Adventure Island von Michael Palm und Lukas Zach – erschienen bei Pegasus Spiele
Eines meiner Lieblingsbücher in der Kindheit war die Schatzinsel von Robert Louis Stevenson. Ich weiß nicht, wie oft ich dieses Buch gelesen habe, aber es war oft. Interessanterweise wurde ich aber trotzdem nie wirklich zu einem Piraten-Fan und auch heute noch lässt mich dieses Thema eher kalt. Ganz anders ist es mit einsamen Inseln. Nicht, dass ich mich auf eine wünschen würde (und wenn, dann nur mit einem Container voll von Büchern und Spielen). Aber ich finde dieses Setting für Geschichten einfach spannend. Kein Wunder also, dass mich ADVENTURE ISLAND direkt angesprochen hat.
Thema... spielt in der Vergangenheit. Das zeigt sich schon daran, dass hier ein Schiff für die große Reise gewählt wurde und nicht ein Flugzeug (wobei das in Zeiten von Boing 737 Max Maschinen vielleicht wieder vermehrt vorkommen wird). Unglücklicherweise sinkt allerdings unser Schiff und wir retten uns gerade so noch auf eine einsame (?) Insel. Da ADVENTURE ISLAND kein Solospiel ist, sind wir auch nicht alleine und somit nicht auf einen Volleyball als Gesprächspartner angewiesen. Nun gilt es jedenfalls auf dieser Insel zu überleben. Und nicht nur das, denn so ganz haben wir die Hoffnung noch nicht aufgegeben, wieder nach Hause zurückkehren zu können.
Illustrationen… sind von Lea Fröhlich und Lisa Lenz und gefallen mir richtig gut. So ist mir beim Spielen gar nicht aufgefallen, dass zwei unterschiedliche Illustratorinnen beteiligt waren. Ich empfand die Gestaltung aus einem Guss und auch dem Thema angemessen. Über das Cover haben sich allerdings ein paar Leute beschwert. Ich finde das gewählte Motiv aber ansprechend – auch, weil es in meinen Augen eine kleine ironische Spitze gegenüber all den vielen Brettspielcovern ist, bei denen ein Mann mit Bauplan vor einer Baustelle im Hintergrund steht.
Ausstattung… wird hauptsächlich von den unzähligen Karten geprägt. Wobei unzählig das falsche Wort ist, schließlich gibt die Anleitung die genaue Anzahl an (171). Wer das jetzt nachzählen will, der kann sich auch an den individuellen Nummer auf den Karten orientieren. Diese sorgen dafür, dass man mit verschiedenen Ausgangsbedingungen spielen und man später auch alles wieder in den Ausgangszustand zurück versetzen kann. Auffallend ist außerdem, dass bestimmte Karten in anfangs noch verschlossenen Sets gelagert werden.
Neben den Karten sind noch viele Pappplättchen und ‑marker in der Box sowie ein paar Holzfiguren und Plastikwürfel. Damit man alles gut ordnen und sortieren kann, ist die Box in verschiedene Abschnitte unterteilbar und es liegen noch Kartentrenner bei.

Ablauf… zu Spielbeginn liegen ein paar wenige Ortskarten offen aus. Dazu kommen dann noch verdeckte Kartenstapel, aus denen man nach und nach neue Karten aufdeckt und damit die Möglichkeiten für Aktionen erweitert. Denn gespielt wird über mehrere "Tage". Pro Tag hat jede Person zwei Aktionsmöglichkeiten. Da kann im Treibgut nach nützlichen Sachen gesucht werden. Oder es wird sich um Nahrung gekümmert oder die Insel weiter erkundet. Oftmals wird das Ergebnis einer Aktion über Würfelproben bestimmt (das kennen die Rollenspieler). Dafür kommen dann noch die persönlichen Charakterfähigkeiten der einzelnen Mitspieler zu tragen. Jamie McMullin ist bspw. geschickter als Maria Fortuna und kann dann bei einer Geschicklichkeitsprobe mehr Würfel einsetzen. Diese Charaktereigenschaften sind ausgeprägter, je frischer die Personen sind. Mit der Zeit erschöpfen nämlich die Charaktere zunehmend und damit stehen dann weniger Würfel zur Verfügung.

So verbringt man dann die Tage – und hat Angst vor der anstehenden Nacht. Angst deswegen, weil man erst einmal hoffen muss, dass die Nahrung ausreicht. Hat man erfolgreich den Hunger besiegt, fängt aber das eigentliche Bibbern an. Denn die Nächte in ADVENTURE ISLAND sind selten ruhig und bringen meist unangenehme Ereignisse in Form von abzuhandelnden Unheilkarten – und die heißen nicht ohne Grund so!
