Downforce von Wolfgang Kramer (sowie Rob Daviau und Justin D. Jacobson) – erschienen bei iello
Am letzten Wochenende war es wieder so weit: eine neue Formel 1 Saison startete in Australien. Seit 1950 wird diese Rennserie als eine Art Weltmeisterschaft ausgetragen. Nicht ganz so lange gibt es schon das Brettspiel TOP RACE bzw. TEMPO. Das war 1974 das Erstlingswerk von Wolfgang Kramer und der Anfang einer ganz großen Karriere als Spieleautor. Nun liegt mit DOWNFORCE eine erneute Neuauflage dieses Spiels vor. Nach eigenen Aussagen liebt Rob Daviau dieses Spiel seit Jahren und so hat es ihn gereizt, daran ein wenig Hand anzulegen. Für uns Neuheiten-Junkies stellt sich natürlich die Frage, ob es sich gelohnt hat, ein fast 50 Jahre altes Spiel nochmals aufzupeppen.
Thema... na was wohl: schnelle Autos, scharfe Kurven und eine Menge Geld. Wobei in dieser Ausgabe im Vergleich zu älteren komplett auf Spielgeld verzichtet wird. Kein Wunder, schließlich befinden wir uns im digitalen Zeitalter der Kryptowährungen. Da wird während des Rennens das Smartphone gezückt und die neueste Wette platziert. Bei diesen Wetten können sogar die Rennstallbesitzer der Teams mitmachen, weswegen am Ende nicht unbedingt der Sieger des Rennens die Partie gewinnt.
Illustrationen… sind von Tavis Coburn, Michael Crampton und Jason Taylor, die gemeinsam als Team eine tolle Arbeit geleistet haben. Alles wirkt frisch und modern. Ich finde es dabei faszinierend, wie alle drei Illustratoren zwar ihren eigenen Stil pflegen, das Gesamtwerk aber trotzdem harmonisch wirkt. Und das Cover könnte ich mir auch als Poster an die Wand hängen. So kann man getrost feststellen, dass zumindest die Illustrationen voll auf der Höhe der Zeit liegen – wenn nicht sogar darüber hinaus, wenn ich dabei an so manch altbackene Gestaltung deutscher Traditionsverlage denke.
Ausstattung… ist wie ein gutes Rennauto: einerseits auf das Notwendigste reduziert und andererseits überzeugen alle Komponenten. Im Gegensatz zu alten Ausgaben sind die Boliden nun um einiges größer geworden, was natürlich auch die Konsequenz hat, dass der Spielplan gewachsen ist. Dieser ist doppelseitig bedruckt und bietet somit zwei unterschiedliche Rennstrecken an. Auf Spielgeld kann komplett verzichtet werden, so dass nun fast alles nur noch auf die Tempokarten fokussiert ist. Allerdings gibt es auch noch sechs Spezialkarten mit individuellen Fähigkeiten für die einzelnen Piloten (die wiederum extra noch mit eigenen Kärtchen dargestellt werden). Jeder Spieler erhält auch noch ein Wertungsblatt, das allerdings auch als Wettübersicht fungiert.
Ablauf… bevor das eigentliche Rennen startet, werden erst die Rennwagen mit ihren Fahrern versteigert (und ebenso mit den Spezialfähigkeiten der Fahrer). Um da sinnvoll mitsteigern zu können, muss man erst einmal die eigenen Tempokarten analysieren, die man deswegen sinnvollerweise auch schon davor auf die Hand bekommt. Bei weniger als 6 Spielern ist es auch möglich, mehr als einen Rennwagen sein eigen zu nennen. Auf der anderen Seite wird aber auch sicher gestellt, das jeder mindestens einen Rennwagen und eine Spezialfähigkeit besitzt (davon darf man übrigens trotz mehrerer Autos nur eine mit ins Rennen nehmen).
