Raptor von Bruno Cathala und Bruno Faidutti erschienen bei Pegasus Spiele

Wer meinen kleinen Blog ein wenig verfolgt, der weiß, dass ich 2‑Personen-Spiele sehr gerne auf den Tisch bringe. Dementsprechend halte ich auch immer Ausschau nach Neuheiten, die mich ansprechen könnten. Selten habe ich mich dabei so beobachtet gefühlt, wie nun bei RAPTOR – denn dieses gelbe Reptilienauge auf dem Cover nimmt einen schon sehr genau ins Visier...
Thema... erinnert stark an Jurassic Park. Auf einer einsamen Insel entdecken Forscher eine Dinomutter mit fünf Jungtieren. Um diese der Nachwelt zu erhalten, wollen die Forscher nun drei Jungtiere einfangen. Die liebe Mama hat da allerdings etwas dagegen. Zusätzlich ist sie Fleischfresserin, weswegen die Forscherschar am Ende meist etwas ausgedünnt ist. All zu sehr sollte man das Thema aber nicht hinterfragen. Sonst will man noch wissen, wo denn eigentlich der Dinopapa geblieben ist, der doch die lieben Kleinen gezeugt haben muss. Und warum kann ein Dino mit seiner Schwanzbewegung Feuer löschen – oder haben wir es gar nicht mit einem Dino, sondern mit einem feuerwehrbegeisterten Drachen zu tun (Grisu lässt grüßen)?

Grafik... ist von Vincent Dutrait, der mir erstmals bei BROOM SERVICE aufgefallen ist. Im vorliegenden RAPTOR gefallen mir seine Illustrationen ausgesprochen gut – wenn sie vielleicht auch teilweise etwas zu actionlastig ausfallen. Aber gerade dadurch werden die Assoziationen mit Jurassic Park hergestellt – was wohl auch der Auftrag an den Grafiker war. Somit: Auftrag bestens erfüllt!

Ausstattung... ist reichhaltiger als anfangs erwartet. Auffällig sind natürlich die Plastikminiaturen: eine große Raptorenmutter, fünf Raptorenbabys und zehn unterschiedlich gestaltete Forscher. Ebenso auffällig sind die aus Pappe zusammen steckbaren Felsen, die klar und deutlich kennzeichnen, welche Felder auf dem Spielplan nicht betreten werden können – so etwas gefällt mir immer besonders gut. Der Spielplan besteht übrigens aus sechs quadratischen Pappteilen sowie vier L‑förmigen Seitenteilen und zeigt auf der einen Seite einen Dschungel und auf der anderen eine Savanne. Dabei sind die freizuhaltenden Felsfelder unterschiedlich angeordnet, so dass sich die Landschaften durchaus verschieden spielen. Eine vorgeschrieben Anordnung der Quadratteile gibt es übrigens nicht, so dass hier eine gewisse Varianz erzeugt wird (Dschungel und Savanne sind aber nicht zu mischen).

Jeder Spieler erhält zu seinen Figuren noch einen Kartensatz von neun Aktionskarten und jeweils ein Spielertableau für verschiedene Ablagen. Dieses Tableau ist ganz hervorragend gestaltet, da auf diesen nicht nur die eigenen Aktionsmöglichkeiten sondern auch die des Gegners aufgeführt sind – die sich in diesem asynchronen Spiel durchaus deutlich voneinander unterscheiden. Im Endeffekt ist das Tableau eine perfekte und sehr praktische Kurzregel. Der Forscherspieler erhält übrigens im Gegensatz zum Raptorspieler zusätzlich auch noch Feuermarker und fünf Patronen für seine Narkosegewehre.
Die sehr gute Regel möchte ich auch nicht unerwähnt lassen. Diese ist etwas anders strukturiert als gewöhnlich, da sie nur den groben Ablauf erklärt und dann die Regeln für die jeweilige Seite ausführlich darstellt. Außerdem werden am Ende auch interessante strategische Tipps gegeben, damit auch unerfahrene Spieler nicht ganz blauäugig in eine Partie gehen müssen.

