns räumlich entwickeln. Dabei hat die englische Krone zwei Spione in das Umfeld von Orléans eingeschleust, die anfangs allerdings nichts voneinander wissen und somit erst einmal autark tätig werden. Erst nach und nach erkennt man, wer zusammenarbeiten soll und wer nicht.
Illustrationen… sind zu meiner Freude wieder von Klemens Franz. Ich habe über seine Arbeiten zu ORLEANS und ORLEANS STORIES schon genug Lobhudelei betrieben, so dass ich das nun abkürzen kann. Aber meiner Ansicht nach sind seine Arbeiten zu diesem Spiel-System sein Meisterwerk. Da passt alles zusammen – und da irritiert auch kein verkleidetes Alpaka, sondern entlockt eher ein Schmunzeln.
Ausstattung… kommt deutlich reduzierter daher als die Grundbox – glücklicherweise! Denn einen zweiten "Kindersarg" möchte ich mir nicht auch noch in das Spielezimmer stellen müssen. Da die Grundbox schon voluminös genug ist, kann man dort halbwegs gut geordnet das Material der beiden neuen Stories einordnen. Dieses besteht zum Großteil aus einigen neuen Karten und Pappplättchen. Zusätzlich dürfen natürlich auch nicht die beiden neuen Regelhefte fehlen sowie eigene Abrechnungsblöcke.
Ablauf… ändert sich kaum zu den bisherigen Stories. Weiterhin spielt nun der Spielplan eine größere Rolle, da es in den Stories immer auch um Gebietskontrolle geht. Zusätzlich sind die jeweiligen Epochen zu beachten, die allerdings nicht für alle Spielenden gleich sein müssen. Hier geschieht also eine Abwägung, was insbesondere in Story 4 von Belang sein kann.
Weiterhin bestimmt ein zentraler Markt das Angebot an Plättchen – und damit meine ich nicht nur Warenplättchen, sondern auch Personenplättchen. Das eigene Tableau ist nur bei Story 4 schon komplett ausgebaut, in Story 3 muss sich das erst entwickeln – was beides sehr gut zu den gewählten Themen passt.
Die Siedler erinnern schon stark an das ursprüngliche ORLEANS. Auch hier ist nun das Spielende nach einer festen Rundenanzahl festgelegt und zu Rundenbeginn wird ein Ereignis aufgedeckt. Neue Epochen werden über die Ruhmesleiste ebenfalls wie neue Basis-Ortskarten frei geschaltet. Die Endabrechnung erfolgt über Waren, Münzen, kontrollierte Gebiete, Kirchen sowie die Multiplikation von Dörfern mit der Anzahl gesammelter Bürger.
England vs. Frankreich ist dahingegen eine Art Doppelkopf als Euro-Spiel. Zu Beginn bekommt man geheim ein Länderzugehörigkeit zugelost. Für beide Länder bestehen eigene, offen ausliegende Ziele, deren Erfüllung mit mächtig viel Punkten in der Endabrechnung belohnt werden. Aber jede Person bekommt auch noch ein geheimes Ziel, das am Ende gelüftet wird und eine der beiden Parteien mit Punkten belohnt – und das muss nicht die eigene sein. Insgesamt stehen nur drei Epochen zur Verfügung. Immer wenn man in eine aufsteigt, darf man sich die Länderkarte einer Person ansehen, so dass man spätestens in Epoche 3 sich über deren Verteilung im Klaren ist. Zusätzlich werden die Epochen mit wechselnden Bonusplättchen versehen, so dass über dieses Element eine reizvolle Dynamik entsteht. Ansonsten gibt es keinen Mangel an Warenplättchen und es kommt nun mit dem Gutshof sogar ein neues Länder-Plättchen ins Spiel, was unterschiedliche Waren herstellen kann. Das Spielende wird durch eine von vier unterschiedlichen Bedingungen ausgelöst, was manchmal für ein überraschtes Aufstöhnen sorgt. Und natürlich gewinnt und verliert man zusammen.
Das gefällt mir nicht so gut: Der Aufbauaufwand ist schon enorm und turnt durchaus ab. So schön es ist, dass die einzelnen Partien der Stories 3 & 4 kürzer dauern, um so mehr fällt dabei der Aufbauaufwand auf. Dazu kommt, dass man dafür in zwei Heften suchen muss. Erst den Standardaufbau aus dem Basisspiel heraussuchen und durchführen, dann folgt noch der zusätzliche Aufbau aus der ausgewählten Story. Ich hätte es besser gefunden, wenn dafür eine Übersicht bestehen würde, bei der alles zusammen aufgeführt ist – gerne auch als Check-Liste. Dann ist auch die Gefahr geringer, dass man etwas vergisst (was uns einmal passiert ist, als wir zu wenige segensreiche Wege zur Verfügung gestellt haben).
Man merkt Story 3 an, dass diese eine Art Kompromiss darstellt. Einerseits will man das bekannte ORLEANS-Feeling erzeugen, andererseits die Möglichkeiten aus ORLEANS STORIES nutzen. Das gelingt auch ganz gut. Aber ganz ehrlich: wenn ich ORLEANS spielen will, dann spiele ich ORLEANS – zumal es dafür auch schon genug anderes Futter gibt. Für mich ist Story 3 eher eine Art Tutorial für das Konzept von ORLEANS STORIES. Man wird in die veränderte Denkweise eingeführt und lernt die besonderen Kniffe. Um so ärgerlicher ist es aber, dass diese Story nicht Bestandteil der Basis-Box war. Zumindest wurde das Material zum Download zur Verfügung gestellt, was schon hilfreich ist. Aber so ein wenig ist das Kind schon in den Brunnen gefallen.