Sind alle Fahrzeuge versteigert wird nun das Rennen gestartet. Nacheinander spielen alle Mitspieler eine Tempokarte aus. Dabei wird jedes Fahrzeug, dessen Farbe auf der Karte abgebildet ist, jeweils um die dort angegebene Anzahl an Feldern vorgezogen – sofern der Weg nicht blockiert ist. Wichtig daran ist: man kann die Reihenfolge nicht ändern, sondern die Farben müssen von oben nach unten abgehandelt werden. Mit diesem einfachen, aber genialen Mechanismus wird nun das Rennen absolviert, bei dem alle Plätze ausgefahren werden.
Dreimal während des Rennens kommt es aber zu einer kurzen Unterbrechung für die Wetten auf den Rennausgang. Sobald das führende Fahrzeug die gelbe Wettlinie auf dem Spielplan überfährt, wetten nämlich alle Spieler geheim den späteren Sieger.
Das ist deswegen wichtig, da für die Bestimmung des Siegers genau diese Wetten einen großen Anteil an der Gewinnsumme hat. Jeder Spieler bekommt einerseits Preisgeld je nach der Rennplatzierung seiner Fahrzeuge. Andererseits werden aber auch richtige Wetten großzügig belohnt. Und schlussendlich müssen auch noch die Kosten der anfänglichen Versteigerung von der Gewinnsumme abgezogen werden. Wer nun den meisten Gewinn gemacht hat, der ist Sieger von DOWNFORCE.
Aufgrund der langen Geschichte von DOWNFORCE gibt es nun noch eine Vielzahl von möglichen Varianten. Einige davon sind in der Regel aufgeführt, andere sind auf der Website von Wolfgang Kramer zu finden. So kann jeder genauso am Spiel tüfteln, wie es die Rennmechaniker in der Formel 1 tun.
Das gefällt mir nicht so gut: Ich bin zwar nur Motorsport-Laie, aber es ist sicherlich unstrittig, dass sich die Fähigkeiten der einzelnen Fahrer im Feld durchaus unterscheiden. Das ist bei DOWNFORCE auch so. Die anfangs mit den Autos versteigerten Spezialfähigkeiten unterscheiden sich schon sehr deutlich. Manche kann man nur eins-zwei Mal im Spiel sinnvoll anwenden, andere können dahingegen dauerhaft eine richtig große Hilfe darstellen. Natürlich kann man das bei den Auktionen mit bedenken und trotz schlechter Karten auf diese Spezialfähigkeit mitbieten. Aber dabei ist natürlich der Spieler im Vorteil, bei dem die eigenen Tempokarten viel besser zu der Wagenfarbe mit der starken Fähigkeit passen.
Dieses Ungleichgewicht der Spezialfähigkeiten hätte man vielleicht auch über die Startspielerregelung abdämpfen können. Aber die kommt reichlich uninspiriert daher. Die Wagen werden zufällig ausgelost und das war es. Hier besteht meiner Meinung noch einiger Spielraum für Anpassungen. Beispielsweise in dem man die Startaufstellung von den einzelnen Fähigkeiten abhängig macht. Oder aber es beginnt der Spieler, der bei der Versteigerung die meisten Kredite aufgenommen hat. So ist die bestehende Regelung etwas platt und wirkt einfallslos.
Die tolle Ausstattung kann ich nur loben (und mache das gleich auch noch). Die Idee mit den Wertungsblättern ist genial einfach, da man somit nicht mehr das ganze Papiergeld organisieren muss. Allerdings wäre es toll gewesen, wenn auch noch eine entsprechende Anzahl an Stiften mit in der Box gewesen wäre. So muss ich also mal wieder zu einem großen schwedischen Möbelhaus pilgern und mich ausstatten. So ein paar Stifte hätten den ansonsten tollen Gesamteindruck jedenfalls richtig schön abgerundet.