Ablauf... ist eingängig und spannend. Jeder Spieler hat zum Rundenbeginn drei seiner neun Aktionskarten auf der Hand. Diese Karten weisen Werte zwischen 1 und 9 auf – sowie zusätzliche Effekte. Die Spieler suchen sich aus diesen drei Karten eine aus und legen sie verdeckt vor sich ab. Haben beide dies gemacht, werden die Karten gleichzeitig aufgedeckt. In Ausnahmefällen weisen beide Karten die gleiche Zahl auf. Dann werden sie ignoriert und ohne Folgen abgelegt. Weisen die Karten jedoch unterschiedliche Werte auf, führt zuerst der Spieler mit der niedrigeren Zahlenwert den besonderen Effekt der Karte aus. Danach erhält der andere Spiele Aktionspunkte in Höhe der Differenz der beiden Zahlen.
Diese Aktionspunkte können je nach zu spielender Rolle auf verschiedene Arten ausgegeben werden:
- Der Forscherspieler kann seine Figuren um ein Feld bewegen, aber auch Raptorenbabys betäuben oder einfangen. Zusätzlich können Forscher die Raptorenmutter mit ihren Narkosegewehren beschießen, damit deren Bewegungselan eingeschränkt ist. Wichtig ist dabei allerdings, dass jeder Forscher pro Runde nur eine Angriffsaktion ausführen darf – hier ist also Teamwork zwischen den einzelnen Forschern gefragt.
- Der Raptorspieler kann seine Figuren ebenfalls bewegen, wobei die Raptorenmutter sich unbegrenzt in gerader Linie bewegen kann (je nach erhaltene Narkosemarker muss sie dafür aber zusätzliche Aktionspunkte ausgeben). Außerdem kann die Mutter auch Forscher töten, Babys wieder aufwecken und Feuer löschen.
Feuer? Welches Feuer? Dieses kommt über die Effekte der Aktionskarten ins Spiel. Wie auch die verschiedenen Möglichkeiten für die Aktionspunkte unterscheiden sich die Effekte deutlich zwischen den beiden Rollen.
- Der Forscherspieler kann für Nachschub an Forschern sorgen und Feuer legen. Außerdem kann er seine Forscher mit dem Jeep schneller durchs Gelände befördern und auch weiter entfernte Raptorenbabys betäuben.
- Der Raptorspieler wiederum kann erhaltene Narkosemarker wieder abgeben und Forscher so erschrecken, dass diese in eine Schockstarre fallen. Noch interessanter ist aber die Fähigkeit, Babys zur Mama herbeizurufen oder sich aber zu verstecken. Dann wird die Raptorenmutter kurzfristig vom Spielplan genommen und später wieder auf eine freies Feld gestellt. Zusätzlich muss dabei der Forscherspieler seine Aktionskarte zuerst offen ausspielen, bevor sich der Raptorenspieler für seine Aktionskarte entscheiden muss.
Am Rundenende füllen beide Spieler ihre Kartenhand wieder auf drei Karten auf. Kann man das nicht machen, mischt man die abgelegten Karten zu einem neuen Stapel und zieht wie üblich. Dieses Neumischen kann allerdings auch schon vorher über einen Karteneffekt ausgelöst werden.
So unterschiedlich die einzelnen Aktionsmöglichkeiten der Spieler sind, so unterschiedlich sind auch die Siegbedingungen (die erfahrungsgemäß etwa nach 15 bis maximal 30 Minuten eintreten):
- Der Forscherspieler gewinnt, wenn er drei Raptorenbabys eingefangen oder wenn die Raptorenmutter fünf Narkosemarker erhalten hat (und damit neutralisiert ist).
- Der Raptorspieler gewinnt, wenn drei Raptorenbabys die Flucht gelingt oder wenn kein Forscher mehr auf dem Spielplan ist (wobei sich durchaus noch Forscher im Vorrat auf dem Spielertableau befinden können).
Das gefällt mir nicht so gut: Im Großen und Ganzen stören mich nur Kleinigkeiten. So schön z.B. die Plastikfiguren auch sind, so fuddelig ist manchmal deren Handhabung. Insbesondere die kleinen Raptorenbabys können schwer zu greifen sein (wenn sie von Forschern in einer Felsformation eingekreist sind). Auch hätte ich es besser gefunden, wenn man ein Puzzlemechanismus für die einzelnen Spielplanteile haben würde (bspw. durch einen Rahmen), da diese manchmal etwas auseinanderdriften.

