Tiwanaku von Olivier Grégoire – erschienen bei Sit Down!
Vor kurzem gab es schon mit GET ON BOARD: NEW YORK & LONDON die inoffizielle Brettspiel-Adaption des Computerspiel-Klassikers Snake. Nun folgt TIWANAKU und beschert und eine analog verspielte Version von Minesweeper.
Thema... nein, in TIWANAKU müssen wir keine Minen entschärfen. Vielmehr will uns der Einleitungstext glauben machen, dass uns die Andengöttin Pachamama auf unserer Suche nach fruchtbarem Land leitet. Und wenn wir sie wahrhaft verehren, dann wird unser Land mit den Früchten zahlreicher Pflanzen beschenkt. Allerdings ist unser Glaube ziemlich berechnend, denn wir müssen in hohem Maß deduktiv agieren.
Illustrationen… sind von Raphaël Samakh in einem doch recht eigenen Stil erstellt. Dabei sind ein paar kleine Brüche bei einzelnen Elementen vorhanden, die ich aber nicht als störend empfinde. Vielmehr erzeugen sie Reibung und wecken damit mein Interesse. Die Gestaltung der Komponenten mit den einzelnen Symbole ist schlüssig, auch wenn wir manchmal ziemlich aufpassen müssen, damit es nicht zu Verwechslungen kommt.
Ausstattung… in TIWANAKU erkunden wir eine Hochebene in den Anden und müssen dann vorhersagen, welche Früchte dort zu finden sind. Dementsprechend zeigt der Spielplan erst einmal nur ein Raster. Je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad entweder von 5×5 Felder oder von 9×5 Felder. Dieses Raster füllen wir dann erst mit Landschaftsplättchen und später mit Pflanzenplättchen. Wie genau? Das ist unsere Aufgabe herauszufinden. Dafür stehen uns 20 Szenario-Scheiben zur Verfügung. Diese zeigen auf der einen Seite den Start-Aufbau – und die andere Seite schauen wir uns lieber nicht genauer an. Denn die Scheibe legen wir mit etwas handwerklichem Geschick in den absoluten Hingucker des Spiels: das Pachamama-Rad. Das ist eine Dechiffrier- Maschine für die einzelnen Szenario-Scheiben. Während des Spiels müssen wir an diesem Rad dann Schieber betätigen und Klappen öffnen, um somit zuvor geheime Informationen offen zu legen.



Zusätzlich zu diesen ganzen mechanischen Hilfsmitteln sind noch kleine Holzscheiben und Spielfiguren in der Box. Zwei dieser Figuren sind nur für das Solo-Spiel und die kooperative Variante vonnöten – für letztere liegen auch Sichtschirme bei. Um die Figuren bei einer Farbfehlsichtigkeit unterscheiden zu können, besteht die Möglichkeit, die Figuren noch mit Stickern zu bekleben.


Ablauf… unser Spielzug bietet zwei Optionen: entweder ich versetze einer meiner Figuren auf dem Spielplan, oder ich treffe Vorhersagen, welche Früchte unter meinen Füßen zu finden sind. Diese erscheinen streng logisch wie ein Sudoko in unserer Hochebene. In einer drei Felder umfassende Landschaft lassen sich auf diesen nur Früchte im Wert von 1 bis 3 finden – und natürlich nur jede Frucht einmal. Weiß ich also, wo die 1 und die 2 liegen, dann sollte es mir nicht mehr schwerfallen herauszufinden, welchen Wert die letzte Frucht hat. Zusätzlich ist aber noch eine weitere Logikregel zu beachten: Früchte mit gleichem Wert liegen niemals nebeneinander. Wenn direkt links von meiner noch unbekannten Frucht eine 5 zu finden ist, dann kann ich diesen Wert schon einmal ausschließen.
Für die finale Siegpunktwertung erzielen wir Punkte über richtig vorhergesagte Früchte – die wir dann auch noch als Sets sammeln können, um somit noch mehr Punkte zu generieren. Zusätzlich erzielen wir Punkte über entdeckte Landschaften. Betreten wir nämlich ein noch nicht entdecktes Rasterfeld, dann befragen wir das Pachamama-Rad und wissen dann, welche Landschaftsart wir gerade entdeckt haben. Auch bei den einzelnen Landschaftstypen sind logische Schlussfolgerungen möglich, da eine Landschaft nie mehr als 5 Felder umfasst, zwei gleiche Gebiete sich nicht über Eck berühren dürfen und die Anzahl an den zu verbauenden Plättchen bekannt ist.
