Rajas of the Ganges – The Dice Charmers von Inka und Markus Brand – erschienen bei Huch!
Es soll Menschen geben, die ein ganz besonderes Verhältnis zu Würfeln haben. Wir haben einen Mitspieler in unserer Gruppe, gegen den man bei Würfelspielen keine Chance hat, da dieser immer das passende Ergebnis zur richtigen Zeit erzielt. Ein echter Würfelbeschwörer ist das! So selten scheint dieses Phänomen aber nicht zu sein, wenn nun sogar schon Spiele nach solchen Menschen benannt werden. Allerdings bin ich mir sicher, dass das Cover von RAJAS OF THE GANGES – THE DICE CHARMERS deren Methoden verklärt. Ich glaube nämlich nicht, dass Würfelbeschwörer wirklich zu einem Flöteninstrument greifen. Die gehen sicherlich viel subtiler vor.
Thema... wie schon bei RAJAS OF THE GANGES sollen wir unsere eigene Provinz entwickeln und dabei Ruhm und Reichtum mehren. Dafür nutzt man einflussreiche Persönlichkeiten im Palast, sammelt Waren und verkauft diese auch wieder. Und natürlich spielt auch der Ganges als Lebensader eine wichtige Rolle. Doch wie auch schon im Brettspiel, ist das Thema nur hübsches Beiwerk für die schönen...
Illustrationen... sind von Dennis Lohausen. Wieder erschafft er buntes Gewusel, was erst völlig überladen wirkt, sich dann aber doch recht schnell klärt. Die Cover-Gestaltung finde ich genial, weil einerseits das Basisspiel zitiert wird, anderseits aber auch genügend Anspielungen auf die Besonderheiten des Roll-and-Write-Spiels bestehen. Als Kenner des Basisspiels ist einem die Symbolsprache vertraut, so dass diese Hürde nicht mehr wahrgenommen wird. Neulinge müssen diese aber erst einmal erlernen, auch wenn sie als solches klar und eindeutig ist. Aber wie das bei Sprachen so ist: auf die Details kommt es an und so ist die ein oder andere Schwierigkeit vorhanden.
Ausstattung... natürlich stehen die Würfel im Mittelpunkt, die nun aber nicht durchschimmernd bunt sind, sondern mit bedruckten Symbolen daherkommen. Dabei gibt es vier Paare mit gleichen Würfelfarben aber teilweise unterschiedlichen Symbolen. Diese Farben finden sich auf den entsprechenden Bereichen des Spielplans wieder. Allerdings kommt dieser Spielplan gleich doppelt daher, so dass zwei unterschiedliche Spielpläne für uns bereit stehen (mit einer Sonnen- und einer Mondseite). Zusätzlich sind noch ein paar Pappplättchen als Würfelablage vorhanden. Manche dieser Pappteile kann man zusammenstecken, so dass ein überdimensionierter Elefant entsteht. Dahingegen fehlen leider Stifte.
Ablauf... statt eigene Würfel auf Einsetzfelder zu legen, gibt es nun bei THE DICE CHARMERS einen gemeinsamen Würfelpool. Zu Beginn einer Runde wirft die startende Person alle Würfel, sucht sich einen davon aus und markiert die entsprechenden Aktion auf dem eigenen Plan. Der andere Würfel dieser Farbe wird auf dem Elefant abgelegt und steht den Mitspielenden somit nicht mehr zur Verfügung. Diese suchen sich stattdessen nach und nach nun ebenfalls einen Würfel aus dem restlichen Angebot aus und handeln diesen ab.
Dabei gibt es entsprechend der Farben vier Bereiche, in denen man aktiv wird. Die Warenwürfel sorgen dafür, dass man Waren erhält, die man später gegen Geld verkaufen kann. Die Gangeswürfel lassen mich diesen von links nach rechts entlang schippern und dabei verschiedene Aktionen machen. Die Personenwürfel aktivieren deren Eigenschaften und der Landschaftswürfel bindet neue Gebäude an meinen Palast an – und aktiviert wieder bestimmte Boni. Wie man sich bei den vielen Boni denken kann, sind einige Kettenreaktionen möglich.
Ziel des Ganzen ist es, sowohl auf der Geldleiste wie auf der Ruhmleiste voran zu schreiten. Sobald sich beide Leisten überschneiden, ist das Spielende eingeläutet und es gewinnt die Person, die am Rundenende die weiteste Überlappung erzeugt hat.
Das gefällt mir nicht so gut: RAJAS OF THE GANGES – THE DICE CHARMERS ist ein Wettrennen! Wie es dabei üblich ist, sind manche vorne und andere hinten – teilweise hoffnungslos hinten. Spiele dieser Art haben es an sich, dass man teilweise schon frühzeitig aufhören könnte, da die Verhältnisse ohnehin klar sind. Das muss man abkönnen oder man lässt es sein. Im besten Fall sind alle Mitspielenden gleich auf und es gibt ein spannendes Kopf an Kopf Rennen. Ganz oft sind aber eben nicht alle beisammen und dann bedarf es schon einer gewissen Selbstdisziplin, das Spiel noch motiviert zu Ende zu bringen. Denn leider ist dieser Renncharakter sehr präsent, so dass man eben nicht das wohlige Gefühl hat, etwas aufzubauen, an dem man sich trotzdem noch erfreuen kann. Dieses unbefriedigende Gefühl der Abgeschlagenen wird übrigens durch die möglichen Kettenzüge noch verstärkt. Wenn ich schon nur noch darauf warte, bis die Partie endlich vorbei ist, dann bin ich von ellenlangen Kettenzügen meiner Mitspielenden nur noch genervt. Dass dies aus deren Perspektive ganz anders aussieht, ist klar.