Eine Partie endet dann, wenn entweder ein Charakter zu viele Erschöpfungsmarker hat (und stirbt) oder wenn in der Nacht keine Unheilkarten mehr zu ziehen sind (also die Zeit abgelaufen ist). Erfreulicher endet die Partie aber, wenn wir vorher den aktuellen Abenteuerauftrag erfüllt haben. In der Box sind fünf verschiedene Abenteuer erhalten. Man kann aber problemlos die Abenteuer auch mehrfach spielen, wenn man noch andere Seiten der Insel erkunden will.
Das gefällt mir nicht so gut: Man hätte ADVENTURE ISLAND problemlos auch ISLAND OF FORTUNE nennen können. Denn der Glückseinfluss ist schon immens. Einerseits sind da natürlich die Würfelproben, andererseits aber auch noch die Verteilung der Karten. Meist benötigt man für das Bestehen der Abenteuer bestimmte Karten. Kommen diese in den jeweiligen Stapeln erst ganz am Ende ins Spiel, dann sollte man diese Partie als Erkundungspartie abhaken. Allerdings wird es dann nervig, wenn man schon ein paar dieser Erkundungspartien hinter sich hat und man mittlerweile ganz genau weiß, was benötigt wird – und diese Karte einfach nicht zum richtigen Zeitpunkt erscheinen will. Im schlimmsten Fall fühlt man sich dann von ADVENTURE ISLAND gespielt. Es wird einem nicht das Gefühl gegeben, dass man wirklich was zu entscheiden hat, bzw. dass man über alternative Wege nachgrübeln muss oder Abläufe optimieren sollte. Stattdessen wird man geübt in Schicksalsergebenheit: kommt die Karte oder kommt sie nicht? Mir ist nicht so ganz klar, wo dabei die Zielgruppe verortet ist. Bei meiner ersten Begegnung mit ADVENTURE ISLAND hatte ich das Gefühl, dass dies doch ein tolles Familienspiel im ROBINSON CRUSOE Gewand sein könnte. Doch dafür ist es am Ende zu kleinteilig und speziell. Für erfahrenere Spieler ist aber meiner Meinung nach der Einfluss zu gering, um dauerhaft Spannung zu erzeugen.
Dieses von mir empfundene negative Spielgefühl wird dahingehend verstärkt, dass ich mich dauernd gehetzt gefühlt habe. Durch die arg limitierte Anzahl von Aktionen pro Partie musste man sich immer sehr auf das Wesentliche konzentrieren. Eine nicht geglückte Würfelprobe hat dann den Stress nochmals potenziert. So empfand ich die einzelnen Abenteuer als zu hektisch. Es gab nie das Gefühl, sich auch mal treiben lassen zu können, die Insel entdecken zu können. Stattdessen fühlte man sich gehetzt und immer dem zufälligen Unheil ausgesetzt. Das ist auch ein kleiner Widerspruch zum Thema. Denn gerade auf so einer einsamen Insel hat man doch eher zu viel als zu wenig Zeit. Wenn man dann noch einen Gegenstand findet, der dieses Phänomen der zu vielen Zeit thematisiert, fühlt man sich leicht verhöhnt.
Ohnehin finde ich die thematische Eingliederung nur teilweise gelungen. Ja, man erlebt eine durchgängige Geschichte. Allerdings wird das Setting nicht wirklich konsequent betrieben. Warum können nicht alle Gegenstände, die man gefunden hat, in den nächsten Durchlauf mitgenommen werden? Warum lernen die Personen so wenig durch erfolglose Versuche? Durch die oftmalige Wiederholung der Abenteuer (weil man diese nicht auf Anhieb erfolgreich besteht), kommt so ein wenig ein Gefühl wie bei T.I.M.E. STORIES auf. Dort wird die Mechanik aber durch das Zeitreisen perfekt in Szene gesetzt. Bei ADVENTURE ISLAND stört man sich eher daran, dass man plötzlich durch so ein Blitzdings wieder ahnungslos ist und man alles neu erlernen muss.
Aber auch fernab vom Spielgefühl bin ich mit anderen Sachen nicht so ganz glücklich. Die Regel ist irgendwie konfus geschrieben und wenig einprägsam. Da sind wichtige Hinweise eher versteckt und irgendwie fehlt eine gewisse Klarheit. Nicht ohne Grund wurde mittlerweile ein umfangreiches FAQ-Dokument zum Herunterladen bereitgestellt. Trotzdem bleiben manche Fragen noch offen (z.B. wie man bestimmte Kartentexte vor allem im Zusammenspiel mit anderen Karten verstehen muss). Erschwerend kommt noch dazu, dass die Kartentexte voll von Symbolen sind, die nirgendwo zentral erklärt werden. Hier wäre eine Übersicht sehr hilfreich, in der alle verwendeten Symbole und deren Bedeutung aufgeführt sind. Ohnehin sind die Symbole recht klein. Wer kopfüber die ausliegenden Karten lesen will, der wünscht sich bald wie die Protagonisten ein Fernrohr.
