Paris – Die Stadt der Lichter von Jose Antonio Abascal – erschienen im KOSMOS Verlag
Bisher ging ich immer davon aus, dass Paris die Stadt der Liebe ist. Bei der Stadt der Lichter hätte ich dahingegen spontan eher auf Las Vegas getippt. Aber bei genauerer Betrachtung gibt es zwischen den beiden Städten bestimmt auch einige Überschneidungen. Ohne je in Las Vegas gewesen zu sein, wird dort doch bestimmt irgendwo ein Imitat des Eiffelturms zu sehen sein, oder? Außerdem sind beide Städte ziemlich beliebt für Flitterwochen, wobei dabei bei manchen dann eventuell ein Licht aufgeht, was sie da getan haben.
Thema... anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Französischen Revolution fand 1889 eine Weltausstellung in Paris statt. Zeugnis davon ist übrigens so ein komischer hässlicher Stahlturm. Ebenfalls soll in dieser Zeit die Umstellung auf elektrische Straßenbeleuchtung stattgefunden haben. Denn nur wenn die eigene Fassade hell erleuchtet dargeboten wird, kann man sich mit Stolz geschwellter Brust in der Öffentlichkeit zeigen.
Illustrationen… entstammen dem Pinsel von Oriol Hernández und sind eine echte Augenweide. Die beiliegenden Postkarten sind leider spielrelevant, weil ansonsten käme ich noch auf die Idee, diese auch verschicken zu wollen. Jedenfalls bin ich von den Illustrationen begeistert und freue mich somit über das andere Aussehen von PARIS – DIE STADT DER LICHTER.
Ausstattung… da der Spielplan schon in der Schachtel integriert ist, kommt diese mit weniger Freiraum daher, als man das gewohnt ist. Da das restliche Material (Straßen-Plättchen, Gebäude-Plättchen, Aktions-Postkarten, Marker und Schornsteine) aber überschaubar ist, macht das keine Probleme. Vielmehr fördert dieses eigene Innenleben die Immersion. Diese wird noch durch die besondere Beschaffenheit der Gebäude-Plättchen verstärkt, die leicht dreidimensional daher kommen. Der praktische Nutzen ist zwar überschaubar, aber so sieht das einfach schöner aus – und hat deswegen absolut seine Daseinsberechtigung.
Die Straßen-Plättchen, Schornsteine und Aktions-Marker kommen übrigens im Doppelpack daher, da für jeden Mitspielenden davon ein Set zur Verfügung steht. Von den 12 Aktions-Postkarten kommen immer nur 8 zum Einsatz, so dass ich davon also doch noch welche verschicken könnte, wenn ich auf die dann fehlende Varianz verzichten will.
Ablauf… PARIS – DIE STADT DER LICHTER wird in zwei Phasen gespielt. In Phase 1 werden abwechselnd entweder Straßen-Plättchen auf dem Raster des Spielplans platziert oder Gebäude-Plättchen aus der offenen gemeinsamen Auslage genommen. In Phase 2 werden dann diese Gebäude-Plättchen auf dem Spielplan abgelegt oder die Aktionsmöglichkeiten der Postkarten genutzt.
Beim Positionieren der Gebäude muss darauf geachtet werden, dass diese nur auf der eigenen Straßen-Farbe bzw. der neutralen Farbe abgelegt werden dürfen. Somit sollte man schon in Phase 1 die eigenen Straßen-Plättchen vorausschauend legen. Die Aktionen der Postkarten weichen diesen Zwang manchmal etwas auf oder bringen stattdessen zusätzliche Wertungsmöglichkeiten ins Spiel. Ansonsten gibt es Punkte für eine große zusammen hängende Gebäudefläche und für Laternen in direkter Nachbarschaft zu den eigenen Gebäuden.
Das gefällt mir nicht so gut: PARIS – DIE STADT DER LICHTER ist ein wunderbar taktisches Duell. Leider wird es mit größerer Spielerfahrung immer destruktiver. Anfangs geht man noch recht optimistisch zu Werke und denkt vor allem daran, wo man denn seine Gebäude platzieren kann. Mit größerer Spielerfahrung wird man aber immer destruktiver, da man nun aktiv die Möglichkeiten der anderen Person einschränken will. Damit wandelt sich allerdings ziemlich das Spielgefühl. War man anfangs geflasht von der schönen Stadt, die entsteht, so wird man mit Spielerfahrung eher die eigenen Wunden lecken, da dieser und jener Plan zunichte gemacht wurde. Das muss man schon mögen.
