Pacific Rails Inc. von Dean Morris – erschienen im Kobold Spieleverlag
Mit dem Eisenbahnbau in Amerika und dem Pazifik assoziiere ich immer eine Szene aus Spiel mir das Lied zum Tod. Diese kann man sich sogar auf YouTube anschauen, wobei sie ohne Kontext wenig Sinn ergibt. Interessant daran ist vor allem, dass dieser prägnante Spruch anscheinend nur in der deutschen Synchronisation vorkommt. In PACIFIC RAILS INC. spielen aber weder Ledermäntel noch Mundharmonikas eine Rolle – aber ums große Geld geht es natürlich trotzdem irgendwie.
Thema... am Ende geht es bei PACIFIC RAILS INC. zwar wieder nur um schnöde Siegpunkte, aber bestimmt ist das nur ein Synonym für die unzähligen Dollars, die wir als Eisenbahngesellschaften mit einer durchgehenden Verbindung von Ost nach West verdienen. Damit die dazu notwendigen Arbeiten möglich sind, benötigt man tatkräftige Hilfe von Fachpersonal – sowie hilfreiche Subventionen aus der Politik. Aus diesem Grund sollten die Senatoren auch nie außer Acht gelassen werden.
Illustrationen… sind von Damien Mammoliti, der neben seinen Arbeiten an Brettspielen auch für seine Landschaften in diversen Computerspielen geschätzt wird. Diese Spezialität zeigt sich auch bei PACIFIC RAILS INC. Dort beeindrucken das Cover und der Spielplan. Die Personendarstellungen finde ich dahingegen nicht ganz so ansprechend. Aber bei dieser Bewertung spielt natürlich auch immer der persönliche Geschmack eine Rolle. An der Symbolsprache gibt es jedenfalls nichts auszusetzen. Die gewählten Symbole sind deutlich verständlich und somit glücklicherweise keine Stolpersteine.
Ausstattung… passt kaum vernünftig in das zur Verfügung gestellte Insert der erfreulich flachen Box – oder ich habe nicht verstanden, wie man das sinnvoll füllt. Neben dem umfangreichen persönlichen Spielmaterial, welches aus vielen unterschiedlichen Plastikminiaturen besteht, wird vor allem nicht an den Gleisplättchen gespart. Davon sind so viele vorhanden, dass ich kein Fach gefunden habe, um diese vollständig einzuordnen. Zusätzlich sind noch vier unterschiedliche Ressourcenarten, unterschiedliche Spezialistenplättchen, Waggonverbesserungen, Wertungsziele, Zug-Tableaus und eine Spielhilfe in der Box, die ganz stilvoll "Stützräder" getauft wurde. Ach ja, ich habe noch die Cowboy- und Senatoren-Hüte vergessen, die ebenfalls aus Plastik hergestellt wurden.
Bevor das Spiel beginnt, wird das persönliche Waggon-Tableau mit Häusern, Telegrafenmasten und einer Grundausstattung an Ressourcen gefüllt. Dann werden noch die Startpunkte im Westen und Osten von Amerika im unteren Teil des Spielplans mit kleinen Lokomotiven besetzt. In diesem Bereich werden dann später auch die Gleisplättchen abgelegt. Dabei muss man die drei unterschiedlichen Geländearten Ebene, Gewässer und Berge beachten. Die dazu passenden Gleisplättchen werden mit unterschiedlichen Ressourcen bezahlt. So braucht man für die Tunnel im Gebirge sinnigerweise Schwarzpulver während man für die Brückenkonstruktionen über das Wasser Holz benötigt.
Ablauf… Motor Dampfkessel des Spiels ist ein Worker-Placement-Mechanismus. Nach und nach setzt man eine Figur auf definierte Zwischenräume und führt eine benachbarte Aktion aus. Sind alle Zwischenräume besetzt, darf man sich auch direkt auf das Aktionsfeld setzen und die umliegenden Figuren nach Hause schicken, wofür diese dann Cowboyhüte als Entschädigung bekommen (bitte nicht kritisch hinterfragen). Die Aktionen können auch noch verstärkt werden, wenn man vorher dort eine eigene Hütte gebaut hat.
Hütten schafft man ohnehin gerne vom eigenen Tableau weg, weil damit auch der Ressourcen-Ertrag bei den Aktionsfeldern erhöht wird. Noch besser wird man die Hütten aber als Bahnhöfe auf dem Amerikaplan los. Dafür muss man aber erst über die zentrale Orts-Aktion Gleise für Siegpunkte auf den untereren Teil des Spielplans legen, die man vorher in einer eigenen Aktion gegen Abgabe von passenden Ressourcen eingetauscht hat. Beim Gleisbau darf man nur vollständige Strecken zwischen den Städten bauen und anstatt eines Bahnhofes kann man übrigens auch Telegrafenmasten in die Städte setzen. Das macht man meist dann, wenn dort schon ein fremder Bahnhof steht oder das Spielende kurz bevorsteht. Dieses wird übrigens eingeläutet, wenn ein durchgängiges Schienennetz von Ost nach West entstanden ist, was dann noch eine finale Punktausschüttung für Bahnhöfen und Masten sowie für variable Wertungsziele mit sich bringt.
Wichtig ist noch zu erwähnen, dass die Lagerhaltung begrenzt ist. Anfangs kann man nur bis zu sechs Ressourcen bzw. Gleise auf dem eigenen Waggon-Tableau lagern. Allerdings kann man dieses Tableau durch weitere Waggons erweitern, womit man nicht nur mehr Lagerfläche erhält. Man kann in diese Waggons nämlich auch Spezialisten und Verbesserungen platzieren, die wiederum einzelne Aktionen verstärken.