Bevor ich THE DICE CHARMERS auf den Tisch brachte, war mein internes Bewertungsdokument übrigens schon gut gefüllt. Denn einige Äußerlichkeiten störten mich auf den ersten Blick – und wurden mit der Zeit auch nicht besser. So ist dieser Elefant als Würfelablage ja ganz knuffig. Aber er ist leider überdimensioniert, so dass man ihn immer wieder auseinander nehmen muss, um die Box schließen zu können (ALTIPLANO lässt grüßen). Die Anleitung ist zwar gut strukturiert, aber die Schriftgröße ist sehr klein, was das Lesen anstrengend macht. In diesem Zusammenhang verstehe ich nicht, warum die Anleitung nicht in einem größeren Format gedruckt wurde, um das zu vermeiden. Das ist mir schon bei den größeren Spielen des Verlages aufgefallen, scheint also leider eine Art Coporate Design zu sein. Die Pappplättchen für die Würfelablage sind zwar nett, aber auch überflüssig. Dagegen ist nichts zu sagen, wenn jedenfalls Stifte beigelegen hätte. Die benötigt man nämlich im Gegensatz zu den Ablagen unbedingt, um dieses Roll-and-Write zu spielen. Somit sind die Ablagen für mich ein Sinnbild einer unglücklichen Priorisierung.
Eigentlich würde ich gerne die grafische Gestaltung loben. Die klare Unterteilung der einzelnen Aktionsbereiche korrespondiert gut mit den entsprechenden Würfelfarben. Alles ist klar strukturiert und man findet sich recht schnell zurecht. Auch die Spielerei mit der Sonnen- und Mond-Seite ist ganz gefällig. Allerdings bringen mich die dargestellten Personen ins Grübeln, da diese doch alle mit erstaunlich heller Hautfarbe daherkommen. Ohne jemals in Indien gewesen zu sein, hätte ich bei diesem Detail etwas anderes erwartet. So habe ich beim Betrachten der abgebildeten Menschen das diffuse Gefühl, das hier die Darstellung der Hautfarben für den globalen Brettspiel-Markt angepasst wurde ohne dabei die eigentlichen Realitäten richtig abzubilden. Vielleicht irre ich mich diesbezüglich auch, aber in heutigen Zeiten hätte ich mich über etwas mehr Mut zur Vielseitigkeit gefreut.
Das gefällt mir gut: Es ist erstaunlich, wie gut das Spielgefühl des Brettspiels in THE DICE CHARMERS reproduziert wird. Man erkennt vieles wieder und es fühlt sich alles angenehm vertraut an. Trotzdem ist THE DICE CHARMERS auch genügend anders, was wahrscheinlich an den vielen möglichen Kettenzügen liegt, die einen an GANZ SCHÖN CLEVER erinnern. Es ist so unglaublich erfüllend, wenn man drei-vier Aktionen am Stück machen kann und riesige Schritte auf den Leisten absolviert. Das sorgt dann meist für ungläubiges Staunen bei den Mitspielenden – bis diese dann selbst ihr eigenes Feuerwerk starten können.
Dabei ist es spannend zu erleben, wie unterschiedlich die eingeschlagenen Wege sein können. Natürlich geben die einzelnen Spielpläne durch ihre angeordneten Boni bestimmte Strategien vor. Trotzdem besteht noch genügend Freiraum, anders als die Mitspielenden zu agieren. Außerdem gilt immer zu bedenken, dass die Würfel sowieso nie das machen, was sie sollen. Das alles kommt in einer angenehm kurzen Spielzeit daher. Meist ist eine Partie schneller beendet, als das einem lieb ist – was immer ein gutes Zeichen ist. Und hängt man nicht komplett hinten dran, dann ist THE DICE CHARMERS meist auch spannend bis zum letzten Würfel.
Diese kommen übrigens in einer erfreulich guten Qualität daher. Ich war erst sehr skeptisch, da sich oftmals solche aufgedruckten Symbole mit häufigem Gebrauch lösen. Bisher ist dieser Mangel aber noch nicht aufgetreten, so dass ich zuversichtlich bin, dass dieses Problem nicht auftritt. Sehr gut finde ich auch, dass die Spielpläne doppelseitig bedruckt sind, so dass ein Blatt Papier optimal ausgenutzt wird. Ein weiteres kleines Detail hat mich ebenfalls positiv überrascht. Die Seitenansichten der Box variieren. Somit kann man diese sowohl liegend wie auch stehend lagern und dabei immer problemlos den Schriftzug lesen. Ja, das ist an Nerdverhalten angepasst, aber auf der anderen Seite ist das ein schöner kleiner Service, den ich gerne zu würdigen weiß. Schließlich wird die immer wiederkehrende Frage nach der richtigen Lagerung unterschiedlich beantwortet.
Fazit: THE DICE CHARMERS ist die schnelle Variante von RAJAS OF THE GANGES. Durch die zwei entgegenlaufenden Punkteleisten erzeugen beide Spiele ein ähnliches Welltauf-Gefühl. Dabei bedient THE DICE CHARMERS das Fast-Food-Bedürfnis während das Brettspiel eher etwas für den Hauptgang ist. Beide munden mir aber sehr!
Titel | Rajas of the Ganges – The Dice Charmers |
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Autoren | Inka und Markus Brand |
Illustrationen | Dennis Lohausen |
Dauer | 30 bis 45 Minuten pro Person |
Personenanzahl | 2 bis 5 Personen |
Zielgruppe | würfelaffine Kennerspielrunden |
Verlag | Huch! |
Jahr | 2020 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom Verlag ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
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