So schön die Aufmachung auch ist, das ein oder andere Detail ist etwas unpraktisch. So verstehe ich die gestalterische Entscheidung, die Postkarten jungfräulich zu belassen. Aber im Spiel wäre es schon schön gewesen, wenn statt großer Leere auf der Karte eine textliche Beschreibung der Aktionsmöglichkeit aufgeführt wäre. Dann müsste man nicht dauernd in der Anleitung nachschlagen. Dort wäre auch das ein oder andere zusätzliche Beispiel hilfreich gewesen. Die empfohlene Anordnung der Postkarten um den Spielplan herum ist ebenfalls etwas unpraktisch. Durch den ins Spiel eingebundenen Schachtelboden kann man nämlich nicht optimal die gegenüberliegenden Aktionsmöglichkeiten sehen. Deswegen empfehle ich, die Karten neben dem Spielplan zu legen, so dass man immer alle im Blick hat. Durch diese Postkarten benötigt man übrigens schon einiges an Platz, den man bspw. im Zug sitzend nicht unbedingt hat. Aber das ist aktuell ja kein wirkliches Problem. Wenn ich mir übrigens noch etwas bei der Ausstattung hätte wünschen dürfen, dann wäre das ein Abrechnungsblock für die finale Bestimmung des Sieges.
Das gefällt mir gut: wäre dies hier ein Food-Blog, dann müsste ich PARIS – DIE STADT DER LICHTER als taktischen Leckerbissen anpreisen, der fein abgestimmt mit den unterschiedlichen Geschmacksrichtungen spielt. Denn es gibt einiges bei dem Spiel zu beachten. Einerseits ist das Legespiel-Element prägend. Man muss sich schon genau Gedanken machen, wo man die Gebäude Punkte bringend einsetzen kann. Die entsprechenden Plättchen kann man dummerweise nicht spiegeln, so dass die Einsetzmöglichkeiten beschränkter sind, als einem das lieb ist – vor allem dann, wenn auf einmal die eingeplanten neutralen Farbfelder schon von anderen Gebäuden bebaut sind. Andererseits muss man überhaupt erst einmal der Wunsch-Gebäude habhaft werden. Und schon ist man im Dilemma gefangen: soll ich erst den Spielplan vorbereiten, um mir dann das passende Gebäude zu besorgen? Das könnte dann aber schon aus der Auswahl verschwunden sein. Also lieber zuerst zugreifen und das Gebäude sichern! Doch auf einmal hat sich der Spielplan so verändert, dass ich das Teil gar nicht mehr vernünftig einbauen kann. Arrrggh!
Somit fühlt sich Phase 1 wie ein ständiges Belauern an. Was hat mein Gegenüber vor? Welches Gebäude wird gerade vorbereitet? Kann ich das für mich nutzen? Zusätzlich kommt noch hinzu, dass es von großem Vorteil ist, die Phase 2 zu beginnen – wofür man allerdings Phase 1 zuerst beenden sollte. Doch wenn ich auf Nummer sicher gehen will, habe ich dann auch genügend Bauwerke in Phase 2 mit an Bord, um überhaupt ausreichend punkten zu können?
Auch Phase 2 ist geprägt von steten Zwiespälten. Soll ich schnell mein Gebäude bauen oder doch lieber erst einmal eine Postkarte nutzen? Aber wenn ich das eine machen, kann ich dann überhaupt noch das andere machen? Was ist mir wichtiger? Das ist ohnehin die zentrale Frage bei PARIS – DIE STADT DER LICHTER, woraus der immense Spielreiz entsteht. Jede Entscheidung ist wichtig. Höchstens ganz am Ende ist vielleicht ein wenig die Luft raus – aber dann raucht ohnehin schon der Kopf und man freut oder ärgert sich über den bisherigen Verlauf.
Natürlich muss ich abschließend nochmals die Aufmachung und vor allem die Illustrationen loben. Denn PARIS – DIE STADT DER LICHTER ist einfach nur wunderschön und hat dadurch einen riesigen Aufforderungscharakter. Durch die Dreidimensionalität der Plättchen entsteht ein leichtes Gefühl von Straßen – ohne dass dabei aber die wichtige Übersichtlichkeit verloren geht. Mit Grauen stelle ich mir gerade vor, dass dies kleine Plastikhäuschen wären (TAPESTRY ich hör dich trapsen). Zusätzlich wird dadurch auch sofort deutlich, dass die Plättchen nicht gespiegelt werden dürfen.
Fazit: PARIS – DIE STADT DER LICHTER passt perfekt in die 2‑Personen-Reihe des KOSMOS Verlages und muss sich dabei nicht hinter den anderen starken Titeln verstecken. Für Liebhaber taktischer Duelle ist es somit eine unbedingte Empfehlung.

Titel | Paris – Die Stadt der Lichter |
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Autor | Jose Antonio Abascal |
Illustrationen | Oriol Hernández |
Dauer | 30 Minuten |
Spieleranzahl | 2 Spieler |
Zielgruppe | duale Kennerspieler |
Verlag | KOSMOS |
Jahr | 2020 |