Das gefällt mir gut: Damit das Kind wieder aus dem Brunnen kommen kann, gibt es nun glücklicherweise Story 4. England vs. Frankreich ist für mich ein echtes Highlight. Das liegt wohl auch daran, dass ich Team-Spiele grundsätzlich sehr gerne mag. Mir ist schon bewusst, dass der Markt für solche Spiele eher klein ist – schließlich benötigt man dafür meist eine feste Anzahl an mitspielenden Personen. Umso mehr freue ich mich dann, wenn ein Verlag dieses Risiko eingeht. Interessanterweise bestehen nun mit Story 4 und den gemeinsamen Ablagen in THE CASTELS OF BURGUNDY für zwei meiner absoluten Lieblingsspiele Team-Varianten. Gut so!
In England vs. Frankreich kommt viel Positives zusammen. Das fängt damit an, dass man anfangs nicht weiß, mit wem man zusammen spielt. Durch die öffentlichen Ziele kann man natürlich spekulieren und beginnt deduktiv die Spielzüge der anderen zu analysieren. Umso größer ist dann manchmal die Überraschung beim Epochenwechsel – und schon ist man gezwungen, selbst ein wenig anders zu spielen. Man muss demnach vor allem am Anfang dynamisch bleiben. Trotzdem ist es gut, dass sich gegen Ende die Fronten geklärt haben, so dass man dann zielgerichtet gemeinsam spielt.
Wobei dabei immer noch die geheimen Ziele dazwischen funken. Denn diese bleiben bis zum Ende verdeckt und bringen einen manchmal in ziemliche Zwickmühlen. Für das gemeinsame Ziel müsste ich eigentlich nun das Gebiet am Waldrand erobern. Aber ich habe ja noch dieses geheime Ziel und dafür müsste ich mit der Aktion etwas anderes machen. Vielleicht kann die gemeinsame Aufgabe auch von meiner Partnerin übernommen werden, also denke ich lieber an mein Geheimziel – und bekomme nun durch ein Fluchen und Zetern von der Seite mitgeteilt, dass meine Partnerin ganz fest damit gerechnet hat, dass ich das gemeinsame Ziel voran bringe.
Bei diesen gemeinsamen Zielen darf man sich allerdings auch nicht all zu verrückt machen. Die 50 Punkte für das gemeinsame Ziel sind schön und gut – aber sie sichern eben nicht den Sieg. Glücklicherweise gibt es nämlich auch andere Wege, ziemlich viel Punkte zu machen. Somit kann man sich frei davon machen und vielleicht andere Schwerpunkte setzen. Allerdings stellt sich dann die Frage, ob die Zeit für die anderen Schwerpunkte ausreicht. Somit bleiben die Partien immer spannend und man kann sich nie sicher sein, ob es für die eigene Fraktion am Ende zum Sieg reichen wird oder nicht.
Sehr gut gefallen mir auch die kleinen Ruhmes-Boni auf den Epochen. Diese rücken von Epoche 3 zur Epoche 2 und schließlich zu Epoche 1 nach. Somit kann man, wenn man in Epoche 1 ist, gut damit planen und sich darauf einstellen – anders als in Epoche 3, wo man nur einen Spielzug Zeit hat, auf dieses Plättchen zu reagieren. Andererseits ist Epoche 3 natürlich reizvoll, da man hier mehr Personenplättchen ziehen kann und man auch dann die Nationenzugehörigkeiten kennt.
Bei beiden Stories ist für mich aufgrund der vielen unterschiedlichen Ereignisse und Ziele eine ausreichende Varianz gegeben, um den Wiederspielreiz hoch zu halten. Weiterhin unglücklich bleibt allerdings die Namengebung von ORLEANS STORIES, denn die Stories sind Szenarien und keine Geschichte, die erzählt werden. Immer wieder muss ich die Frage nach dem Wiederspielreiz im Vorfeld beantworten, da aufgrund des Namens eine Art Kampagne erwartet wird.
Fazit: Ach, wären die ORLEANS STORIES 3 & 4 schon in der Basis-Box enthalten gewesen, die berechtigte Kritik daran wäre vielleicht weniger laut gewesen. Insbesondere Story 4 England vs. Frankreich hat mich aber nun komplett mit diesem System versöhnt und so hoffe ich, dass da noch etwas nachkommt. Das Baukasten-Prinzip bietet sich doch gerade dazu an, in dieser Welt weiter kreativ zu sein. Vielleicht fühlt sich dazu auch jemand externes berufen. Ich weiß, dass dlp games dem offen gegenüber steht.
Titel | Orléans Stories 3 & 4 |
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Autor | Reiner Stockhausen |
Illustrationen | Klemens Franz |
Dauer | etwa 60 bis 120 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | treue Epxertenspielrunden |
Verlag | dlp games |
Jahr | 2020 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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