Sherlock – die ersten drei Fälle ("Letzter Aufruf", "Der Fluch des Qhaqya" und "Tod am 4. Juli") von Josep Izquierdo und Marti Lucas – erschienen bei Abacusspiele
Sherlock Holmes bleibt ein beliebtes Thema im Brettspielkosmos. Der Über-Detektiv ist als Teil der Popkultur einfach DER Ankerpunkt, wenn es um kriminalistische Rätsel geht. Vielleicht mache ich dazu auch bald mal eine Top-Liste. Ein recht neuer Vertreter dieses Phänomens ist das aktuelle SHERLOCK-System, welches gleich mit drei unterschiedlichen Fällen an den Start gegangen ist (LETZTER AUFRUF, DER FLUCH DES QHAQYA und TOD AM 4. JULI). Genauer genommen sind es sogar vier Fälle, wobei der Fall VERBLEIB UNBEKANNT als Demo-Spiel beim Fachhändler eures Vertrauens zu finden ist. So gibt Abacusspiele uns Spielern die Möglichkeit, in diese Art Spiel hinein zu schnuppern. Danke für dieses tolle Angebot!
Themen... sind unterschiedlich. Wie auch beim namensgebenden Detektiv werden ganz einfach alle interessanten Fälle bearbeitet. Mal stirbt ein Geschäftsreisender auf einem Flug, mal wird auf einer Gartenparty eine unbekannte Leiche gefunden. Und selbst Zeitreisen sind möglich, da DER FLUCH DES QHAQYA in der Zeit der 1920er Jahre spielt.
Illustrationen… sind von Alba Aragón und sehr passend. Leider kommen sie aufgrund der kleinen Karten kaum zur Geltung. Das ist lediglich schade, aber für das Spielgefühl verkraftbar. Denn im Gegensatz zu manchem EXIT-Spiel muss man sich die Illustrationen nicht näher zu Gemüte führen, da hier keine versteckten Hinweise versteckt sind (behaupte ich mal – zumindest haben wir keine entdeckt).
Ausstattung… ist äußerst spartanisch. In den kleinen Schachteln befinden sich jeweils 33 Karten und ein zweigeteilter "Beipackzettel". Dieser erklärt kurz und knapp das SHERLOCK-System und gibt eine kurze thematische Einleitung in den Fall.
Wenn man meint, den Fall gelöst zu haben, dann wird man durch das Entfernen einen Aufklebers auf 10 Fragen stoßen, die es richtig zu beantworten gilt. Auf der Rückseite der Anleitung wird dann die Auflösung des Falls präsentiert.
Ablauf… von den 32 gemischten Hinweis-Karten bekommt jeder teilnehmende Detektiv 3 davon auf die Hand. Ist man am Zug, muss man sich nun zwischen zwei Optionen entscheiden: will ich einen davon offen ausspielen, so dass er für alle zur Verfügung steht? Oder denke ich, dass der Hinweis unwichtig ist und werfe ihn ab?
Aber warum sollte man Hinweise abwerfen? Es kann doch nie genug geben, oder? Die Antwort ist recht einfach (wenn auch ein wenig unbefriedigend): weil die Regel vorsieht, dass am Spielende mindestens 6 Karten abgeworfen werden müssen. Außerdem werden ausgespielte, aber unnütze Hinweise, am Ende bei der Bewertung der detektivischen Leistung mit Minuspunkten bedacht. So gilt es also gut abzuwägen, was man offen ausspielt und was man abwirft.
Bei dieser Abwägung kann man sich gerne mit den Mitspielern austauschen. Allerdings dürfen bei diesem Austausch nur die Schlüsselworte benutzt werden, die auf den Karten unterstrichen dargestellt sind. Glücklicherweise darf man aber am Ende den Mitspielern gerne auch die vollständigen Informationen der abgeworfenen Karten erzählen – wenn man sich diese denn behalten hat.
Das gefällt mir nicht so gut: Ganz allgemein bin ich kein großer Freund von Wertungssystemen aller Art bei solchen Rätselspielen. Ich brauch für mich keine Punkteskala am Ende, um während des Spiels meinen Spaß zu haben. Dieser Spielspaß wird auch weder gesteigert noch eingeschränkt, wenn ich schlussendlich 10 oder 15 Gummipunkte erreicht habe. Mir macht das Rätseln als solches Spaß, da benötige ich keine Wertung.

Natürlich kann ich nachvollziehen, warum beim SHERLOCK-System mit einer solchen gearbeitet werden. Es erhöht definitiv den spielerischen Druck, wenn man sich überlegen muss, ob man nun Hinweis A abwirft oder offen ausspielt. Allerdings ist das insbesondere zu Beginn wirklich keine leichte Entscheidung. Man kennt eigentlich nur die relativ belanglose Einleitung und seine eigenen Hinweise. Erst nach und nach ergibt sich dann eine klareres Bild. Dann hat man aber vielleicht schon Hinweise ausgespielt, die man im Nachhinein abgeworfen hätte. Anders herum ist das (bei gutem Gedächtnis) kein Problem. Da man allerdings nicht die Möglichkeit hat, ausgespielte Hinweise nachträglich noch abzuwerfen, wird man dazu verleitet, im Zweifelsfall lieber zu viel abzuwerfen – was sich unbefriedigend anfühlt. Ich hätte mir deswegen lieber eine andere Wertung gewünscht. Bspw. in der Art, dass man Pluspunkte für richtig ausgespielte Hinweise bekommt anstatt Minuspunkte für falsche. Oder dass man zumindest die Möglichkeit erhält, am Ende noch drei oder vier Hinweise abzuwerfen. Allerdings sollte man sich meiner Meinung nach ohnehin lieber frei von solchen Wertungssystemen machen.