Als vorrangige Spielvariante wird kompetitiv gegeneinander gespielt. Allerdings gibt es noch eine kooperative Variante sowie einen gut funktionierenden Solo-Modus. Dabei kommen dann unter anderem Pfeile auf der Rückseite der Landschaftsplättchen zum Einsatz, die die Figuren des Bots ziehen und somit dauernd neue Landschaften inklusive der Früchte entdecken.
Das gefällt mir nicht so gut: Schon beim guten alten MINESWEEPER brauchten wir eine gewisse Portion Glück: am Anfang und auch während der Partie müssen wir immer mal aufs gerate Wohl ein Feld anklicken – in der Hoffnung, dass darunter keine Mine zu finden ist. So ist es auch bei TIWANAKU. Auch wenn anfangs schon manche Informationen offen liegen, so gibt es genügend Situationen, bei denen man sich zwischen zwei möglichen Fruchtwerten entscheiden muss. Wie wir es von Murphy kennen, entscheiden wir uns meist für den falschen Wert. Das ist vor allem im kompetitiven Spiel ärgerlich. Einerseits kassieren wir für den Fehlversuch Minuspunkte, andererseits können die anderen aus der neuen Information selbst viel Kapital schlagen. Spielen alle auf unbedingte Punktemaximierung, wird eine Partie sehr zäh. Weil dann wird nach und nach erst einmal fast die ganze Landschaft entdeckt – in der Hoffnung, dass man so logische Rückschlüsse auf die Fruchtwerte erhält. Aber selbst dann muss man vielleicht doch einmal auf einen Glückstreffer hoffen. Für solche Runden ist TIWANAKU nicht das optimale Spiel. Als kompetitiven Spiel funktioniert es in meinen Augen nur dann, wenn alle die Punktevergabe als nettes Beiwerk ansehen und das Lösen der Rätselaufgabe als wichtiger erachten als die eigenen Punkte.
Somit könnte nun sich nun die Meinung aufdrängen, dass die kooperative Regel-Variante besser zur Spiel-Idee passen würde. Vom Prinzip schon, allerdings ist diese Variante furchtbar umständlich und es fehlt jede spielerische Leichtigkeit, so dass auch diese in meinen Gruppen nicht beliebt war. Aus diesem Grund spiele ich TIWANAKU mittlerweile am liebsten in der Solo-Variante – auch, wenn wir eine kleinere Gruppe sind.
Das hat dann den Vorteil, dass man die vielen notwendigen Handgriffe auf mehrere Personen aufteilen kann. Denn das Handling ist eher unelegant. Anfang übt das Pachamama-Rad einen hohen haptischen Reiz aus – gegen Ende der Partie ist man eher genervt vom dauernden Drehen und Klappe öffnen und Klappe schließen. Zumal man diese klappen auch nie verwechseln sollte. Ohnehin sollte man aufpassen, keine Fehler zu machen, weil solche eine Partie nachhaltig beeinflussen. Noch mehr ist man allerdings genervt vom Haushalten der Punkte für die Entdeckungen. Denn dann muss man kleine Scheiben nach oben schieben, diese dann in Relation zu den anderen eigenen Scheiben setzen um dann in der Regel einen bis drei Punkte vorzugehen. Dafür dieser ganze Aufwand?
Leider sind auch die Regeln unelegant. Es hat doch einige Zeit gedauert, bis wir wirklich sicher waren, ob wir die Bewegungsregeln richtig verstanden haben. Denn dabei kann man sich durchaus auch gegenseitig blockieren – womit dann die möglicherweise ohnehin schon zähe Entdeckungsphase noch ein wenig zäher wird. Auch die Punktevergabe für das Set Collection der richtig vorhergesagten Früchte überzeugt mich nicht vollständig. Die Intention, dass viele unterschiedliche Früchte gesammelt werden sollen, ist schon klar. Aber das passiert doch automatisch, da ich meinen Spielzug bei der Vorhersage ohnehin so effektiv wie möglich nutzen will. Somit wird also wieder ein zusätzliches Element eingebaut, welches TIWANAKU nur komplizierter macht und aus der eigentlich spannenden Deduktionsaufgabe ein Verwaltungsmonster entstehen lässt.