Das gefällt mir nicht so gut: Leider ist PACIFIC RAILS INC. unnötig kompliziert. Vor jeder Partie muss ich mir bspw. erst einmal die Zeit nehmen, in Ruhe nochmals die Punktewertung für die einzelnen Streckenabschnitte durchzulesen, bei der es ziemlich viel zu beachten gibt. Dummerweise wird diese Wertung auch nicht auf der Spielhilfe nochmals zusammengefasst. Das ist ärgerlich, da sich dafür die unbedruckte Rückseite geradezu angeboten hätte. Aber auch die Aktionsfelder kommen immer mit mehreren Optionen daher, was die Begreifbarkeit erheblich erschwert. Ich werde somit das Gefühl nicht los, dass andere Verlage die verwobenen Mechanismen entschlackt hätten, womit das Spiel dann deutlich zugänglicher wäre.
Der größte Spiel-Spaß kommt meiner Meinung nach übrigens in Vollbesetzung auf. Im Spiel zu zweit herrscht zu wenig Konkurrenz und man kann sich ziemlich gut aus dem Weg gehen. Mit mehr Mitspielenden muss man auch mehr Kompromisse eingehen, was aber den spielerischen Reiz erhöht. Allerdings benötigt man zu viert eine Menge Platz. Da liegt weniger am Spielplan, sondern viel mehr an den überdimensionierten Waggon-Tableaus. Diese nehmen eine Menge Raum für überschaubare Informationen ein. Eine Halbierung des Flächenbedarf wäre wahrscheinlich problemlos möglich, ohne dass damit die Übersichtlichkeit verloren gegangen wäre.
Ich störe mich übrigens tatsächlich ein wenig an dem Plastikmaterial. Wahrscheinlich bin ich einfach zu sehr puristischer Würfelschubser, aber ich hätte mich deutlich mehr über Holzkomponenten gefreut. Okay, die Möglichkeit, den Telegrafenmast unter das Bahnhofsgebäude zu legen, ist schon ganz nett. Aber das wäre anders auch zu lösen gewesen. Die schicken Ressourcen zeigen doch, dass klassische Materialien nicht langweilig sein müssen.
Bei den Gleisplättchen muss ich übrigens immer mit dem inneren Monk in mir kämpfen. Denn für das Spielprinzip ist es eigentlich egal, welche Gleise dort abgebildet sind, die Plättchen müssen nur zum Gelände passen, eine Verbindung darstellen und später benachbart zu den Städten liegen. Aber natürlich will ich, dass die Schienenverbindungen zueinander passen. Also suche ich immer das "richtige" Plättchen aus dem Vorrat raus und tausche die auch wieder aus, wenn eine neue Abzweigung entsteht. Dankenswerterweise gibt es eigentlich auch genug unterschiedliche Plättchen, aber manchmal geht das eben doch nicht auf. Außerdem passen die Tunnel grafisch leider nicht in das entstehende Gesamtbild. Alles natürlich überhaupt kein echtes Problem, aber innerlich stört es doch ein wenig.
Das gefällt mir gut: Die unnötig überladenen Regeln sind deswegen so ärgerlich, weil mir der Kern von PACIFIC RAILS INC. an sich gut gefällt. Der Worker-Placement-Mechanismus funktioniert wieder großartig. Man muss mit dem beschränkten Angebot an zur Verfügung stehenden Figuren und freien Plätzen jonglieren, hat aber auch die Möglichkeit, eine ganz wichtige Aktion trotzdem durchzuführen. So werden immer schöne kleine Entscheidungen notwendig.
Auch die Beschränkung des Lagerplatzes ist reizvoll. Somit muss man effektiv sein und man sollte schon Pläne im Kopf haben, damit man die richtige Reihenfolge einhält. Durch die verkettete Produktion sind auch sehr befriedigende Mega-Züge möglich. PACIFIC RAILS INC. ist nämlich nebenbei auch noch ein verkappter Engine-Builder, welcher verbunden mit der Konkurrenz beim Streckenbau ein ziemlich vielschichtiges Spielerlebnis bietet.
Gut gefällt mir übrigens auch die zu tätigende Lobby-Arbeit bei den Senatoren. Durch das Zahlen von Goldmünzen kann man nämlich im Senat Belohnungen erhalten, die nicht zu unterschätzen sind – und Siegpunkte kann man darüber auch generieren. Dieser Aspekt hat wohl leider mit der Wirklichkeit mehr zu tun, als wir uns das alle wünschen würden. So unscheinbar dieses Element auf den ersten Blick wirkt, so mächtig ist es doch, weswegen ich beim Erklären immer den Rat gebe, die Politik nicht außer Acht zu lassen.
Fazit: PACIFIC RAILS INC. ist wieder ein gutes Beispiel für ein Spiel, bei dem in meinen Augen weniger mehr gewesen wäre. Das interessante Mechanik-Gerüst wurde durch zu viele kleinteilige Regeln und Wertungen leider nicht nur komplexer, sondern auch komplizierter – in einem Maß, was ich für diese Art Spiel nicht mehr mitgehen möchte.
Titel | Pacific Rails Inc. |
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Autor | Dean Morris |
Illustrationen | Damien Mammoliti |
Dauer | 60 bis 90 Minuten |
Personenanzahl | 2 bis 4 Personen |
Zielgruppe | Kennerspielrunden |
Verlag | Kobold Spieleverlag |
Jahr | 2021 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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