Das gefällt mir gut: Es ist schon erstaunlich, wie frisch das Spielprinzip von DOWNFORCE immer noch wirkt. Der Mechanismus von Wolfgang Kramer mit den von oben nach unten abzuhandelnen Tempokarten ist dermaßen genial, dass auch fast 50 Jahren nach Ersterscheinen immer noch spannende Rennen die Folge sind. Denn mit diesen Karten kann man wunderbar taktieren. Ist der rote Wagen ohnehin gerade eingeklemmt, dann kann ich als Besitzer des blauen Boliden problemlos aus meiner Hand die Karte spielen, die dem roten Wagen auf freier Strecke einen Zwischenspurt erlauben würde. Die Mechanik ist einerseits so simpel, dass sie jeder auf Anhieb versteht, andererseits aber auch so tiefgründig, dass immer wieder viele kleine spannende Entscheidungen zu treffen sind.
Die Anpassungen von Rob Daviau und Justin D. Jacobson sind zudem äußerst gut gelungen. Das beginnt mit den Spezialfähigkeiten, die nun noch ein wenig mehr Salz in die Rennsuppe bringen. Aber auch die vereinfachte Versteigerung sowie die schnelle Abrechnung am Ende sind sinnvolle Änderungen. Ich war wirklich überrascht, wie zügig man DOWNFORCE auch in großen Gruppen spielen kann. Natürlich fährt dann nicht jeder um den Sieg mit. Aber auch das Ausspielen der hinteren Plätze macht durchaus noch Spaß. Denn normalerweise packte jeden der Ehrgeiz noch den ein oder anderen Platz gut zu machen. Wenn dann noch ein wenig Trashtalk dazu kommt, machen auch die kleinen Scharmützel um die hinteren Plätze großen Spaß und lassen das Spiel zum positiven Erlebnis werden.
Zusätzlich ist das Material einfach eine Augenweide. Mir gefällt der neue Grafikstil ungemein. Nicht, dass ich die alten Illustrationen hässlich gefunden hätte (zumal sie einen immer ein wenig an die kultige Gestaltung von FORMULE DE erinnert haben), aber im Vergleich zu DOWNFORCE wirkt sie eben altbacken. Auch die größeren Fahrzeuge sind ein Gewinn, machen sie DOWNFORCE doch auch zu einem haptischen Erlebnis.
Jetzt habe ich so oft die alte Ausgabe genannt, dann will ich auch noch ein paar Fotos von dieser zeigen. Ich beziehe ich mich dabei nur auf die 2008 erschienene Ausgabe von TOP RACE aus dem Hause Pegasus. Natürlich könnte ich auch noch ältere Ausgaben heran ziehen, aber das wäre dann nicht wirklich fair. Schon der Vergleich von DOWNFORCE mit dieser 10 Jahre alten Ausgabe spricht meiner Meinung nach für sich.
Fazit: Bei der damaligen Ankündigung, dass TOP RACE wieder eine Neuauflage bekommen soll, hatte ich nur müde mit den Schultern gezuckt. Das Spiel ist gut, keine Frage, aber benötigt es wirklich ein weiteres Facelift? Benötigen vielleicht nicht, aber es macht doch ganz schön was her! DOWNFORCE hat mich wirklich positiv überrascht, weil diese Version doch einiges an angesetzten Staub weggeblasen hat. Nun bin ich wieder von diesem Spiel angefixt. Und so hoffe ich doch stark, dass die schon erschienene Erweiterung DANGER CIRCUIT mit neuen Strecken und Spezialfähigkeiten bald auch als Deutsche Ausgabe erscheinen wird.
Titel | Downforce |
Autor | Wolfgang Kramer, Rob Daviau und Justin D. Jacobson |
Illustrationen | Tavis Coburn, Michael Crampton und Jason Taylor |
Dauer | 30 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 6 Spieler |
Zielgruppe | wettende Rennspieler |
Verlag | iello bzw. Restoration Games |
Jahr | 2018 |
Ich bedanke mich bei Hutter Trade als deutschen Vertriebspartner von iello für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
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