Die Regel ist zwar an sich eindeutig, aber irgendwie auch nicht intuitiv begreifbar. Bei fast allen hierzu Befragten kam die Antwort, dass das Spielsystem eigentlich erst so richtig nach einem durchgespielten Fall verstanden wurden. Dementsprechend kann ich nochmals den angebotene Demo-Fall empfehlen. Denn nachdem man einen Fall gespielt hat, ist recht klar und deutlich, wie das SHERLOCK-System funktioniert.
Als Spieleranzahl wird von Verlagsseite von 1 bis 8 Personen gesprochen. Solo funktioniert es, macht aber nur halb so viel Spaß. Denn dabei fehlt einfach der Austausch mit den Mitspielern, der vor allem am Ende prägend für das SHERLOCK-System ist. Mit mehr als 4 Personen würde ich die Fälle aber auch nicht spielen wollen. Dann ist doch zu zufällig, wie welche Hinweise verteilt sind und man muss lange warten, bis man selbst wieder involviert ist.
So ganz kann ich den angegebenen Schwierigkeitsgrad auf den Boxen nicht nachvollziehen. Dieser ist skaliert durch die Anzahl angezeigter Lupen und soll von LETZTER AUFRUF über DER FLUCH DES QHAQYA bis zum TOD AM 4. JULI stetig ansteigen. Das Gefühl hatte ich so nicht. Aber möglicherweise ist meine Einschätzung dazu zu sehr dem persönlichen Empfinden bzw. auch dem eigenen (Miss-)Erfolg beim Lösen des Falles geschuldet.
Das gefällt mir gut: Das SHERLOCK-System hat sicherlich nicht die Tiefe eines DETECTIVES oder eines CHRONICAL OF CHRIMES – dafür kommt es aber auch ganz schlicht und ohne technischen Schnick-Schnack daher. Eine kleine Rahmenhandlung und 32 mehr oder weniger hilfreiche Hinweise müssen ausreichen, um einen Kriminalfall aufzulösen. Und diese Fälle haben es in sich! Denn man muss schon gehörig um die Ecke denken können, um erfolgreich zu sein.
Am meisten Spaß macht deswegen auch das Aufstellen der möglichen Tathergängen. Schon während des Spiel wird dauernd darüber spekuliert, was eigentlich passiert sein könnte. Mit jedem neuen Hinweis kann dann dieses Gebilde in sich zusammenfallen oder die eigene Theorie erhärtet sich. Da am Ende zehn Fragen zum Fall beantwortet werden müssen, reicht es auch nicht, sich lediglich auf einen Täter festzulegen. Sondern man sollte sich schon ein umfassendes Gesamtbild machen. Übrigens sollte man sich von den Fragen auch nicht ins Bockshorn jagen lassen. Manche sind nur dazu gedacht, die Ermittler zu verunsichern.
Natürlich kann man mit der hergeleiteten Theorie auch völlig daneben liegen. Bei einem Fall hatten wir am Ende Minuspunkte auf unserem Konto, weil wir uns in eine ganz andere Geschichte verrannt hatten. Bei den Fragen haben wir dann konsequent die falschen Antworten gegeben und schließlich lagen auch noch falsche Hinweise aus. Das kann passieren – hat uns aber nicht wirklich gestört. Es stand einfach der Spaß am Ermitteln im Mittelpunkt. Außerdem war unsere Geschichte zwar nicht schlecht, aber die eigentliche war zumindest auch nachvollziehbar. Die Lösung war also nicht an den Haaren herbei gezogen, sondern wir hatten einfach die Hinweise falsch gedeutet. Alle anderen drei Fälle (also inklusive des Demo-Falls) konnten recht erfolgreich gelöst werden, auch wenn vielleicht das ein oder andere Detail nicht ganz stimmte.
Ach ja, weil ich oben schon einmal die EXIT-Spiele angesprochen habe. Ein Vorteil des SHERLOCK-Systems ist sicherlich auch, dass im Spiel nichts verändert oder zerstört wird. Man kann das Spiel natürlich nur einmal spielen – aber zumindest kann man anderen durch die Weitergabe damit noch eine Freude machen. Zumal auch keinerlei andere Hilfsmittel benötigt werden.
Fazit: Wie auch bei den DECKSCAPE-Fällen setzt Abacusspiele mit dem SHERLOCK-System auf hohen Spielspaß mit reduziertem Material. In diesem Fall reichen 33 Karten und ein Fragenkatalog aus, um uns Spieler als Ermittler herauszufordern. Ich freue mich zumindest schon auf die neuen angekündigten Fälle, die im Sommer erscheinen werden.
Titel | Sherlock – Letzter Aufruf, Der Fluch des Qhaqya und Tod am 4. Juli |
Autoren | Josep Izquierdo und Marti Lucas |
Illustrationen | Alba Aragón |
Dauer | 45 bis 60 Minuten |
Spieleranzahl | 1 bis 8 Spieler (besser 2 bis 4 Spieler) |
Zielgruppe | kombinatorische Spürhunde |
Verlag | Abacusspiele |
Jahr | 2019 |
Ich bedanke mich bei Abacusspiele für die Bereitstellung von Rezensionsexemplaren. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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