The Mind von Wolfgang Warsch – erschienen im Nürnberger-Spielkarten-Verlag
Ich spekuliere einmal: die Lieblingsband von Reinhard Staupe ist The The. Zumindest würde das die Vorliebe des zuständigen Redakteurs des Nürnberger-Spielkarten-Verlags für Spiele-Titel mit einem "the" erklären. Nach THE GAME ist nun also THE MIND die neueste Titel-Kreation. Ich wage zu behaupten, bald erscheint so etwas wie THE DICES oder so...
Thema... werdet eins mit euren Mitspielern, fühlt die gemeinsame Energie und verbindet eure Geister. Klingt esoterisch? Stimmt! Allerdings wird es schön ironisch überspitzt präsentiert. Hoffe ich zumindest, denn glücklicherweise fehlen mir eigene Erfahrungen mit Sekten oder ähnlichen möchtegern-sinnstiftenden Gemeinschaften.
Illustrationen... sind wieder von Oliver Freudenreich (THE Artist from NSV). Das uns begleitende weiße Kaninchen könnte eine Anspielung auf Alice im Wunderland sein (wenn ich mal von meinem popkulturellen Halbwissen ausgehe). Jedenfalls kommt alles schön spacig daher, so dass sich der ironische Unterton des Themas auch auf den Karten wiederfindet.
Ausstattung... ein durchnummerierter Kartensatz von 1 bis 100, zwölf Level- und drei Leben-Karten (allerdings ohne eine "Game Over-Karte") sowie Wurfsterne liegen in der Box – die Wurfsterne übrigens auch nur als Abbildung auf einer Karte. Warum ausgerechnet Wurfsterne im Spiel sind, habe ich übrigens nicht verstanden. Wer mir diesen Bezug erklären kann, darf gerne ein Kommentar schreiben.
Ablauf... ist eigentlich mehr als einfach. Je nach Levelstufe bekommen die Mitspieler entsprechend viele Zahlen-Karten für die anderen verdeckt auf die Hand (bspw. in Level 3 bekommt jeder Spieler drei Karten). Nun gilt es diese Handkarten aufsteigend in der Mitte abzulegen. Der Clou daran ist: Es sind keinerlei Absprachen zwischen den Spielern bzgl. der eigenen Kartenwerte erlaubt! Keine Handzeichen, kein Klopfen und natürlich darf auch nicht darüber geredet werden.
Ziel ist es also, ein Gefühl für den richtig auszuspielenden Zeitpunkt der eigenen Karten zu entwickeln. Klingt verrückt – ist es auch! Noch verrückter ist aber, wie erstaunlich gut das funktionieren kann.
Natürlich klappt es nicht immer fehlerlos, weswegen man als Gruppe auch mehrere "Leben" hat. Schafft man ein Level, wird man manchmal mit zusätzlichen "Leben" belohnt – oder mit den ominösen Wurfsternen. Diese kann man nutzen, damit alle Spieler ihre jeweils niedrigste Handkarte abwerfen.
Man beginnt ganz langsam mit Level 1 und versucht sich steigernd das höchst mögliche Level zu erreichen (zwischen Level 8 für vier Spieler und Level 12 für zwei Spieler). Wer das mehrmals erfolgreich gemeistert hat, kann dann noch versuchen, eine Runde THE MIND im Blind-Modus zu spielen. Dafür werden dann die Karten verdeckt in der Mitte abgelegt.
Das gefällt mir nicht so gut: Allgemein lässt sich feststellen, dass THE MIND zu zweit einfacher zu meistern ist ist als zu viert. Dabei ist das Spielprinzip von THE MIND natürlich ganz simpel zu sprengen. Allerdings wer so etwas macht, hat den Sinn solcher Spiele nicht verstanden (bzw. will sich bewusst darüber hinweg setzen). Schade, denn damit bringt man sich um spannende Erfahrungen.
Allerdings gibt es auch wenige Mitspieler, die mit THE MIND überhaupt nichts anfangen konnten. Die fragten sich dann, wo dabei der Spielspaß bzw. ‑reiz liegen soll. "Das ist doch ein reines Glücksspiel, bei dem Karten in der Mitte abgelegt werden. Nä, das ist mir zu blöd!" Schwer gegen solche Gefühle anzureden. Denn wer so empfindet, der hat für sich natürlich auch recht. Mir ergeht es bei THE MIND aber ganz anders...
Das gefällt mir gut: ... denn ich empfinde es viel mehr als äußerst faszinierend. Okay, ich bin auch ein zahlenaffiner Mensch und solch eher verrückten Spielideen sehr aufgeschlossen. Aber auch der Großteil meiner Mitspieler konnte sich dem Reiz von THE MIND kaum entziehen. Im Vorteil sind dann Spieler, die über ein gutes Zahlengefühl verfügen (und auch wenn ich nicht an Esoterik glaube, an Zahlengefühl glaube ich schon!).
Toll sind dann die Situation, wenn sich zwei Leute tief in die Augen blicken und keiner zuckt. Oder das genaue Gegenteil eintritt: alle deine Mitspieler weichen deinen Blicken aus. Da wird dann gewartet, bis es einen innerlich schmerzt und man dann doch seine Karte ablegt.
Diese nonverbale Kommunikation und natürlich das befreiende Gefühl, wenn es ganz knapp klappt (z.B. wird erst die 38 gefolgt von der 40 gespielt) sind einfach geniale Momente. Ich frage mich nur die ganze Zeit: wie kommt man auf eine solche Spiel-Idee? Das ist doch ein revolutionärer Gedanke, der bei der Entwicklung dahinter steckt. Ich bin jedenfalls froh, dass sich Autor und auch Verlag getraut haben, ein solches Spiele-Experiment zu wagen.
Zusätzlich ist die ganze Aufmachung einfach herzallerliebst. THE MIND nimmt sich selbst nicht zu ernst und schafft damit eine gelöste Stimmung am Tisch. Da wird gelitten und geflucht – aber auch erlösend gelacht und gefeiert. Die Emotionen sprudeln in diesem kleinen Spielchen nur so über.
Fazit: THE MIND ist fast schon mehr ein Experiment, denn ein Spiel. Durch die sehr beschränkte Kommunikation kanalisiert sich dabei vieles auf den Augenblick des Kartenausspielens, was dann Emotionsausbrüche zur Folge haben kann. Allerdings muss eines klar sein: man muss sich auf dieses Spiel einlassen wollen. Denn nur wer eins werden will mit den Karten und den Mitspielern, der hat eine echte Chance, mit Geist und Materie zu verschmelzen (Level 12). Für mich ist THE MIND ganz großes Kopf-Kino!
Titel | The Mind |
Autor | Wolfgang Warsch |
Illustrationen | Oliver Freudenreich |
Dauer | 20 Minuten |
Spieleranzahl | 2 bis 4 Spieler |
Zielgruppe | Gedanken lesende Familienspieler |
Verlag | Nürnberger-Spielkarten-Verlag |
Jahr | 2018 |
Ich bedanke mich beim Nürnberger-Spielkarten-Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Ich bin mir sicher, dass durch diese Bereitstellung meine Meinung nicht beeinflusst wurde. Die Besprechung spiegelt meine gemachte Erfahrung wider.
Kommentar hinzufügen