Der Kartenmechanismus gefällt mir eigentlich sehr gut. Es kommt aber immer mal wieder vor, dass man die niedrigste Karte gespielt hat und man dann deren Effekt nicht wirklich nutzen kann. Das ist dann natürlich ärgerlich und fühlt sich doof an – vor allem dann, wenn noch ein gehässiger Kommentar vom Gegenüber kommt. Da kann in der Folge eine Raptorenmama schon ganz schön böse werden! 😈
Eine letzte Kleinigkeit, die mich stört, ist die nicht ganz stimmige thematische Einbettung. Wie ein Raptor bspw. Feuer löschen kann, leuchtet mir einfach nicht ein. Aber das hindert jetzt nicht ein Einfühlen in das gewünschte Setting. Man fiebert schon mit den jeweiligen Figuren mit und erlebt eine spannende Jagd durch den Dschungel oder die Savanne.

Das gefällt mir gut: RAPTOR ist ein sehr gut ausbalanciertes asynchrones Spiel. Beide Seiten spielen sich deutlich unterschiedlich und trotzdem hat man nicht das Gefühl, dass eine Seite im Vorteil ist. Natürlich muss man dabei vielleicht auch über den eigenen Schatten springen und sein gewöhnliches Spielerverhalten ablegen. Denn der Raptorspieler muss aggressiver auftreten als der Forscher, er muss versuchen, schnell die Forscherschar zu minimieren und einen Korridor für die Flucht der Babys frei werden zu lassen. Dem gegenüber versucht der Forscherspieler eher das Spiel in die Länge zu ziehen. Mit genügend Nachschub, gut gelegten Feuer-Sackgassen und reichlich Narkose-Schüssen, kann man die Raptorenmama von sich fern halten und die Babys einsammeln. Somit sind also unterschiedliche Strategien notwendig, jede Rolle benötigt eine andere Herangehensweise. Das erinnert bspw. an DUELL IM FELSENTAL (bzw. DRAKO).
Wie schon gesagt, der Kartenmechanismus gefällt mir sehr gut. Das Aufdecken der Karten ist einfach spannend und wird von Emotionen begleitet. Natürlich hilft es hier, das Kartendeck seines Gegenübers im Auge zu behalten und die richtige Intuition zu haben. Eigene niedrige Karten sollte man optimalerweise erst dann spielen, wenn der Gegner ebenfalls keine hohen Karten mehr zur Verfügung hat. Allerdings hat man immer nur drei Karten zur Auswahl – und das ist nicht immer die Wunschauswahl. Hier kann man sich schon einmal böse verzocken.
Noch einmal erwähnen möchte ich die ausgesprochen guten Spielertableaus. Anhand derer wird man perfekt durch das Spiel geleitet. Man hat immer im Blick, welche eigenen Möglichkeiten man besitzt und welche der Gegner. Auch der aktuelle Stand um die Siegbedingungen wird hier klar und deutlich hervorgehoben. Die Karten selbst benötigen somit nur wenige Symbole und können dadurch auch ihre eindrucksvolle grafische Gestaltung hervorheben.

Fazit: Gute 2‑Personen-Spiele gibt es viele, weshalb RAPTOR in meinen Augen etwas unter dem Radar fliegt und noch nicht all zu bekannt ist. Unberechtigterweise! Denn RAPTOR hat nicht nur ein ungewöhnliches Thema, sondern ist spannend und weckt jede Menge Emotionen. Durch die vielen Möglichkeiten und die asynchrone Spielweise ist es durchaus etwas komplexer, aber das gute Material hilft enorm, es nicht kompliziert wirken zu lassen. Neben taktischem Gespür ist eine gute Intention sicherlich förderlich, wenn man gewinnen will. Für mich war RAPTOR eine positive Überraschung und ich würde dem Spiel eine Empfehlung zum Kennerspiel des Jahres gönnen, um etwas mehr ins Rampenlicht zu gelangen. Verdient hätte es RAPTOR in meinen Augen.
Titel | Raptor |
Autor | Bruno Cathala und Bruno Faidutti |
Illustrationen | Vincent Dutrait |
Dauer | 15 bis 30 Minuten |
Spieleranzahl | 2 Spieler |
Zielgruppe | Kennerspiel |
Verlag | Pegasus |
Jahr | 2016 |
Ich bedanke mich bei Pegasus für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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