Neben einer Übersicht, wäre auch eine Checkliste von Vorteil. Auf der könnte man dann notieren, was man entdeckt hat und somit vielleicht ins nächste Abenteuer mitnehmen kann. Am Ende eines Abenteuers wird zwar immer schön erläutert, welche Karten man ins Archiv legen darf und welche nicht. Aber ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell man den Überblick über all die Karten verliert. Kommt dann noch hinzu, dass die Fächerablage in der Box bei ungünstigen Transport nur suboptimal funktioniert, ist man ganz schnell dabei, die Karten neu sortieren zu müssen. Hier wäre also eine Hilfe, die über das bestehende Angebot hinaus geht, wünschenswert. Und wenn ich schon bei leichter Kritik an der Ausstattung bin: die Plastikwürfel gefallen mir in ihrer Machart überhaupt nicht. Die sehen nicht nur billig aus, sie fühlen sich auch so an, dass sie problemlos aus dem Kaugummiautomaten von gegenüber stammen könnten. Vor allem im Vergleich zum sonstigem guten Material fallen die Würfel qualitativ massiv ab.
Das gefällt mir gut: Macht man sich frei von falschen Erwartungen und Vergleichen zu reinen Kampagnenspielen, dann kann man sich schon am gefälligen Thema erfreuen. Trotz mancher inhaltlichen Mängel, hat uns die Geschichte durchaus gepackt. Wir wollten wissen, wie es weitergeht, welche Personen wir noch treffen würden. In diesem Zusammenhang sind auch die Meilensteine zu loben. Das sind Fähigkeiten, die man dauerhaft erlangt, wenn man bestimmte Karten im Laufe der Geschichte in die Hände bekam. Die Suche nach Meilensteine kann helfen, Leerläufe zu überbrücken: Wenn man mal wieder das Gefühl hat, dass man gegen die Kartenverteilung nicht anspielen kann, dann lasst uns zumindest noch Meilensteine finden, die uns später helfen können.
Ebenfalls großen Anreiz zum Erkunden bieten einem dabei die beigelegten Kartenpacks. Das hat etwas von Weihnachten, wenn man ein solches öffnen darf. Fühlt man sich an dieser Stelle an PANDEMIC LEGACY erinnert, gab es an anderer Stelle ein EXIT-Déjà-vu. Von solchen tollen Überraschungen hätte es gerne mehr geben dürfen.
Im Vergleich zu den eben genannten Spielen hat ADVENTURE ISLAND einen großen Vorteil: es ist unbegrenzt oft spielbar. Man muss nur die Karten wieder in die richtige Ordnung bringen und die Kartensets in ein paar Zipptüten verpacken. Dieses mögliche Zurücksetzen erzeugt vielleicht die ein oder andere erzählerische Schwäche, ist aber langfristig als Vorteil anzusehen.
Ohnehin ist gut erkennbar, was die Motivation der Autoren war. Als früherer Rollenspieler haben mich bspw. die Würfelproben an viele tolle Abenteuer erinnert. Lesenswert ist in diesem Zusammenhang das Entwicklertagebuch der beiden Autoren. Darin zeigen sie u.a. gut auf, dass Spiele entwickeln eine langfristige Sache ist – mit dem Problem, dass manche Trends eine lange gereifte Idee überholen können.
Fazit: ADVENTURE ISLAND ist ein thematisches Abenteuerspiel, was ich aber leider in der Summe unbefriedigend fand. Hauptsächlich deswegen, weil es mir etwas zu gradlinig ist und damit der vorhandene Glücksanteil sehr schwer wiegt. Es fehlt schlicht die Zeit, die namensgebende Insel erkunden zu können – zumindest dann, wenn man eine Partie erfolgreich beenden will. Dafür muss man sehr stark auf das vorgegebene Ziel hinarbeiten und sich nicht von Nebensächlichkeiten ablenken lassen. Die im Spiel durchaus vorhandenen Nebenschauplätze verkommen somit nur zu Andeutungen, da man eigentlich nicht die Zeit hat, denen auch noch nachzugehen. Nur wenn man sich frei macht vom erfolgsorientierten Spielen, kann man sich den Raum zum Entdecken geben. Leider fördert dann aber das Spiel den damit verbundenen Erfahrungsgewinn nicht ausreichend. Vielleicht habe ich auch nur etwas anderes erwartet und bin somit etwas unglücklich mit ADVENTURE ISLAND. Aber dieses Spiel würde ich nicht auf eine einsame Insel mitnehmen wollen.
Titel | Adventure Island |
Autor | Michael Palm und Lukas Zach |
Illustrationen | Lea Fröhlich und Lisa Lenz |
Dauer | 45 bis 90 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 5 Spieler |
Zielgruppe | glücksaffine Kennerspieler |
Verlag | Pegasus |
Jahr | 2018 |
Ich bedanke mich bei Pegasus für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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