Das gefällt mir gut: Wie so oft bei dieser Art von Spiel, fasziniert mich die Mathematik hinter dem Spiel. Möglicherweise ist die gar nicht kompliziert, aber ich finde es immer wieder erfüllend, wenn ich über logische Schlüsse dieses oder jenes ausschließen kann, um dann richtige Vorhersagen zu treffen. Bei TIWANAKU beschränkt sich das übrigens nicht nur auf die "Sudoko-Aufgabe" mit den nur einmalig vorkommenden Frucht-Werten pro Gebiet. Die Beschränkungen bei den Gebietszusammenstellungen sollten ebenfalls immer mit beachtet werden. Insbesondere die Anzahl der noch zur Verfügung stehenden Landschaftsplättchen kann enorm bei der Deduktion helfen.
Die Aufteilung in 15 große und 5 kleine Szenarien finde ich hinsichtlich der Varianz als völlig ausreichend. Die 5*5‑Fläche ist gut für den Einstieg geeignet; den eigentlichen Reiz entwickelt TIWANAKU aber erst mit den großen Szenarien. So kann ich es auch gut verkraften, dass die Szenarien des kleinen Rasters nicht für den Solo- und kooperativen Modus ausbalanciert sind. Das sind Übungsszenarien, um die Regeln zu verinnerlichen. Somit bilden das 9×5 Raster das eigentliche Spiel ab. Dabei sind 15 Szenarien definitiv nicht zu wenige, weil ich mir mit gewissem Abstand ohnehin nicht merken kann, wo jetzt in Szenario 1 welche Frucht in welchem Gebiet liegt.
Auch wenn ich ein wenig von den vielen Verwaltungs-Handgriffe genervt war, die Ausstattung ist trotzdem top. Die Optik gefällt, auch wenn ich es als unglückliche Entscheidung ansehe, dass die Spielfiguren in den gleichen Farben daher kommen wie die Landschaften. Aber vielleicht sieht das künstlerische Konzept genau diese Einheitlichkeit als wichtig an. Durch die Aufkleber kann man sich zumindest ein wenig helfen und die Standardfarben sind auch schon für die Früchte vergeben. Das Pachamama-Rad fasziniert mit seiner Funktionsweise, auch wenn das Einlegen einer neuer Szenario-Scheibe ein klein wenig handwerkliches Geschick benötigt. Ich finde es prinzipiell gut, dass auf eine App verzichtet wurde und die Informationsvermittlung analog erfolgt. Leider ist das ganze System an sich zu kompliziert, so dass man davon gegen Ende genervt ist. Die Design-Entscheidung als solches befürworte ich aber. Explizit loben möchte ich auch noch die letzte Seite der Anleitung. Diese bietet ein Beispiel, an dem man Neulingen gut die einzelnen Deduktionsschritte des Spiel erklären kann.
Fazit: TIWANAKU ist leider in vielen Belangen unelegant und man erwischt sich bei dem Gedanken, dass durch die vielen notwendigen Verwaltungsschritte und wegen der Absicherung gegen Fehler eine digitale Version mehr Spaß machen würde. Es fehlt TIWANAKU leider an Klarheit. Dabei zeigt sich ganz nebenbei aber auch die Brillanz eines CRYPTID, bei dem das kompetitive Lösen eines Logikrätsels deutlich zugänglicher umgesetzt ist.
Titel | Tiwanaku |
---|---|
Autor | Olivier Grégoire |
Illustrationen | Raphaël Samakh |
Dauer | 60 Minuten |
Personenanzahl | 1 bis 4 Personen |
Zielgruppe | verspielte Deduktionsrunden |
Verlag | Sit Down! |
Jahr | 2023 |
Hinweis | für die Besprechung wurde vom deutschen Vertrieb Hutter Trade ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt |
Kommentar hinzufügen